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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0150
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Das Herzogthum Preussen.

exempel gott an den unzüchtigen heiden, die
wider solche seine ordnung gesündigt, statuiret
hat, wie solches an gemeldetem ort zu lesen.
Damit aber die armen unwissenden leute, sonder-
lich auf dem lande und die anderen, die weder
lesen noch schreiben können, hievon nothwendigen
bericht haben, und der gebühr nach sich zu ver-
halten wissen mögen, so sollen die pastores auf
dem lande und in den kleinen städten folgende
artikel des jahres zweimal, nehmlich den ersten
sontag nach Ostern und Michaelis von allen
kanzeln, fein deutlich und verständlich ablesen,
auch den vorgehenden sontag solche ablesung dem
völklein ankündigen, damit sie desto fleissiger zur
kirche sich finden, von solchen nothwendigen
sachen guten bericht einnehmen und für der er-
schreklichen sünde der unzucht, welche leider mit
gewalt einreisset und vor strafe derselben sich
lernen hüten und vorsehen.
Von eheverlöbnissen.
Weil die eheverlöbnisse ein anfang und grund
sind des heiligen ehestandes und demnach hoch
und viel daran gelegen, ob darin wohl oder übel
gehandelt, auch der folgende ehestand gemeinlich
darnach pfleget zu gerathen, wie die erfahrung
solches bezeiget und mancher mit schmerzen be-
klaget, als wollen und befehlen wir damit ernst-
lich, dass ein jeder, der nicht allein unsere auf
die unordentliche verbotene ehegelübde gesetzte
strafen, sondern auch gottes zorn und ungnade
gedencket zu vermeiden und dagegen in seinem
ehestand glück, heil und segen zu haben, auf
nachfolgende artickel gute acht gebe.
artickel von versprechung der kinder,
so noch unter der eltern und vormund
gewalt sind.
1. Alle eheverlöbniss, welche ohne rath, vor- I
wissen und bewilligung der eltern, vormund oder
nächsten freunden, von den kindern und denen
personen, so noch unter anderer gewalt sind,
geschehen, sollen ohngeachtet, dass andere leute
als zeugen dabei gewesen, nichtig, kraftlos und
durchaus verboten sein.
2. Welche wider ihrer eltern willen, sonder-
lich über geschehene vermahnung und verwarnung,
troziglich handeln und sich ihres gefallens mit
anderen einlassen würden, sollen in unserem lande
nicht gelitten und nach gelegenheit der ver-
brechung auch wohl am leibe gestraft werden.
Es sollen auch die eltern solchen ungehorsamen
kindern keine hülfe schuldig, sondern sie vielmehr
bis auf die hälfte ihres antheils und da auch
fleischliche unzucht getrieben, sie gänzlich zu ent- .
erben, mächtig und befugt sein.

3. Es sollen auch die kupler und kuplerinn,
die rath und that dazu gegeben, nebst den
schuldigen personen, auch wohl härter, als die-
selben gestrafet werden, ohngeachtet ob auch
gleich die eltern in das unordentliche vorlöbniss
zu willigen, sich würden bereden lassen.
4. Wann aber mannbare kinder etwan zu
ebenmässigen personen lust und liebe tragen und
ihre eltern sie mit denselben ordentlicher weise
zu vermählen, bittlich ersuchen, die eltern aber,
ohne alle genugsame erhebliche ursachen eigen-
mächtiger weise sie daran hindern, auch auf guter
leute unterhandlung sich nicht weisen lassen
würden, alsdann sollen solche kinder beim kon-
sistorio sich rath erhohlen, ehe aber solches ge-
schiehet, am wenigsten nichts verbindliches handeln
oder schliessen.
Von eheversprechung der personen, so
nicht mehr unter der eltern oder vor-
münder gewalt sind.
5. Ingleichen sollen auch unter mündigen
personen alle und jede heimliche verlöbniss un-
bündig und kraftlos sein und gar mit einander
nichts gelten, auch kein eid darüber zugelassen
und die ungehorsamen und verbrecher an beiden
theilen, nach gelegenheit der umstände, am leibe
oder gut gestraft werden.
6. Viel weniger soll jemand unterm schein
versprochener ehe, oder auch mit bedingung-
künftiger ehe, beischlafen, sondern die ehe-
beredung im beisein ehrlicher leute christlich und
ehrlich vorgenommen und auf getroffene vereinigung
des hochzeitlichen ehrentages erwartet werden.
7. Wird aber jemand hiewider handeln und
solches vor dem kirchgang ausbrechen, soll die
braut mit verdecktem haupt ohne spielleute ihren
kirchgang- halten; findet es sich aber erst nach
der hochzeit, sollen sie dennoch, anderen zum
abscheu, entweder mit gefängniss oder aber im
andern wege willkührlich gestraft werden.
8. Würde sich jemand mit mehr als einem
verbindlich verloben, soll die erste eheverlobung
der anderen vorgehn und die schuldige personen,
so von der ersten verlobung gewusst, ernstlich an
leib und gut gestraft werden.
9. Wann aber das erste eheverlöbniss heim-
lich, das andere öffentlich, soll das öffentliche
dem heimlichen vorgehn und gleichwohl die per-
sonen, so sich mit zweien eingelassen, vor unserem
konsistorium willkührlich gestraft werden.
10. So aber dem heimlichen verlöbniss der
beischlaf folget, soll zwar das öffentliche dem
heimlichen nothhalben weichen, der beischläfer
aber nach erkenntniss des konsistorii ernstlich
und unnachlässig’ gestraft werden.
 
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