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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0119
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Kirchenordnung und ceremonien von 1568.

101

schlafen, der pfarrherr und schulmeister dazu er-
beten werden und mit zu dem begrebniss gehen.
Lektion bei der begrebniss
auf den text 1. Thess. 4: Wir wollen euch aber,
lieben brüder, nicht verhalten etc.
Lieben brüder, St. Paulus leret uns in
diesen worten , wie wir uns gegen unsere todten
halten sollen, nemlich, dass wir nicht trauern wie
die heiden, sondern die lebendige hoffnung, so
wir in Christo unserm lieben heiland haben, die
soll alle traurigkeit messigen und vertreiben. Und
sollen wir allhie merken, dass zweierlei leut
ihre todten beweinen. Die ersten sind die heiden
und ungleubigen, die trauern one hoffnung, denn
sie haben keine erkenntniss gottes, auch keinen
gewissen grund der auferstehung der todten, da-
rum halten sie es darfür, weil ihr freund gestorben,
so sei es gar mit ihm aus, haben ihn ganz und
gar verloren und alles, was sie von ihm gehabt,
von freud und freundschaft sei ganz und gar da-
hin und vom tode hinweggerissen; dies ist eine
heidnische traurigkeit, die der heilige Paulus von
den christen nicht haben will. Dargegen sind die
christen, die ihre todten auch beweinen, wie
Sirach lehret cap. 22 und 38, aber ihre traurig-
keit behelt die fröliche hoffnung, damit sie die
schmerzen lindern und stillen.
Welches ist denn solche hoffnung und trost?
Den setzet nu St. Paulus allhier aus gottes
wort, weil vernunft davon nichts weiss und
spricht:
Dann so wir glauben , dass Jesus gestorben
sei und wieder auferstanden, so wird gott auch,
die da entschlafen sind, durch Jesum mit ihm
führen.
Sehet, lieben brüder, welch ein trost ist das,
dass gleichwie gott unser vater seinen lieben sohn,
unsern herrn Jesum Christum, nicht im tod ge-
lassen hat, sondern wiederum erwecket und in
das ewige leben gesetzt, also wird er auch uns
(die wir glauben) nicht im tod lassen, sondern
herausser in das ewige leben führen, Rom. 8 und
2. Cor. 4. Wer will sich nu dieses trostes nicht
erfreuen und alle seine unnütze traurigkeit fur
dieser überschwenglichen freude nicht fahren lassen
und sich nicht vielmehr seiner todten erfreuen,
dass sie nun in gott leben, darum uns S. Paulus
weiter tröstet und spricht, sie seien nicht todt,
sondern schlafen. Lass mir doch das ein tröst-
lich wort sein, dass sie nicht todt sind, sondern
schlafen. Wahrlich, wer da schleft, der ist nicht
todt, sondern ruhet sich von voriger seiner arbeit,
damit er dester frischer möge zu seiner zeit wieder

erwachen, als heisst die schrift unserer ver-
storbenen freund abschied einen schlaf, darvon
sie mit freuden wiederum werden aufwachen. Ist
aber ir schlafen nichts anderes, dann dass sie
von aller ihrer grossen müheseligkeit aufgehöret
haben und mit all iren kreften und vermögen
in gott gezogen sind, gleich wie die schönen
blumen des winters in ire wurzeln mit all irer
macht, geruch und schönheit gezogen, liegen den
winter, schlafen und rugen, bis sie die fröliche
meienzeit wieder erwecket, da sie dann mit all
ihrer zier, geruche und kreften wiederum herfür-
kommen.
Also sollt ihr auch nicht gedenken oder sorge
tragen, dass euere todten schmerzen haben oder
bekümmerniss wie wir, sondern sie rugen gar
süss und sanft in Christo Jesu und sind ihre
krefte eingezogen in gott und mit gott, der sie
anfenglich gegeben hat, ligen und feiren bis an
den fröhlichen jüngsten tage, da sie wiederum er-
wecket werden und wie die lieben hellen sterne,
ja wie die schöne sonne daher leuchten im ewigen
reich unsers herrn Jesu Christi, bei dem wir
sein werden allezeit, saget Paulus, und mit ihm
leben in ewige ewigkeit. Amen.
Solchen trost lasst uns fassen und uns darzu
auch bereiten, weil wir den weg alle zumal gehen
müssen, dass wir alle stund fertig sind und ein
jeder gedenke, wie er sich darzu schicke in Christo
Jesu, unserm heiland, derhalben sein wort fleissig
und gern höre, die hochwirdigen sacramenta oft
suche und gebrauche, mit einem christlichen leben
und wandel dem lieben gott diene, auf dass, wenn
der herr kommen und uns abfordern wird, wir in
solcher tröstlichen hoffnung auch seliglichen mögen
entschlafen. Amen.
Beschluss.
Wir wollen alle fromme herzen treulich ge-
beten und veterlichen ermanet haben, sie wollen
solcher unser kirchenordenung als eine bequeme
ubung der predig und gottes worts zu ihrem
besten fleissig gebrauchen, und weil wir die reine
lehre noch haben, sich solcher gnadenzeit und
jubeljahrs ja bessern, denn da ist kein zweifel
an, gott wird sein wort dieser undankbaren
welt wieder durch mancherlei rotten nemen,
darum lerne, wer lernen kann, wie denn gelegen-
heit darzu genug und reichlich vollauf ist. Gott
gebe uns allen seinen segen und heiligen geist,
damit wir die kleinen zeit unser wallfahrt oder
pilgramschaft auf erden erkennen und uns ja von
herzen schicken , damit wir mit freuden zu dem
künftigen ewigen vaterland kommen mögen in
Christo Jesu, unserm heiland. Amen.
 
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