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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Armgart, Martin [Bearb.]; Meese, Karin [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0148
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Einleitung

fessuren zunächst in Krakau, dann in Königsberg übernommen. Mit seinen dort entwickelten Sonderlehren
vom Mittleramt Christi kehrte er nach Hermannstadt zurück, wo er wegen wiederholten Verstoßen gegen
das ihm auferlegte Predigtverbot 1557 ausgewiesen wurde.
Die unterschiedlichen Abendmahlsauffassungen bildeten zeitverzögert den Anstoß für Kontroversen
innerhalb der siebenbürgischen evangelischen Geistlichkeit, zunächst in den partes adnexae, dann im
gemischtnationalen Klausenburg, der größten Stadt auf Komitatsboden. Der sächsische Stadtpfarrer Kas-
par Helth hatte sich noch an der Ausarbeitung der Kirchenordnung von 1547 beteiligt. Nun wurde Klau-
senburg Zentrum einer alternativen Kirchenorganisation. Nach dem Scheitern letzter synodaler Gespräche
1564 teilte ein Landtagsabschied von 1564 die Gemeinden inter superintendentes et pastores ecclesiarum
Coloswariensis nationis videlicet Hungariae et Cibiniensis gentis Saxonicalis habite.
Schließlich nahm Klausenburg größeren Anteil am Aufstieg unitarischer (antitrinitarischer) Glaubens-
vorstellungen, deren erster Superintendent der sächsische Stadtpfarrer Davidis wurde. Die durch den kon-
fessionellen Unterschied eingetretene Entfremdung des großen sächsischen Bevölkerungsanteils in Klausen-
burg von der sächsischen Gemeinschaft gab weiteren Anstoß der weltlichen und geistlichen Amtsträger,
anderen möglichen „Abspaltungstendenzen“ entgegenzusteuern und in einer von der reformierten Konfes-
sion betont abgehoben, an Wittenberg orientierten eigenen Kirche eine zusätzliche Klammer der sächsi-
schen Gemeinden auszubauen.
In Kauf genommen wurden dabei regional unterschiedliche Ausprägungen, auch in gottesdienstlichen
Gewohnheiten, die als res mediae oder Adiaphora lange einer Festlegung entzogen wurden. In den auch
räumlich separierten Gemeinden Nordsiebenbürgens in der Nachbarschaft Klausenburgs war durch Verei-
nigung der beiden Kapitel Kiraly und Bistritz ein großer kirchlicher Verband mit fast 40 Pfarreien ent-
standen. Im Burzenland bestand eine traditionelle Sonderung und eine starke Stellung des Kronstädter
Rates, insbesondere als (Mit-)Visitationsinstanz. Doch scheiterte der Rat 1561 bei der Einsetzung des Titus
Amicinus als Stadtpfarrer; als reformierter Neuerer verdächtigt, musste er trotz Intervention seiner Wit-
tenberger Professoren nach kurzer Zeit das Amt aufgeben133.
8. Burzenländer Artikel zu Baupflichten, Hochzeiten und Begräbnissen 10. Februar 1556 (Text S. 259)
Der älteste im Konsens geistlicher und weltlicher Amtsträger entstandene kirchenordnende Text der evan-
gelischen Zeit ist aus dem Burzenland überliefert. Auf Einladung des Kronstädter Rates versammelten sich
im dortigen Rathaus das Burzenländer kirchliche Kapitel und die Gemeindevertreter des Burzenländer
Distriktes. In gemein undt auff ein jedere gemein in sonderheit beschlossen wurden vier knappe Regelungen zu
eher peripheren Bereichen. Der Text ist in zwei Fassungen überliefert, eine original erhaltene Ausfertigung
des Rates und eine verschiedene Korruptelen (u.a. bei der Datierung) aufweisende Abschrift im Kopialbuch
des kirchlichen Kapitels. In beiden Überlieferungen folgt eine umfangreiche Inventarisierung des kirchli-
chen Grundbesitzes in den Burzenländer Pfarreien und die Aufzeichnung der Pfarrerbesoldungen134.
Die vier eher unscheinbaren Artikel bilden den Grundstock, auf dem die drei Gremien in den nachfol-
genden Jahren eine umfangreiche Sammlung kirchenordender Regelungen aufbauen. Als bei Visitationen zu
verkündende Regelungen umfassen sie 1578 bereits 59 Artikel135; eine Fassung von 1579 verweist ausdrück-
lich auf den Beginn der Sammlung am 10. Februar 1556136.

133 Philippi, Erbe, S. 192-209; Szegedi, Kronstadt,
S. 146f.
134 Beide Fassungen sind einschließlich der Inventare abge-
druckt, die des Rates bei Herbert, Inventarien, S. 58-
62 und 105-108, die des Kapitels QGK VIII.2, S. 186-
193.

135 Unten S. 441-452 als Burzenländer Visitationsartikel,
mit weiterer Überlieferung.
136 Dort mit ausdrücklichem Verweis auf die vorliegenden
gemeinsamen Artikel: Artikel christlicher visitation der
kirchen und gemeinden der erden Bartza, anfänglich von
anno 1556 am montag post dominica Sexagesimae durch

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