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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0582
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1556 ging auch Schelchius wieder. Sein Nachfolger war ein durch seine Lebensschicksale und man-
cherlei literarische Tätigkeit beachtenswerter österreichischer Exulant, Simon Gerengel, der sich der Auf-
gabe aber wieder nicht gewachsen zeigte. So wandte sich Rothenburg um Unterstützung und Hilfe an
Württemberg. Herzog Christoph15 lieh der Reichsstadt den jugendlichen, aber schon weit über die Lan-
desgrenzen hinaus bekannt und tätig gewordenen Jakob Andreä16, damals Pfarrer und Generalsuper-
intendent in Göppingen, auf ein Vierteljahr aus. Als dieser im November 1558 kam, vermittelte er zu-
nächst, daß Herzog Christoph den aus dem benachbarten Schwäbisch Hall stammenden damaligen Spe-
zialsuperintendenten von Oberrixingen, Johann Hofmann, an Rothenburg als Pfarrer überließ17. Dann
hielt er eine Visitation im ganzen rothenburgischen Raum18. Vor allem aber arbeitete er eine Kirchen-
ordnung aus und dazu eine ,,Instruction, wie die Kirchenordnung gehandhabt und vollzogen werden soll“.
Am 19. Dezember konnte Andreä wieder heimkehren.
Hofmann erhielt jetzt die Amtsbezeichnung Generalsuperintendent und vollzog Andreäs Pläne. Das
von Andreä angeregte Konsistorium aus drei geistlichen und drei weltlichen Mitgliedern hielt am 23.Feb-
ruar 1559 seine 1. Sitzung ab. Die Kirchenordnung wurde gedruckt und am 28. August 1559 feier-
lich veröffentlicht19. Sie ist im wesentlichen eine Wiedergabe von Veit Dietrichs Agendbüchlein, vermehrt
und vermischt mit württembergischen Stücken. Neuauflagen fand sie in den Jahren 1611 und 166820.
1797 wurde sie durch die Seilersche Agende ersetzt21.
Die ,,Instruction“ trägt formell zwar weithin den Charakter eines bloßen Vorschlags22. Daß sie aber
von Schreiberhand in ein eigens dafür und offensichtlich zur Aufnahme weiterer ähnlicher Bestimmungen
bestimmtes Buch eingetragen wurde, daß dieser Eintrag ferner sehr deutliche Spuren häufigen Gebrauchs
zeigt und daß ihr Inhalt schließlich sofort in die Tat umgesetzt wurde, lassen keinen Zweifel an ihrem
amtlichen Charakter aufkommen. Eine geringe Abänderung erfuhr sie nur darin, daß schon bei der
ersten Sitzung des Konsistoriums nicht nur der Generalsuperintendent theologisches Mitglied war, son-
dern außer ihm noch weitere zwei Geistliche der Stadt.
Bei der Durchführung der Reformation in seinem großen Landgebiet (mit 34 Pfarreien) konnte
sich Rothenburg teilweise des Vorgehens und der Unterstützung Brandenburg-Ansbachs erfreuen, wenn-
gleich diese Freude in zunehmendem Maß durch ansbachische Hoheitsansprüche getrübt wurde. Zu einem
anderen Teil aber machten ihm die Patronatsrechte katholischer Stifte erheblich zu schaffen. Dabei ging
schließlich die unmittelbar vor seinen Toren gelegene, im Patronat des Ritterstiftes Comburg stehende
Pfarrei Gebsattel 1584 wieder verloren.
Entsprechend der Einteilung des Landgebietes in zwei Landvogteien, die durch die Tauber geschie-
den waren, wurden 1560 auch zwei Superintendenturen geschaffen23 - wie die ,,Instruction“ auch solche
vorsah. Sie gingen aber bald wieder ein.
Nach dem Tode des letzten Franziskaners (1548) übernahm die Stadt das Barfüßerkloster. Das
gleiche geschah nach dem Tod der letzten Nonne des Dominikanerinnenklosters 1554. Die beiden Ver-
mögen wurden zunächst getrennt verwaltet, 1575 aber miteinander vereint. In dieses Vermögen kamen
später noch Pfründen einiger Landpfarreien. Im übrigen aber wurden die Pfarrpfründen anfangs mit

15 1550-1568 (J. Rauscher, Württembergische Reformationsgeschichte 3. Bcl. Stuttgart 1934. 177-198. - R. Uh-
land, in: NDB 3, 246f. - Schottenloher 33 906-33 936).
16 Geb. 1528 Waiblingen. — 1546 Geistlicher in Stuttgart, 1548 durchs Interim vertrieben, 1553 Göppingen Pfarrer,
bald auch Generalsuperintendent, 1561 Tübingen Propst und Professor — † 1590 (Kolde, in: RE 1, 501—503.
- Schottenloher 513-542. - H. Gürsching, J. A. und seine Zeit, in: Blätter für württembergische Kirchen-
geschichte 54 [1954] 123-156. — P. Meinhold, in: NDB 1, 277). 17 Schattenmann 121-129.
18 Das Protokoll im Stadtarchiv Rothenburg, Band 1426 f. 30-38. 19 Unsere Nr.VI 1.—Waldenmaier 84f.
20 E. Schmidt, Zur Geschichie des Gottesdienstes... in Rothenburg. Rothenburg 1905. 6—21. — P. Schattenmann,
Johann Ludwig Hartmann, Superintendent von Rothenburg 1640-1680 in: Jahresbericht Alt-Rothenburg
1920/21 [1921], 31-34). 21Winterbach 2, 55. 22 Unsere Nr.VI 2. 23 Winterbach 2, 56.

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