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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Armgart, Martin [Oth.]; Meese, Karin [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0185
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Einleitung

7. Wende zum orthodoxen Luthertum-die Superintendenten Matthias Schiffbaumer
(1601-1611) und Zacharias Weyrauch (1614-1621)
Universa nostra patria bello, latrociniis, rapinis hostiumque incursionibus quasi diluvio inundata337 - vor
schwierigem Zeithintergrund stand am Anfang des 17. Jahrhunderts die weitere Ausgestaltung der sieben-
bürgisch-sächsischen Kirche. Mit dem gesamten Land litt das sächsische Siedlungsgebiet zunächst unter
langanhaltenden Bemühungen, mit militärischen Mittel eine habsburgische Oberherrschaft zu etablieren,
dann unter Auswüchsen von Fürstenwillkür, die in der Vertreibung der Hermannstädter Bürger und der
langen Belagerung Kronstadts gipfelten. Erst nach dem Fürstenwechsel 1613 stabilisierte sich das politische
Umfeld. Die Herrschaft eines nunmehr reformierten Fürsten und einer ebenfalls überwiegend reformierten
adligen Führungsgruppe war Anstoß zu einer deutlichen Abgrenzung auf sächsischer Seite, zur Durchset-
zung einer orthodoxen lutherischen Ausprägung.
Nachfolger des im November 1600 verstorbenen langjährigen Superintendenten Lukas Unglerus wurde
Matthias Schiffbaumer338. Nach einer auf Mittelsiebenbürgen beschränkten kirchlichen Laufbahn339 wählte
ihn im Dezember 1600 die Gemeinde zum Nachfolger im Birthälmer Pfarramt. Die Wahl eines Nachfolgers
im Superintendentenamt verzögerte sich hingegen. Nach der langen Amtszeit von Unglerus bestanden
Unklarheiten über Wahl- und Inaugurationsmodalitäten. Der Generaldechant als Leiter der Wahlsynode
beriet sich daher zunächst auf einer Teilsynode mit benachbarten Geistlichen, bevor er im März des näch-
sten Jahres zur Wahlsynode nach Mediasch lud. Die Nationsuniversität sah sich zu einem Mahnschreiben
veranlasst, der Gewählte dürfe nicht einen Fingerbreit von der Augsburgischen Konfession abweichen. Für
den Fall künftiger Veränderungen der Sakramente, insbesondere einer Angleichung an reformierte Abend-
mahlsregelungen, wurden Zehntverkürzungen angedroht340. Schiffbaumer, den spätere Kirchenhistoriker
als geheimen Reformierten ansahen341, erhielt von der im März 1601 in Mediasch zusammentretenden
Wahlsynode ein deutliches Votum. Mit seiner Wahl wurde auch Birthälm als Superintendentensitz gefes-
tigt.
Der Fürst wurde nicht einbezogen, auch angesichts der rasch wechselnden politischen Lage342. Auf
habsburgische Übergriffe hatte der Landtag im Januar 1601 mit der Rückberufung des Fürsten Sigismund
Báthory reagiert. Die zunächst abziehenden habsburgischen Truppen konnten im Sommer mit Unterstüt-
zung aus der Walachei Báthory besiegen und erneut das Land besetzen. Dieses anarchische Szenario wie-
derholte sich mehrfach; erst 1605 konnte sich Stephan Bocskay als neuer Fürst etablieren und einen Waf-
fenstillstand für Siebenbürgen vereinbaren.
Ebenfalls 1605 begann Superintendent Schiffbaumer mit der Einberufung von Synoden, um neue kir-
chenordnende und bekenntnisregelnde Beschlüsse fassen zu lassen und ältere Synodalbeschlüsse (teilweise
mehrfach) vollständig oder auszugsweise zu bekräftigen. Die Synodalbeschlüsse von 1565, eine ausführliche
Zusammenfassung der kirchenordnenden Beschlüsse unter Superintendent Hebler, wurden auszugsweise

337 Zitat aus dem Protokollbuch des Hermannstädter Kapi-
tels; Abdruck Teutsch, Bathori, S. 716.
338 Zu diesem Superintendenten Teutsch, Geschichte I,
S. 378-398; Jekeli, Bischöfe, S. 38-44; Gündisch,
Schiffbaumer, S. 363-378 (mit Rekonstruktion seiner
Bibliothek).
339 In Neudorf (wahrscheinlich der Ort bei Hermannstadt)
geboren, studierte Schiffbaumer mit Unterstützung des
Herrmannstädter Studienfonds in Wittenberg. 1580
wurde er Prediger in Meschen, 1587 Pfarrer von
Nimesch, 1591 von Kleinschelken, 1598 Stadtpfarrer
von Mediasch; Wagner, Pfarrer, Nr. 719.

340 NatA Hermannstadt, Sammlung Brukenthal Y 1-5
Nr. 269, fol. 63v-64r; auch ebd., Mss. Varia II 81 (Codex
Pöldnerianus), pag. 281. Inhaltliche Zusammenfassung
Jekeli, Bischöfe, S. 38f.
341 Eine Anzahl Belege, beginnend bei den lutherisch-or-
thodoxen Chronisten des 17. Jh. ist zusammengestellt
bei Gündisch, Schiffbaumer, S. 367f.; dieses Dictum
anhand seiner umfangreichen Bibliotheksbestände wird
differenziert ebd., S. 368-373.
342 Eingehend über diese Zeit Arens, Habsburg; Überblick
Barta, Anfänge, S. 294-301, aus sächsischer Sicht mit
Quellenanhang Teutsch, Habsburg, S. 359-410.

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