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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0109
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Kirchenordnung und ceremonien von 1568.

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es dann die allerhöchste not und schwachheit
des kindes, wo sie alsdann einen kirchendiener
oder sonst einen christlichen mann in der eile
haben mögen, den sollen sie berufen und in das
kind taufen lassen. Do aber das von schwach-
heit wegen des kindes je nicht gesein könnte,
alsdann soll die altfrau oder hebamme, oder welche
gegenwertige christliche fraue sich des taufens
unterstehen will, zwu oder drei personen, so für-
handen, zum zeugnuss berufen und erfordern, da-
mit, was und wie allda gehandelt, für der kirchen
nachmals müge bezeuget werden, und da es die
schwachheit des kindes leiden will, zuvor das
gebet Vater unser sprechen, darauf das kind mit
wasser taufen und sprechen :
Ich taufe dich im namen gottes, des vaters,
und des sohnes, und des heiligen geistes.
Wer es aber mit dem kinde an dem letzten,
so soll man es erstlich solchermassen, wie ge-
saget, bald taufen und nachmals das Vater unser
etc. sprechen, es dem lieben gott damit be-
fehlen.
Wer nun also, wie itzt gemeldet, not-
getauft ist, der soll nicht zweifeln, das er von
gott selbst recht getauft ist, soll derhalben nicht
anderweit getauft werden, sondern bei der ent-
pfangenen taufe bleiben.
Jedoch so das kind lebendig bleibet, soll
man es in die kirchen tragen, alsdenn soll der
kirchendiener ungefehrlich nachfolgender weis da-
mit handeln.
1. Zum ersten frage er die hebammen oder
altfrauen, wie und mit was worten das kind ge-
tauft, und wer dabei gewesen sei.
2. Darnach verhöre er auch die anderen, so
dabei gewesen, welcher gestalt das kind getauft
sei etc., und ob es ein namen habe.
So er denn befindet, das es recht in dem
namen gottes des vaters, und des sohnes, und des
heiligen geistes mit wasser getauft worden sei, soll
er gegen der versammlung der kirchen sprechen:
Lieben freunde, das kindlein, das uns hie
fürbracht, ist seiner sorglichen schwachheit
halben daheimen im haus in dem namen gottes des
vaters, sohnes und heiligen geistes, nach der ord-
nung Christi, getauft worden. Hierauf, damit das
heilige, hochwirdige sakrament der taufe nicht
geschendet, noch gottes wort, so dabei geführet,
für ein spott gehalten werde, soll es bei der
empfangenen taufe bleiben und nicht wieder ge-
tauft werden.
Und nachdem es noch keinen namen hat,
soll es N. genannt werden. Darum sollen und
wollen wir uns dieses N., als eines rechten gliedes
unseres herrn Jesu Christi und seiner heiligen
kirchen annehmen.
Wir wollen auch hören das heilige evan-

gelium, darinnen sich unser herr Jesus Christus
der kindlein auf das freundlichste annimmt, da-
mit wir erinnert werden, was wir von den kindern
halten sollen.
Also schreibt St. Markus am zehenden capitel:
Sie brachten kindlein zu Jesu, dass er sie
anrürete; die jünger aber furen die an, die sie
brachten. Da es aber Jesus sah, ward er unwillig
und sprach zu ihnen: Lasset die kindlein zu mir
kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist
das reich gottes. Warlich, ich sage euch, wer
das reich gottes nicht entpfehet wie ein kindlein,
der wird nicht hineinkommen, und er herzet sie
und leget die hende auf sie und segnet sie.
Weil wir dann aus itzt gehörten worten
unseres herrn Christi dess gewiss und sicher sind,
dass dies kind zum reich der gnade auch an-
genommen, so wollen wir bitten, dass es darinnen
müge zu der ewigen seligkeit bestendig erhalten
werden. Lasst uns derhalben also beten:
Allmechtiger gott und vater unseres lieben
herrn Jesu Christi, der du dies kind durchs wasser
und heiligen geist anderweit geborn und im
alle seine sünde vergeben hast, sterke es nun mit
deiner gnade, mehre in im deinen heiligen geist,
dass es an leib und seele seliglich aufwachse und
in dem neuen göttlichen leben, dazu du es neu
geboren hast, zuneme, und gib seinen eltern
und uns allen, dass wir dir hiezu an diesem kind
getreulich und seliglich dienen, damit auch durch
dasselbe und uns alle dein göttlicher name immer-
dar geheiliget und dein reich erweitert werde
durch Jesum Christum, unsern herrn. Amen.
Und zum beschluss sage er:
Der friede des herrn sei mit dir und mit
uns allen. Amen.
Würden aber die leute, so das kindlein zur
kirchen bringen, auf des kirchendieners frage un-
gewiss antwort geben und sagen, sie wussten nicht,
was sie in solcher not und schrecken gedacht,
viel weniger (wie denn oftmals zu geschehen
pflegt), was sie geredt oder gethan betten, so
mache man nur nicht viel disputirens, sondern
taufe es, ohne meldung einigerlei condition, oben
beschriebener ordnung gemess, wie alle anderen
ungetauften kinder getauft werden.
Von den altfrauen oder hebammen.
Bei denen ist gar oft grosser mangel und
feil, dass sie greuliche vollseuferin oder aber aber-
gleubische leut sind, darüber dann manche
fromme frauen verseumet werden, etliche gar
jemmerlichen um ir junges leben gebracht, oder
sonst der liebe gott erzürnet wird, wann abgötterei
getrieben und sein heiliger namen gelestert wird.
Darum soll ein jeder pfarrherr zusehen, weil
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