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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0468
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Die Kirchenordnungen. Albertinisches Sachsen.

denselben keines weges gestadten, in güldenen
hauben, gülden ketten, sammet oder seidenwerk,
mit schweifen oder springern zugehen, dardurch
sie nicht allein andere leute in der hoffart sterken,
sondern auch ursach geben, wie mit anderm ihrem
ergerlichen leben mehr, das heilige predigampt
zu lestern, zu schenden und zu schmehen, und
den stand der prediger veracht und verhast zu-
machen.
Dargegen aber sich beneben der ernstlichen
drauung Christi, wehe dem, der ergernis gibt etc.
auch S. Peters vermanung erinnern, was derselbige
in gemein aller christen weibern vorgeschrieben,
das ihr schmuck nicht sol auswendig sein, von
harflechten und gold umbhengen und köstliche
kleider anlegen, sondern der verborgene mensch
des herzen unverruckt mit sanftem und stillem
geist, welchs köstlich vor dem herrn ist, das
solches vornemlich die kirchendiener ihnen selbst
und ihren weib und kindern lassen gesaget sein
und darüber halten, darauf auch unsere verordnete
visitatores ihr nachfragen haben und solch erger-
lich wesen abschaffen, dargegen aber sie ernstlich
vermanen und anhalten sollen, das sie nach der
lehr S. Pauli, unstreflich und ein fürbilde der
herde sein in allen tugenden.
Es sollen auch die pfarrer sich aller unehr-
lichen hantierungen, wie auch des weins und bier-
schenkens, kaufmanschaft, vorkaufs auf wucher,
und dergleichen hendel genzlich enthalten.
Das aber besonders vom wein und bier
schenken ist vermeldet, so also verstanden werden,
da den kirchendienern eigener wein wüchse oder
zu decem gefiele oder sie auf der pfarr oder
sonsten gerechtigkeit hetten bier zu breuen, mehr
denn sie zur haushaltung bedürften oder eigene
heuser hetten, darauf sie zubrauen befugt, das
ihnen solches bei fassen, eimern und tonnen,
andern leuten zuverkaufen ungeweret sein sol,
allein das sie nicht schenken, zeichen aus-
stecken, oder geste zur zeche im hause setzen,
daraus grosses ergernis der kirchen und ihnen
den pfarrern mehrmals grosser schimpf, spott, ge-
fahr, nachteil und schaden erfolget, derwegen es
keinem kirchendiener gestadtet, sondern bei allen
mit ernst abgeschafft werden sol, und da sich einer
anderst, dann wie gemeldt, verhalten würde, sol
er alsbald seines ampts entsetzet werden.
XVII. Wie sich die eingepfarten gegen gottes
wort und den heiligen sacramenten verhalten
sollen.
Die eingepfarten sollen sich vor allen dingen
fleissig in der kirchen an sonn, feier und werk-
tagen finden, wann gottes wort geprediget wird,
dasselbige mit andacht hören, herzlich gott an-
rufen, und für alle seine gutthat danken, sich

auch kein ursach, ausserhalb eusserster not, von
demselben abhalten lassen.
Sie sollen auch ihre kinder und hausgesinde
mit fleis zur predigt gottes worts schicken und
sie mit gebürendem ernst darzu anhalten.
Da aber die not erfordert, das von wegen der
gartenden landsknecht und anderer verschlagener
diebe sie nicht alle auf eine stund zur kirchen
kommen, sondern eins im haus am sonn oder
feiertag bleiben, weil sie sich einbrechens der
dieb halben befaren müssen, sollen also die per-
sonen miteinander abwechslen, das, welches vom
hausgesinde morgens zum ampt daheim im hause
geblieben, dasselbig nachmals die mittagspredigt
besuchen sol, deswegen denn auch unnachlesslich
an sonn und feiertagen, nicht allein vor mittag
zum ampt, sondern auch nach mittage die predigt
gehalten werden sol.
Sonderlich aber sollen sie ihre kinder und
das jung gesinde, fleissig zu der predigt des
catechismi und examen desselben anhalten, auch
wann sie es zur kirchen schicken, ihnen selbst
nachsehen, ob sie daselbst hin und nicht anderer
ort gehen, auch deshalben nicht allein fleissige
nachforschung haben, sondern auch, wann sie wieder
zu hause kommen, selbst befragen, was man ge-
predigt, und was jedes aus der predigt gelernet
und behalten habe.
Es sol auch jedes orts oberkeit diese ver-
ordnung fleissig thun, das auf den borkirchen
oder andern orten in der kirchen einige leicht-
fertigkeit und unfug mit lachen, waschen, oder
anderm dergleichen bei aufgesatzter straf nicht
getrieben werden, dardurch der pfarrer und zu-
hörer in der predig und gehör gottes worts irre
gemacht oder gehindert werden möchten.
Auch bei gleicher straf ernstlich verbieten,
das niemand, ausserhalb eusserster noth, aus der
kirchen laufe, bis die predig vollendet, und das
gemein gebete für alle stende einhellig gesprochen
worden.
Desgleichen sol auch jedes orts oberkeit
niemand gestadten, unter der predig für der
kirchen oder auf dem kirchhof zustehen, daselbst
oder anderstwo zu spazieren, oder an festen und
sontagen vor und nach mittag (sonderlich aber auf
den dörfern) die predig gottes worts mutwillig
und vorsetzlich mit ihren weib und kindern zu-
versaumen. So oft aber einer befunden, das er
solcher eins ubertreten und sich zuvor bei den
pfarrern oder richtern jedes orts seiner vor-
habenden notwendigen geschehen halben nicht
entschüldiget, sol er sechs groschen in den gottes-
kasten zur straf erlegen, und eines jeden orts
obrigkeit die gerichtspersonen mit fleis anhalten,
damit sie neben dem pfarrer hierinnen auf die
leute, welche die predigten besuchen oder nicht,
 
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