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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0510
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Nürnberg II

ist für den höchsten gotesdienst je und je gerümte
worden nit allein darumb, das man alda, wie sie
rümen, den leib und das blut Christi handlet und
wandelt, sonder auch das solcher gottesdienst in so
vil weg den leuten soll nutzen. Denn auf diesem
grund stehen alle papisten, das die meß ex opere
operato1 helf zu vergebung der sünden nit allein
dem, der meß helt, sonder auch denen, für die man
es helt, item denen, so es hören oder, wo sie nit da-
bei können sein, dran gedenken. Ja, das noch mer
ist, so würd die meß auch für ein solchen gottes-
dienst gerümet, der den verstorbenen aus der pein
des fegfeurs zum himel und der genade Gottes helfe.
Wie dann umb solcher ursach willen alle welt ir gelt
und gut auf die messen gewendet, stift, klöster, feld-
kirchen on maßen aufbauet hat, auf das ja diser got-
tesdienst in vollem schwang gienge und den leben-
digen und toten damit geholfen würde.
Wo nun unsere sünde solchen gröblichen irrtumb
nit verursachet hetten (R: Papisten haben über der
messe gehalten, daß sie wol in die kuchen getragen
hat.), so solten je die leut außer dem unterricht, wel-
chen wir durch Gottes wort haben, den schalk ge-
merket und, was es für ein gottesdienst umb die meß
wer, gespüret haben, sintemal pfaffen und münch
solches gottesdiensts selbs sich nit geachtet haben,
wo er nit inen hette gelt getragen; denn da ist noch
unter tausenten nit einer, der allweg aus bewegender
andacht meß helt. Wo sie aber wissen, das es gute
present2 tregt, da findet sich das meßgesind mit hau-
fen. Derhalb obwol bei den leien die meß für ein
großen gottesdienst ist gehalten worden (denn da-
hin hat man sie in allen predigten mit macht ge-
triben), so hat doch solcher gottesdienst den pfaffen
und münchen nur darumb geliebt, das er vil gelts ge-
tragen und sie feiste pfründen davon gehabt haben.
Solches solt zum wenigsten die meß bei den leien
verdechtig gemacht haben, wo nit, wie gemeldet,
unsere sünd solche blindheit wol verdienet hetten.
Aber Gottes wort weiset uns auf andere und grö-
1 = durch den bloßen Vollzug.
2 Präsenzgelder, die bei Kollegiatstiften jedesmal den
Chorherrn ausbezahlt wurden, die am Chorgebet teil-
nahmen. Das Tridentinum setzte fest, daß etwa ein
Drittel aller Einnahmen der Chorherrn aus solchen
Präsenzgeldern bestehen mußte (Wetzer 10, 274.
- LThK 8, 435). Auch für die Teilnahme an Jahr-

ßere mengel, umb welcher willen die meß jederman
als ein sondern greuel fliehen sol (R: I.Die papisti-
sche meß ist von Gott nicht befolhen, kan derhalb
kein gottesdienst sein.). Denn das ist je war: man
soll und kan nichts für ein gottesdienst halten, es
sei denn durch das wort Gottes befolhen, eben wie
ein knecht im haus sich nit ee rhümen kan, das er
seinem herren diene, er tu denn, was sein herr in ge-
heißen hat. Nun aber: Wo wöllen die papisten aus
unsers Herren Christi wort und befelh erweisen, das
er das meßopfer inen befolhen oder also zu halten
eingesetzt hab ?
Denn da unser lieber Herr Christus sein nachtmal
einsetzet (R: Wazu der Herr Christus sein abentmal
eingesetzet), befalh er, man solt sein leib essen und
sein blut trinken und sein dabei gedenken, wie die
wort klar mit bringen: Solchs tut zu meinem ge-
dechtnus! [1. Kor. 11,24f.]. So spricht der babst, man
sol es tun, den Herrn Christum damit für der leben-
digen und toten sünd aufzuopfern. Wer sihet aber
nit, das des Herren Christi und seines opfers geden-
ken etwas anders ist, denn den Herren Christum
opfern ? Weil es nun an dem befelh fehlet, das Chri-
stus nicht geheißen hat, man soll ihn für die sünde
aufopfern - denn solchs opfer hat er selb allgereit
ausgerichtet -, so kan je solchs meß halten für kei-
nen gottesdienst gerümet werden; denn wo ein got-
tesdienst sol sein, da muß zuvor Gottes wort sein.
Ist Gottes wort nit da, so ist es entweder ein men-
schendienst oder teufelsdienst. Das ist gewiß und
kan nit fehlen.
Aber hie findet sich mit dem meßopfer ein ander
mangel, der noch erger und greulicher ist denn diser,
das man solchs opfer on den befelh Christi hat auf-
gerichtet (R: II.Meßopfer ist wider das wort.). Denn
also spricht die epistel zun Hebreern am 10 [14]:
,,Christus hat MIT EINEM opfer in ewigkeit voll-
endet, die geheiliget werden." Das ist: alles, was zur
heiligung gehöret, das uns die sünd vergeben, wir ge-
recht und mit Gott versönet können werden, solchs
tagen wurden bei der Jahrtagstiftung solche Präsenz-
gelder ausgesetzt (z. B. Anniversarium der Neuen
Spitalkirche zu Nürnberg, in: A. Würfel, Histo-
rische ... Nachrichten zur Erläuterung der nürn-
bergischen Stadt- und Adelsgeschichte 1 [Nürnberg
1766] 194f. 205).

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