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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0358
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II 15. Institutionswerk vom 6. Juli 1596.

Demnach der durchleuchtigste etc. pfalzgraf
Friderich, churfurst etc., unser genedigster herr, aus
deren in seiner churf[ürstlicher] gn[aden] landen an-
gestelten christlichen visitation befunden, das der
grose hauf seiner churf[ürstlichen] gn[aden] ange-
hörige und von Gott anvertraueten untertanen - on-
geachtet dieselben zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig
und mehr jar die predigten gottliches worts besu-
chet, angehört, teils ihren gewöhnlichen catechis-
mum oder doch viel fragstück aus demselben zu
erzehlen gelernet - dennochten nicht anzeigen kön-
ten, was sie sich solcher viel jar gehörter predigten,
desgleichen begriffenen fragen und der christlichen
hauptstück zu ihrer seelen heil und seligkeit in einer
und andern anfechtung, desgleichen zur zeit ihres
absterbens zu getrosten hetten, zu geschweigen,
das dem größern haufen es noch an rechter erzehlung
der hauptstück und verstand gar gemangelt,
so haben sein churf[ürstliche] gn[aden] ihres tra-
genden ampts halben, gedachten ihren anvertrauten
untertanen aus der gefehrlichen blindheit und ver-
damlichen unwissenheit zu helfen, sich schuldig er-
kant, uf heilsame mittel und weg zu trachten, sowol
denjenigen, welche noch die hauptstück nicht oder
,doch nicht recht erzehlen könten, als auch denen, so
mit dem munde wol etwas und viel aus ihrem ge-
lerneten catechismo vorzubringen wissen, zu bessern
verstand dessen, was sie also mitworten anzeigen,
anleitung und unterricht zu verschaffen, und dero-
wegen hochwichtig und unumbgenglich geachtet,
neben der predigt göttliches worts, erklärung der
hauptstück, desgleichen anderer fragen noch eine
sondere unterweisung, als wie dieselbe in der ersten
kirchen bei zeiten der apostel ublich gewesen1, anzu-
stellen, das die, welche bishero die hauptstück
christlicher lehr nicht begriffen, darzu gebracht, die
andern aber, so wol allerhand daherzusagen gewust,
zum nützlichen verstand ohne bindung an gewisse
Druckvorlage: Original (Papier, Folio, 4 Blätter.-
Amberg StA ORuR 44 [Acta das Institutionswerk
betr.] f. 1-4.). - Siehe oben S. 275!

fragen zu bringen sein; dann weder Gott mit vielen
worten gedienet noch auch ihnen mit selbigen, ob sie
schon die ganze bibel auswendig zu erzehlen wüsten,
ohne den genugsamen verstand, das ist: das es ein
jeder ihme zu eignem nutz machen und daraus in
seinem leben und sterben sich trösten konne, ge-
holfen.
Dieweil es dann nicht fürnemlich, besonders den
albereit erwachsenen personen daran gelegen, ganze
catechismos auswendig oder auch viel von dem, was
zu diesen zeiten in dem oder jenem punkten ge-
stritten wurdet, zu wissen, sondern vielmehr die un-
umbgengliche noturft ist — hindangesetzt aller
stritt, mit welchen die einfeltigen nur irr gemacht
werden -, uf die wege es zu richten, das ein jeder
mensch des fundaments als seiner erschaffung, des
fall unserer ersten eltern, die [!] erlösung, wie er
ihme selbige zueignen und dafür dankbar sein soll2,
fleißig unterweisen und, weil des menschen gedecht-
nus kurz, welches das gute eher dann das böse ver-
gisset, unaufhörlich bei jungen und alten getrieben
und geübet werden, sintemal der mangel dises fun-
daments die einzige ursach, daß bei so hellem licht
des evangelii, viel jar hero gehörten, trostlichen pre-
digten und geübten catechismo dermaßen wenig
frucht und nutz gespüret worden,
also sind seine churf[ürstliche] gn[aden] erzehlter
ursachen wegen und, dem unheil abzuhelfen, be-
wogen, nachfolgende unterweisung neben der pre-
digt göttlichs worts anzuordnen, nemlich soll
für das erste denjenigen, so die bloße text der
hauptstück christlicher religion nicht recht konnen
erzehlen, an jedem ort nach gelegenheit ein gewisse
zeit durch die verordnete visitatorn bestimmet wer-
den, in welcher sie dieselbigen sollen lernen und nach
verfließung solcher zeit durch die kirchendiener und
beampte in beisein etzlicher des rats desselbigen orts
1 Gedacht ist wohl an: „Sie blieben aber beständig in
der Apostel Lehre...“ (Ap.Gesch. 2, 42).
2 entsprechend den drei Hauptstücken des Heidel-
berger Katechismus.

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