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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0091
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Kirchenordnung und ceremonien von 1568.

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Wie gesagt ist, stellet auch in solchen stücken
gar nicht unsere seligkeit, dienen uns auch dazu
nichts, sondern werden allein furgenommen uns
zu dienste, damit wir zu gelegener zeit an be-
quemen örten zusammenkommen und der zuvor
gemelten nötigen stück uns berichten lassen,
und dero gebrauchen in gebürlicher zucht und
ordnung, wie Paulus haben will, dass alles
unter uns soll züchtig und ordentlichen zugehen,
1. Corinth. 14. Stehet derhalben vermöge unserer
christlichen freiheit in unserer macht und gewalt,
dieselbigen menschlichen ordnungen mit der zeit,
nach enderung der umstende und gelegenheit der
orte und personen, zu gemehren oder minderen,
ja dieselbigen wohl ganz und gar abzuthun, wie
sie denn sollen und müssen abgethan werden,
wenn sie den nötigen stücken droben gleich ge-
rechnet und als zu unserer seligkeit dienstlich
oder fur besondere gottesdienst geleret und ge-
prediget, oder dazu fürgenommen werden, den
öffentlichen feinden und verfolgern reiner lere
damit zu heucheln, wie Paulus in den fellen die
beschneidung, unterscheid der speise und zeit, zu
grund verdammet und verwirft, als bei denen die
warheit des evangelii nicht bestehet, alle ge-
schehene arbeit mit leren und predigen um-
sonst , und Christus dabei gar verloren ist,
Gal. 2, 4 und 5, von welchen er doch sonst selbst
saget, dass die beschneidung nichts, 1. Cor. 7,
der unterscheid der speise und zeit auch nichts
und ohne gefar künden gehalten und nicht ge-
halten werden, Rom. 14.
Diesen unterscheid, sagen wir, muss man be-
halten, wie ihn Paulus auch helt, 1. Cor. 2, und
spricht, was er vom herrn empfangen, das habe
er ihnen gegeben, repetiret dieselbige göttliche
einsetzung mit ihren klaren worten; was aber
sonst andere dinge darneben seien, wolle er zu
seiner ankunft auch ordenen; one zweifel, so
muss an solcher nebenordenung auch des apostels
Christi nicht so viel als an dem anderen gelegen,
sondern alles ein solches ding sein, das zur selig-
keit und trost der gewissen nicht bei dem abend-
mahl vonnöten ist, sonst hette er solche ordnung
bald bei dem abendmahl sollen melden, und
ferner ohne verletzung und verseumung der ge-
wissen nicht künden aufziehen, weil fur der-
selbigen verordnung ihr viel künden sterben,
welche allezumal, wo solche ordnungen auch zu
der seligkeit von nöten, one die allein bei der
niessung des heiligen abendmahls hetten müssen
verdammet sein.
Wollen derhalben wir in diesem dritten
stück von solchen ceremonien auch handelen,
nicht papistischer, gottloser und abergläubischer
weise, dass wir sollten besondere gottesdienst
daraus machen, denn denselbigen verehret man
Sehling, Kirchenordnungen. IV.

umsonst mit menschen geboten, Matth. 15, auch
nicht, dass wir wollten damit den armen christen
stricke an den halse werfen, das soll auch kein
apostel thun, 1. Cor. 7, weil sie des befreiet
sind mit dem theuren blut christi, Gal. 5 und
1. Corinth. 7, sondern allein darum, damit es
fein züchtig und ordentlich unter uns zugehe,
on alle superstition, und mit solcher zucht das
gemeine volk, sonderlichen aber die liebe jugend,
so nicht ein geringes theil der heiligen christlichen
kirche sind, zu gottseliger betrachtung der nötigen
stück, als nemlich des heiligen wort gottes und
der hochwirdigen sakrament, gelocket und gereizet
werden, weil sie aus solcher zucht wohl ver-
nemen, das wir allhie nicht gemeine sachen
und schlechte ding verrichten, sondern das teure
werte gut, daran unserer armen seelen heil und
seligkeit gelegen ist fur gott, welcher mit seinen
lieben engeln in unserem mittel und versamm-
lungen selbst auch gegenwärtig ist, Matth. 18 und
1. Corinth. 11.
Künden es derhalben auch mit den leidigen
Calvinisten und schwermern nicht halten, welche
sich dünken lassen, man künde nicht evangelisch
sein, wenn man nicht alle gemelde stürmet, alle
bilder darnieder reisst, alle ceremonien abthut,
und grob, unbescheiden, ohne zucht und ordnung
alles lest durcheinander gehen wie das unver-
nünftige vieh. Solches mag ihnen gefallen, wie
es will; wir wissen, dass damit dem lieben gott,
der nicht ein gott der unordnung, 1. Corinth. 14,
nichts zu willen, viel weniger zur erbauung und
besseruug der kirche geschicht. Darum mögen
auch dieselbigen darvon richten, was sie wollen,
um ihrentwillen ist allhier nichts gelassen noch
gethan, sondern alles allein den frommen herzen
und der lieben jugend zu dienst fürgenommen.
Werden derhalben auch alle frommen pfarr-
herren und kirchendiener sowohl, als alle fromme,
gottselige herzen gern dazu helfen, damit es
also fein züchtig zugehe, und nicht ein jeder ihm
ein besonderes mache mit singen oder lesen,
beichthören oder teufen, wie denn auch die
christliche freiheit zu solchem mutwillen nicht
gemeinet ist, viel weniger soll geduldet und ge-
litten werden; was aber unter zeiten not halben,
oder von wegen anderer gelegenheit, die da für-
fallen, ohne leichtfertigkeit und halsstarrigen für-
satz geschihet, das hat seine entschuldigung aus
dem, was droben vermeldet ist. Und wollen wir
in dieser kirchenordenung von folgenden stücken
fürnehmlich und unterschiedlich handelen, als
nemlich:
Von der vesper, sonnabend, sonntag und
werketag.
Von der beicht und absolution.
Von der metten und frühpredigt.
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