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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0114
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96

Das Herzogthum Preussen.

flehender weis und geberden und vom prediger
dem volke angezeigt, nach der predig aber durch j
den custos oder glöckner wieder aus der kirchen
gewiesen werde, bis dass sie endlich der gemeinde
reconciliirt, versönet und absolvirt werde, und im
fall, dass beide eltern an solcher erdrückung
ihrer kinder schuldig, sollen sie zugleich oben
angezeigter massen büssen.
Form der reconciliation und absolution.
Lieben freunde in Christo, euch allen ist
ungezweifelt wissentlich, wie diese N. aus un-
achtsamkeit und unfursichtigkeit sich an irem
eigenen fleisch und blut etc., wiewol one willen
versündigt und damit gott den allmechtigen schwer-
lich erzürnet hat und darneben auch solch ubel
unter uns ganz offenbar und rüchtig ist, dadurch
denn unsere christliche versammlung nicht ein
kleine oder geringe ergerniss entpfunden hat. Die-
weil aber solche ihre missethat und ergernis sie
genzlich reuet und von gott dem vater durch Jesum
Christum, unsern einigen versöner und mittler, gnad
und barmherzigkeit begeret, die ihr ungezweifelt
auch von gott im himmel unversagt ist, dabei auch
solch leid mit offentlicher busse erzeiget und dar-
durch sich mit uns allen, die sie also verseret und
geergert hat, zu versönen demütiglich begeret, sollen
und wollen wir auch nach der lere Christi und
seiner aposteln herzlich gern ihr solches verzeihen
und um gottes willen vergeben, auch gott treulich
für sie bitten, er wolle ihr gnedig sein und hin-
fort sie und uns alle fur solcher und anderer
fehrlichkeit gnediglich behüten und bewaren.
Derhalben lasst uns beten. Sprecht mit an-
dacht das heilige Vaterunser.
Hernach lese oder singe der pfarrherr einen
psalm, den 67.: Es woll uns gott genedig sein;
oder den 51.: Erbarm dich mein, o herre gott.
Denn spreche der pfarrer die büsserin an
mit solchen worten:
N., schwester im herrn Christo, dieweil du
das leid deines herzens über die begangene misse-
that also in der buss offentlich erzeigest, daraus
denn auch wir offentlich spüren deine demut
und dass es dich genzlich reuet und gott, der
barmherzige vater, uns zugesagt hat, durch Jesum
Christum unsern heiland im heiligen evangelio:
wo zwene unter euch eins werden auf erden, warum
es ist, das sie bitten wollen, das soll ihnen wider-
fahren von meinem vater im himmel; denn wo
zwene oder drei versammlet sind in meinem namen,
da bin ich mitten unter ihnen ; item : was ihr auf
erden lösen werdet, soll auch im himmel los sein.
Also sage ich auch zu dir an Christus statt und
von seinetwegen: Sei getrost, meine tochter, deine
sünde seind dir vergeben. Auch nemen wir
dich wiederum an zu einem gliede des geistlichen

leibs Christi, welcher ist die gemeine seiner
gleubigen, von welchem leibe du dich selbst durch
dein laster abgeschnitten hast, das du demselbigen
seiest wider eingeleibet im namen gottes des
vaters, des sohnes und heiligen geistes. Amen.
Der andere fall: Von den todtschlegern.
Weil gott der allmechtige zu tödten gar mit
grossem ernst verboten hat und das vergossene
menschenblut gen himmel, wie Abels, zu gott um
rache schreiet, so ist derjenige, so fursetzlich oder
mit zorn vom satan ubereilet und getrieben einen
mord begeht, ipso facto excommunicatus, wie man
zu reden pfleget. Derhalben ist nicht unförmlich,
dass der misstheter bald nach der übelthat im
selbigen kirchspiel von der canzel in den christ-
lichen bann gethan werde, nach der lehre und
weise St. Pauli, 1. Cor. 5. Wo nu solcher dar-
nach dem weltlichen gerichte durch abtrag ent-
bricht und ihme von der obrigkeit oder herrschaft
wiederum daselbst zu wonen gestattet wird, soll
er bald darauf und mit dem allerersten durch die-
selbige herrschaft zu dem consistorio zu Königs-
berg mit einem briefe oder zeugniss gewiesen
werden, von welchem er die absolution und dass
er mit der christlichen gemeine, welche er mit
seiner missethat schwerlich geergert hat, reconciliiret
werden möge, in aller demut bitten soll. Aber
nach genugsamer verhör und erkenntniss aller
umstende des falls oder todtschlags soll er wiederum
gesandt werden an den pfarrherrn des kirchspiels
von dem consistorio mit einem brief, darin der
pfarrherr bericht werde, wie und welcher gestalt
die offentliche buss dem gebanneten, nach unter-
schied des falls und der circumstantien, soll auf-
gelegt werden, also, dass er im selben kirchspiel,
da solche ergerniss gegeben, wiederum offentliche
busse thue und mit der christlichen gemeine re-
conciliiret oder versönet werde und daselbst die
absolution entpfahe, welche soll in gleicher weise
und form wie oben von weibern, so die kinder
erdruckt haben, geschehen, doch mutatis mutandis.
Darauf die pfarrherren mit fleiss achtung geben
sollen, wo ihnen solche form der absolution in
des consistorii brief nicht genugsam allenthalben
verzeichnet würde.
Hierbei aber ist zu merken, lauts unserer
vorigen kirchenordnung, dass solche buss nicht
der meinung aufgelegt wird, als sei sie eine genug-
thung fur gott, denn diese ehre der bezalung
fur die sünde gebürt allein dem bittern leiden
und teuern blut unsers versüners Jesu Christi,
sondern sie soll sein ein beweisung und bezeugniss
eines bussfertigen, reuigen und gnadbegierigen
gemüts, und das sich auch mit der christlichen
gemein, welche schwerlich durch seine misshandlung
geergert und verseeret, zu versünen begeret.
 
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