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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0110
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Das Herzogthum Preussen.

solches in die seelsorge und unser amt gehört,
dass er die altfrauen zuweilen fürnehme, sie ver-
mahne auf folgende weise:
Erstlich, dass sie ihres amtes warnehmen
und gut achtung geben, darinnen sie irem lieben
gott die hende bieten, durch welche er die frucht,
so er geschaffen, vom mutterleib in dies elende
leben füret, und also dies werk wahrhaftig ein
heilig, göttlich werk ist, so zu der schöpfung ge-
höret unseres herrn gottes, nach dem ersten artikel
unseres christlichen glaubens.
Zum andern, dass sie derhalben den
lieben gott fürchten und für augen haben, nicht
lesterin und vollseuferin sind, dann solchen
sünden ist gott feind, entzeucht derhalben gar oft
seinen segen, lesst solche weiber viele ding ver-
seumen, dardurch sie schuldig werden an mancher
ehrlichen frauen gesundheit, leib und leben, dafür
sie dann dort am jüngsten gericht werden schwere
rechenschaft. geben, da nicht allein solche frauen, j
so durch verseumniss der altfrauen um ihre ge- |
sundheit, auch wohl um leib und leben gebracht, |
sondern auch derselbigen liebe menner, ja die
armen waislein rufen und schreien werden.
Zum dritten, weil aber aller segen in
diesem handel der altfrauen allein bei dem lieben
gott stehet, nicht bei Maria, der reinen jungfrauen,
nicht bei einigem heiligen im himmel, sollen
sie derhalben solche aberglaubische und abgötti-
sche gebet in anrufung der heiligen unterlassen,
und gleichfalls sich hüten für sonderlichen segen-
sprechen und dergleichen teufelischen fürnehmen,
welche gott allezumal verboten in dem anderen
gebot. Ruf mich an, spricht gott, Psalm 50, ich
will dich retten, wie ers auch allein thun kann,
als der allein allmechtig, derhalben allein darum
will gebeten sein, wie im die ehre allein gebüret.
Zum vierten sollen darum die altfrauen,
sobald sie in kindesnöthen gefordert werden, ir
werk mit dem heiligen gebet anfahen, die
anderen frauen auch darzu vermahnen und gott
mit dem heiligen Vater unser etc. anrufen von
herzen, wie oben angezeiget ist; darauf mügen sie
das kleine gebet auch sprechen:
Ein gebet in kindesnöthen.
Wir danken dir, herr gott, himmelischer vater,
dass du diese frau mit frucht des leibes gesegenet
hast, und bitten deine grundlose barmherzigkeit,
du wollest dir dieselbigen lassen, als ein getreuer
vater, befohlen sein, sie ihrer mütterlichen bürden
gnediglichen entbinden und ihr nach den schmerzen
die freude geben, welche dein lieber sohn ver-
tröstet und zugesaget hat. Wir tragen auch, lieber
herr Jesu Christe, dir in unserm armen gebet
dies ungeborne kindlein auf dein wort für, do
du sprichst: Lasst die kindlein zu mir kommen,

und bitten von herzen, lass es dein sein; kommet
es dann darzu, dass du es in unsere hende giebst,
als wir zu dir genzlich hoffen und uns gewisslich
versehen, so wollen wir es dir auch leiblich in
der seligen tauf zutragen nach deinem befehl,
der du bist der ewige heiland aller menschen, mit
deinem vater und dem heiligen geist gelobet,
wahrer gott in ewigkeit. Amen.
Zum fünften, auf solches gebet sprechen
die altfrauen den schwangeren frauen tröstlichen
zu, dass sie ihren trost fröhlichen auf den lieben
gott setzen, der sie als seinen werkzeuge (wie der
heilige Petrus die frauen heisst, 1. cap. 3) nicht
verlassen werde, und, ob sie gleich etwas schwach,
dass sie auf den ihr vertrauen setzen, der da
kraft giebet, do sie nicht ist, und in den schwachen
selbst kreftig ist.
Zum sechsten nothtaufen ja die altfrauen
kein kind, es sei denn ganz und gar zur welt
geboren; die tauf ist ein wiedergeburt, wo dann
das kind noch nicht das erste mal zur welt ganz
und gar geboren ist, wie kann es dann wieder-
geboren werden.
Zum siebenden nemen sie zu der not-
taufe, was zu der tauf von gott verordenet ist,
nämlich wasser und wort, machen kein eigenes
nach irem oder anderer leut gutdunken, sondern
halten dem herrn Christo seine ordenung, sonst
ist es keine tauf, das kann jedermann wol ver-
stehen.
Zum achten nottaufen sie kein kind allein,
wo sie nicht zum wenigsten zwo oder drei frauen
dabei haben. In dem mund zweier oder dreier
zeugen (spricht gott Deuter. 19) soll alle sachen
bestehen. Kanu derhalben die kirche das kind
sonst nicht für getauft aufnehmen.
Entlich tröste der pfarrherr die altfrauen
damit, wann sie gott fürchten und treulich han-
deln, dass es gott ihnen reichlich selbst vergelten
will, wie er den wehemuttern oder altfrauen in
Egypten guts gethan. Exodi 1 etc.
Trost für die schwangern und in
kindesnöten.
Frauen sind von art schlichter und klein-
mütig, sonderlichen wann sie mit frucht des leibes
von gott gesegenet sind; do haben sie immer sorg,
es wolle brechen und mit inen zu grunde gehen.
Damit sie dann wider ir arme blöde art und
wider des teufels eingeben sich zu trösten haben,
sollen sie allezeit folgende stück fleissig ein-
bilden:
1. Ist es ja gottes segen und sein eigen
werk, dass sie mit frucht des leibes begabet sind,
do gott zur erhaltung menschliches geschlechts
 
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