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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0153
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Consistorialordnung von 1584.

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storbenen schwester bräutigam, denn die öffent-
liche verwilligung bindet die ehe, nicht die hoch-
zeit oder der beischlaf, darum soll sich an ver-
meldeten personen keiner vergreifen und haben
die verbrecher sowohl gottes, als der obrigkeiten
ernste strafe gänzlich zu gewarten.
Von schwägerschaft der seitwärts
linien.
Also auch in der seitwärts linien, weil mann
und weib durch die ehe ein fleisch werden und
alle blutsfreunde des mannes, in welchem grad
der blutsfreundschaft sie dem manne zugethan,
eben in demselben grad auch dem weib mit
schwägerschaft verwandt sein und hin wiederum
auch des weibes freundschaft dem manne, wodurch
dann ein jeder eben so weit, als von seinen eigenen
blutsfreunden, sich zu enthalten schuldig, als wird
hiemit sowohl in der schwägerschaft, als in der
blutsfreundschaft der dritte grad ungleicher linien
verboten und erstrecket sich diese prohibition so
weit, dass auch nicht angesehen wird, ob die
ersten eheleute kinder gezeuget haben oder nicht,
item, ob die bruder und schwester von ganzer
oder halber geburt sein, item, ob unter den ver-
wandten personen die eine oder die andere ausser
der ehe gezeuget, item, ob das vorige weib viele
oder wenige jahre todt gewesen, item, dass der
mann nach absterben seines ersten weibes aus
einer fremden freundschaft gefreit hatte und wollte
nach dem tod des anderen weibes wiederum in
seines ersten weibes freundschaft freien. Item
obgleich die hochzeit oder das beischlafen nicht
erfolget, sondern ein teil vor der hochzeit mit
tode abgangen, denn zucht und ehren halber
bleibet die verwandtschaft und schwägerschaft vor
sich und wird weder durch den tod , noch durch
andere obgesetzte umstände geringert, vielweniger
aufgehoben. Darum, wo sich jemand mit so
nahen verschwägerten personen in ein ehegelöb-
niss unwissend einlässt, soll dasselbe nichtig und
kraftlos sein, geschehe es aber über verwarnung,
wissend und vorsetzlich und käme noch dazu die
fleischliche vermischung, sollen dieselben mit ver-
weisung des landes gestraft werden.
Es gehet aber diese prohibition auf die erste
art der schwägerschaft, in der andern und in der
dritten art der schwägerschaft aber ist heutiges
tages zu freien unverboten, wird auch also in
allen reformirten kirchen und konsistoriis zu-
gelassen , derwegen wir es auch dabei beruhen
und bewenden lassen, denn die schwägerschaft
gebet nicht weit und trifft nur die personen, die
sich zusammen verehelicht und befreundet, als
den bräutigam und seiner braut blutsfreund und
wiederum die braut und ihres bräutigams bluts-
freund, unter der blutsfreundschaft aber des

bräutigams und der braut giebt die schwägerschaft
keine verhinderung der ehe, dahero kann es wohl
sein, dass vater und sohn, mutter und tochter,
zur ehe nehmen, item, dass vater und solin zwo
schwestern nehmen, item, dass 2 oder 3 brüder
2 oder 3 schwestern nehmen, denn des mannes
blutsfreund sind allein seinem weibe verschwägert,
des weibes blutsfreund aber sind sie nicht ver-
schwägert, ingleichen des weibes blutsfreund sind
allein ihrem manne verschwägert, und nicht des
mannes blutsfreunden, wie fern oder auch wie
nahe sie dem manne verwandt sein mögen.
Von trennung, weglaufen, scheidung
der ehegatten und andern casibus oder
ehefällen.
Nachdem es nicht genug, dass die menschen
nach christlicher ordnung zusammengefüget und
gebracht werden, sondern auch von nöthen, dass
sic auch beständig, christlich und göttlich bei ein-
ander bleiben und verharren und aber der erz-
feind des heiligen ehestandes, der leidige teufel,
sonderlich jetzo zu diesen letzten gefährlichen
zeiten auf mancherlei weise sich bemühet, ent-
weder durch uneinigkeit und misstrauen oder
durch andere räncke den ehestand zu trennen und
die eheleute von einander zu bringen, als ist
nicht weniger daran gelegen, diese göttliche ord-
nung zu erhalten, als erstlich anzustellen und
hoch von nöthen, mit allem ernst und fleiss soviel
immer möglich davor zu sein, dass ja arme und
verständige eheleute nicht liederlich von einander
gerissen und die heilige göttliche ordnung turbiret
werde. Wo nun der feind der uneinigkeit sein
unkraut unter die sicheren eheleute gesäet, und
sie so weit gebracht, dass sie beieinander nicht
wollen leben oder wohnen, die pastores und in-
spectores die versöhnung auch vergeblich versucht,
sollen sie alsdann in zeiten, ehe die verbitterung
überhand nimmt und der teufel gar einnistet, zu
beiden theilen ans konsistorium verwiesen werden,
da denn die konsistoriales ferner allen möglichen
fleiss anwenden und ernstliche verhandlungen vor-
nehmen sollen, damit der zwischen den eheleuten
gefasste unwill, hass und neid und unfreundlich-
keit aufgehoben und sie wiederum in guten fried
und beständige liebe und einigkeit gesetzt werden.
Da nur ein theil auf seine hartnäckigkeit und
muthwillen bestünde und sich dadurch von seinem
ehegatten zu entbrechen vermeinte, soll demselben
eine gewisse zeit zum längsten 8 tage angesetzet
werden, seinem ehegatten christlich und friedlich
beizuwohnen. Will er sich nachmals nicht be-
steuern noch weisen lassen, soll er 4 wochen mit
gefängniss gestraft und auf ferneren ungehorsam
des landes verwiesen werden.
 
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