Einleitung
sität. Delegierte aller Gebiete kamen regelmäßig in Hermannstadt zusammen, zumindestens jährlich am
Katharinentag (25. November), bei Bedarf auch im Frühjahr. Zwischen diesen Zusammenkünften konnte
der Rat von Hermannstadt als „delegierte Universität“ handeln. Aus der Rechts- und Gerichtsgemeinschaft
entwickelte sich eine politische Körperschaft, eine landständische Vertretung der Sachsen. Angesichts ihrer
Finanz- und Organisationskraft dominierten die großen Handelsstädte und gaben der sächsischen Nations-
universität im Kontrast zu den vom Adel dominierten Komitaten einen „dezidiert städtebündischen Cha-
rakter“8. Trotz gelegentlicher politischer Sonderwege insbesondere der beiden Distrikte konnte die sächsi-
sche natio im 16. Jahrhundert weitaus besser als die Szekler ihre Sonderstellung wahren und weitere gemein-
schaftsstiftende Elemente hinzufügen. Neben der Kodifizierung des Gewohnheitsrechtes (Eygen Landrecht)
1583 war dieses die weitgehend geschlossene Reformation nach Wittenberger Vorbild und die Ausbildung
einer eigenen landeskirchlichen Organisation. Eine besondere Rechtsstellung der Sachsen erhielt sich bis ins
19. Jahrhundert.
b) Kirchenorganisation
Die spätmittelalterlichen „sächsischen Freiheiten“ beinhalteten auch Sonderrechte im kirchlichen Bereich
und eigene kirchenorganisatorische Ansätze, die in einer bemerkenswerten Kontinuität in den Aufbau einer
eigenen evangelischen Kirchenorganisation eingebracht wurden9. Der Freibrief von 1224 gab den sächsi-
schen Siedlungen das freie Pfarrwahlrecht durch die Gemeinde und ein Zehntrecht mit weitgehender Ver-
wendung für Pfarrer. Die gut dotierten Landpfarreien waren attraktiv für Bewerber mit herausgehobener
Herkunft und Bildung10, die sich dann bei der Bewahrung und dem Ausbau der Rechtsstellung engagierten.
Parallel zur politischen sächsischen Nationsuniversität bildete sich eine gemeinsame Vertretung der Geist-
lichkeit mit der Bezeichnung „Geistliche Universität“. Deren Leitung erhielt 1501 der Dechant des zentral
gelegenen Mediascher Kapitels als „Generaldechant“11.
Eine scheinbare Parallele ist die Bildung eines exemten kirchlichen Bezirkes. Als ecclesia Theutonicorum
Ultrasilvanorum wurde bereits 1191 die praepositura Herrmannstadt aus dem geographisch nahegelegenen
siebenbürgischen Bistum Weißenburg herausgelöst und dem ungarischen Primas, dem Erzbischof von Gran
(Strigonium), unterstellt. Aus Sonderrechten der Deutschordenszeit, wohl auch als Relikt eines kumani-
schen Missionsbistums in Milkow, war auch das Burzenländer Kapitel Gran unterstellt. Bei den Stadt-
pfarrern von Hermannstadt und Kronstadt sammelten sich in der Folgezeit verschiedene quasiepiskopale
Rechte an. Die Hermannstädter Stadtpfarrei erhielt 1424 Rechte und Besitz der dortigen königlichen
Ladislaus-Propstei. Die Finanzkraft der beiden Handelsmetropolen spiegelte sich in der Ausgestaltung der
Stadtpfarrkirchen, die nicht hinter großen Kathedralen zurückstanden. Die „Schwarze Kirche“ in Kron-
stadt ist der größte gotische Kirchenbau südöstlich von Wien.
Jedoch gelang es im kirchlichen Bereich nicht, die Exemtion auf weitere Gebiete auszudehnen. Bereits
1199 wurden die um Hermannstadt ansässigen priores Flandrenses von den alii Flandrenses geschieden, die
weiterhin der Weißenburger Diözese angehörten. So war nicht einmal das gesamte 1224 umschriebene
8 Einleitung zu Şindilariu u.a., Hermannstadt und Sie-
benbürgen, S.11.
9 Bezeichnend ist, dass die 1921 „der evangelischen Kirche
zur 400jährigen Gedenkfeier der Reformation“ gewid-
mete umfangreichste Gesamtdarstellung von Teutsch,
Geschichte I—II in ebd. I, S. 1-188 die hoch- und spät-
mittelalterliche Kirchengeschichte darstellt. In dieser
Kontinuität wurde auch 1991 das Kirchenjubiläum
begangen; Nägler, 800 Jahre.
10 Exemplarisch die Vereinbarung von 1545, Abdruck
Teutsch, UB II, S. lf. Nr. 1: An der Spitze stehen als
Generaldechant der Pfarrer des Marktortes Hetzeldorf,
ein doctor decretorum, und der Dechant des Hermann-
städter Kapitels, ein Magister Artium, apostolischer
Protonotar und Dorfpfarrer von Stolzenburg.
11 Gündisch, Geistliche Universität, S. 105-114;
Teutsch, Geschichte I, S. 172f.; Teutsch, General-
dechant, S. 25-33, 37-45.
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sität. Delegierte aller Gebiete kamen regelmäßig in Hermannstadt zusammen, zumindestens jährlich am
Katharinentag (25. November), bei Bedarf auch im Frühjahr. Zwischen diesen Zusammenkünften konnte
der Rat von Hermannstadt als „delegierte Universität“ handeln. Aus der Rechts- und Gerichtsgemeinschaft
entwickelte sich eine politische Körperschaft, eine landständische Vertretung der Sachsen. Angesichts ihrer
Finanz- und Organisationskraft dominierten die großen Handelsstädte und gaben der sächsischen Nations-
universität im Kontrast zu den vom Adel dominierten Komitaten einen „dezidiert städtebündischen Cha-
rakter“8. Trotz gelegentlicher politischer Sonderwege insbesondere der beiden Distrikte konnte die sächsi-
sche natio im 16. Jahrhundert weitaus besser als die Szekler ihre Sonderstellung wahren und weitere gemein-
schaftsstiftende Elemente hinzufügen. Neben der Kodifizierung des Gewohnheitsrechtes (Eygen Landrecht)
1583 war dieses die weitgehend geschlossene Reformation nach Wittenberger Vorbild und die Ausbildung
einer eigenen landeskirchlichen Organisation. Eine besondere Rechtsstellung der Sachsen erhielt sich bis ins
19. Jahrhundert.
b) Kirchenorganisation
Die spätmittelalterlichen „sächsischen Freiheiten“ beinhalteten auch Sonderrechte im kirchlichen Bereich
und eigene kirchenorganisatorische Ansätze, die in einer bemerkenswerten Kontinuität in den Aufbau einer
eigenen evangelischen Kirchenorganisation eingebracht wurden9. Der Freibrief von 1224 gab den sächsi-
schen Siedlungen das freie Pfarrwahlrecht durch die Gemeinde und ein Zehntrecht mit weitgehender Ver-
wendung für Pfarrer. Die gut dotierten Landpfarreien waren attraktiv für Bewerber mit herausgehobener
Herkunft und Bildung10, die sich dann bei der Bewahrung und dem Ausbau der Rechtsstellung engagierten.
Parallel zur politischen sächsischen Nationsuniversität bildete sich eine gemeinsame Vertretung der Geist-
lichkeit mit der Bezeichnung „Geistliche Universität“. Deren Leitung erhielt 1501 der Dechant des zentral
gelegenen Mediascher Kapitels als „Generaldechant“11.
Eine scheinbare Parallele ist die Bildung eines exemten kirchlichen Bezirkes. Als ecclesia Theutonicorum
Ultrasilvanorum wurde bereits 1191 die praepositura Herrmannstadt aus dem geographisch nahegelegenen
siebenbürgischen Bistum Weißenburg herausgelöst und dem ungarischen Primas, dem Erzbischof von Gran
(Strigonium), unterstellt. Aus Sonderrechten der Deutschordenszeit, wohl auch als Relikt eines kumani-
schen Missionsbistums in Milkow, war auch das Burzenländer Kapitel Gran unterstellt. Bei den Stadt-
pfarrern von Hermannstadt und Kronstadt sammelten sich in der Folgezeit verschiedene quasiepiskopale
Rechte an. Die Hermannstädter Stadtpfarrei erhielt 1424 Rechte und Besitz der dortigen königlichen
Ladislaus-Propstei. Die Finanzkraft der beiden Handelsmetropolen spiegelte sich in der Ausgestaltung der
Stadtpfarrkirchen, die nicht hinter großen Kathedralen zurückstanden. Die „Schwarze Kirche“ in Kron-
stadt ist der größte gotische Kirchenbau südöstlich von Wien.
Jedoch gelang es im kirchlichen Bereich nicht, die Exemtion auf weitere Gebiete auszudehnen. Bereits
1199 wurden die um Hermannstadt ansässigen priores Flandrenses von den alii Flandrenses geschieden, die
weiterhin der Weißenburger Diözese angehörten. So war nicht einmal das gesamte 1224 umschriebene
8 Einleitung zu Şindilariu u.a., Hermannstadt und Sie-
benbürgen, S.11.
9 Bezeichnend ist, dass die 1921 „der evangelischen Kirche
zur 400jährigen Gedenkfeier der Reformation“ gewid-
mete umfangreichste Gesamtdarstellung von Teutsch,
Geschichte I—II in ebd. I, S. 1-188 die hoch- und spät-
mittelalterliche Kirchengeschichte darstellt. In dieser
Kontinuität wurde auch 1991 das Kirchenjubiläum
begangen; Nägler, 800 Jahre.
10 Exemplarisch die Vereinbarung von 1545, Abdruck
Teutsch, UB II, S. lf. Nr. 1: An der Spitze stehen als
Generaldechant der Pfarrer des Marktortes Hetzeldorf,
ein doctor decretorum, und der Dechant des Hermann-
städter Kapitels, ein Magister Artium, apostolischer
Protonotar und Dorfpfarrer von Stolzenburg.
11 Gündisch, Geistliche Universität, S. 105-114;
Teutsch, Geschichte I, S. 172f.; Teutsch, General-
dechant, S. 25-33, 37-45.
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