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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Armgart, Martin [Bearb.]; Meese, Karin [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0134
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Einleitung

Stadtpfarrkirche beschloss im November 1542 eine Versammlung der zum Burzenländer Distrikt gehören-
den Umlandgemeinden die Übernahme der Kronstädter Kirchenreform; Ausgaben pro convocatione provin-
ciae causa evangelii pure praedicaridi et religionis hic reformatione sind im städtischen Rechnungsbuch ver-
zeichnet46. Ebenfalls dort belegt ist eine unter Leitung eines Kronstädter Ratsvertreters durchgeführte
Visitation der Umlandpfarreien im Dezember 154247.
Drei Faktoren griffen bei diesen Kronstädter Ereignissen ineinander: die Initiative der städtischen
Obrigkeit, ein humanistischesUmfeld mit internationalen Kontakten und die allgemeine politische
Umbruchphase 1540/42 mit neuen Möglichkeiten und Gefahren, insbesondere der Bedrohung durch die
osmanische Expansion. Nach offenbar längerer, mit Beistandshoffnung verbundener Zurückhaltung wurde
die am Rande der katholischen Christenheit in einer intensiven Kontaktzone zu Orthodoxen und Muslimen
gelegene Handelsmetropole Vorreiter einer „Reformation in Türkennot“48. Der Rückzug des Reichsheeres
vor Ofen im Herbst 1542 ließ einen baldigen militärischen Erfolg über die Osmanen unrealistisch erschei-
nen. Kronstadt selbst war im Oktober 1542 Sammelpunkt eines siebenbürgischen Aufgebotes zur Abwehr
eines osmanisch-walachischen Einfalls. Zugleich stabilisierte sich in Siebenbürgen und seinen angrenzenden
Gebieten ein eigener Staat, der den Ständen und lokalen Obrigkeiten eine starke Stellung und weitgehende
innere Autonomie einräumte. Damit einher ging ein Wechsel in der Stadtführung Kronstadts: 1541 folgte
Johannes Fuchs dem lange Jahre dominierenden Stadtrichter Lukas Hirscher und wurde zum wichtigsten
politischen Förderer der Kirchenreform.
Als eingehende Schilderung und programmatische Erläuterung der Kronstädter kirchenordnenden
Maßnahmen erschien 1543 in der Druckerei von Johannes Honterus die Schrift Reformatio Ecclesiae Coro-
niensis ac totius Barcensis provinciae. Dieses „Reformationsbüchlein“ fand rasche Verbreitung und weite
Aufmerksamkeit - bis nach Wittenberg, wo im gleichen Jahr ein Nachdruck mit einem Vorwort Melan-
chthons erschien. Auch Luther empfahl es nachdrücklich: offendes melius, quam ego scribere possum. Die
Reformschrift gab aber auch offenbar den Anlass, dass die Stadt Anfang Juni 1543 in negotiis religionis von
der Königinwitwe Isabella und dem Statthalter Martinuzzi in die neue Residenz Weißenburg vorgeladen
wurde49. Vertreter der Stadt und der burzenländischen Geistlichkeit verteidigten dort erfolgreich die Kir-
chenreformen50. Der nicht persönlich anwesende Honterus verfasste (ähnlich Melanchthons Apologie der

chronikalischen Nachrichten über dieses Ereignis Monu-
menta Ecclesiae IV, S. 117 Nr. 102.
44 Zur komplizierten Überlieferungsgeschichte und Bewer-
tung der Chronik Friedrich Wilhelm Seraphin in der
Einleitung zu QGK IV, S. LXXXIUXC; Szegedi,
Geschichtsbewußtsein, S. 166-170.
45 Zur Person die Einleitung von QGK IV, S. LXXXIf.,
Trausch, Schriftsteller-Lexikon III, S. 43f„ IX,
S. 321f„ Franke, Musizieren, S. 67-70: Der aus dem
bayerischen Scheyern stammende Ostermayer war von
1530 bis zu seinem Tod 1561 vom Rat besoldeter Orga-
nist an der Kronstädter Stadtkirche.
46 Monumenta Ecclesiae IV, S. 118 Nr. 103.
47 Die am 5. Dezember 1542 beginnende erste evangelische
Visitation wird denkbar knapp im städtischen Rech-
nungsbuch vermerkt; Die Abrechnung endet mit dem
Einkauf von Petersilie, Zwiebeln und Zitronen: Feria 3
ante Nicolai incepta est visitatio cum venerabilibus ac pru-
dentibus dominis, quibus dedi in expensis fl. 5 für 4 Diener
und einen Koch auf 4 Tage, letzterer 20 Asper, dazu pro
12 octavis vini, 4 libris orizae, 4 pedicibus, 2 1/2 octavis
aceti, petroselino et cepe asper 48, pro lemoniis asper 8;
ebd„ S. 180.

48 So der Titel von Philippi, Reformation in Türkennot,
S. 92-98.
49 Ausfertigungen der Ladungen vom 6. bzw. 7. Juni AHG
Kronstadt, I E (Burzenländer Kapitel, Urkunden),
Nr. 104 und 105; Abdruck Fabritius, Kisder Kapitel,
S. 213f. Nr. 276f.
50 Erneut hierzu Hieronymus Ostermayer: hat die königin
und der schatzmeister [= Georg Martinuzzi, oben S. 29] zu
Weissemburg mit den papisten eine versammlung gehalten
und herrn magistrum Joannem Honterum sampt dem
Reformation-Büchlein und der stadt obrigkeit dahin berue-
fen. Und sein von den geistlichen dahin verreisen herr Nico-
laus pfarr zu Rossnaw [= Mag. Nikolaus Stephani, seit
1538 Pfarrer in Rosenau vgl. Wagner, Pfarrer,
Nr. 795], herr Jeremias, Pfarr zu Cron [= Jeremias Jekel,
ab 1538 Stadtpfarrer in Kronstadt; ebd. Nr. 419], item
der herr richter [= Johannes Fuchs] sampt etlichen herren.
Den herrn magistrum aber haben sie nit mitziehen lassen.
Weil aber bemeldte herren druch Gottes hilf wohl bestanden
wider die papistischen gesellen, sein sie glücklichen heim-
kommen, und also das evangelium je mehr im land ausge-
breitet. Gott sei ehr, lob und dank. Amen; QGK IV, S. 504.

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