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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0674
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646 Die Kirchenordnungen. Die Städte und Ortschaften der ernestinischen und albertinischen Länder.

130. Ordination der dorfer des churfurstenthumbs Sachsen dem jungfrauen closter Plotzk zustendig. 1529.
[Aus Dresden, H.St.A., Loc. 10600, Bl. 7 ff.]

Generalia obberurter pfarrn.
Die pfarrer solln gut achtung haben, wo kranke
vorhanden sein das sie dieselben teglich ein
mal besuchn und mit dem wort gottes im glaubn
und der gedult trösten und sterkn, auch mit dem
sacrament des leibs und bluts Christi under beder
gestalt vorsehen; wo die pfarrer nicht bei handen
sein, sollen die custer denselben trostlich sein.
Und so ein mensch vorstirbt, soll der leich-
nam am hellen tag mit nachvolgung der nacht-
barschaft bedackt und mit deutschen christlichen
gesengen, als mitten wir im leben sein mit dem
tod umbfangen, aus tiefer not, wir gleuben all in
einen got und dergleichen erlich begraben werden,
Darumb sollen die kirchhöfe allenthalben
vormacht und wol befridet werden, domit den
toden von den thiern nicht unehr widerfare.
Ungebeichtet und unvorhort der zehen gebot
glaubens und vater unsers soll nimand das sacra-
ment des leibs und bluts Christi gereicht werden,
darzu soll dasselb hinfür unter einer gestalt auch
nimand gegeben werden.
Weil auch forder nimand soll gezwungen
werden das hochwirdig sacrament allein uf die
osterliche zeit zuempfahen, sundern so oft und
wenn der mensch sein sünde und gebrechen fület,
dasselb empfahen soll und mag, und domit die
leut nicht nachlessig werden und dasselb vorachten,
soll stets von christlichem brauch und nutz des-
selben auch von dem schaden der vorachter ge-
predigt werden.
So sollen sich die pfarrer bierschenkens und
anderer unsaubern narung enthalden, und sich mit
lere und leben christlich und unstreflich halden.
Itzlicher mensch der zum sacrament geht und
12 jahr alt ist, soll vorpflicht sein alle quatember
dem pfarrer 1 pfennig zu opfergelt zu geben.
Solch opfergelt soll ein jeder hauswirt fur
sich und sein kinder auch gesinde einbringen und
dem pfarrer reichen. Wo aber vorseumnus dar-
innen gescheen wird, sollen die richter hulflich
darzu sein.
Desgleichen sollen auch die richter daran sein,
domit den pfarrern ire gebürn von zehend zinsen
und anderm unvorminderet gereicht werde,
Und fur allen dingen sollen richter und alle
hauswirt vleissig ufsehen haben, domit gotslesterung,
welche leider zu dieser zeit fast gemein ist, stete

und uberschwenkliche fullerei, müssiggang und
ander unzuchtig laster, die dem christlichem namen
und wesen wider sein, nicht gestatet, sundern
ernstlich gestraft werden bei vormeidung eigner
straf.
Die pfarrer sollen der vihehut nach der zech
vorschont werden. Wo aber ein gemein hirte ge-
halden, sollen sie gleich andern Ionen oder mit
schuten1 ). Es wer dann, das sie desselben vorhin
von alders und allzeit gefreiet gewest.
So sollen die gemeine eingepfarten sembtlich
die pfarren und cüsterheusser in beulichem wesen
forder erhalten, und wo dieselben vorfallen wider
ufrichten, angesehen das es gemeine heuser und
nicht erbe sein, auch das die leut viler beschwe-
rung bede der guter und gewissen entledigt sein.
Ambt der custer.
Die custer sollen den pfarrern in der kirchen
und was gotes dinst anlangt behülflich sein, auch
zu zeitn die kranken helfn besuchen und sie mit
dem wort gots trosten.
Wochenlich sollen sie die jugent vorsamlen,
die selben in den zehen geboten, glauben und
vater unser, auch die deutschen gesenge under-
weisen und lernen.
Darumb soll inen dasjenige, so vor alders
allzeit gegeben worden, hinfür volgen und gegeben
werden.
So soll ein itzlicher pfarrer das buchlein der
visitator haben und sich in alweg darnach richten
und halden.
Und was sunst mit anderen pfarren und lehen
vom closter Plotzk zu lehen rurend und geordent
ist, befindet man in der Ordination des ambts
Gomern.
Urkuntlich ist diese ordnung abwesens der
andern hern visitator durch mein Joannis Bugen-
hagii pfarrers zu Wittenberg petschaft besiegelt.
Gescheen zu Wittemberg im dreissigsten jar.
[Siegel.]

1) Hierzu von anderer Hand der Zusatz:
„Das auch ein ufsehem geschehe, wer sich des
kirchgangs des sontags nit befleissiget, und wer nicht
ohne fugliche ursachen aus der kirche bleibt, das er
darumb gestraft werden muge.“
 
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