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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0184
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166 Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.
rührt). Und bei der Recapitulation aller Gründe erwähnt Ortscheit diesen Gesichtspunkt
überhaupt nicht, sondern spricht von der Augsburgischen Confession — und das dürfte auch
die dem Bischofe überreichte Confession gewesen sein.
Damit sind alle Schlussfolgerungen von Hirsch hinfällig geworden.
An einer anderen Stelle derselben Eingabe, welche Hirsch nicht verwerthet hat, schreibt
Ortscheit von der Nothwendigkeit einer guten Ordnung und sagt: „so habt ir nachdem die
predigt des heiligen evangelii alhier angefangen eine schriftliche Kirchenordnung von den
Ceremonien, wie den Euch bewust, entschlossen und gemachet.“ Wenn darin etwas vom
Exorcismus gestanden hätte, hätte Ortscheit es sicher dort erwähnt, wo er die Gesetze auf-
zählt, welche dieses Institut erwähnen. Die Bemerkung von Ortscheit passt aber vortrefflich auf
unsere erste Ordnung von 1557.
Wenn Hirsch schreibt, dass die erste Ordnung 1558 nach dem Muster der Breslauer
Agende verfasst worden sei, so kann er sich dafür nur auf den Brief der Danziger von 1557
an Elbing und Thorn stützen, den er S. 13, Note 1, abdruckt. Aber darin steht ausdrücklich
zu lesen, dass der Rath zu Danzig sich 1557 mit einer eigenen (also ersten!) Ordnung bereits
versehen hatte und dass er bereit sei, wenn die Breslauer Ordnung eingehe, beide Ordnungen
zu vergleichen. Dass dies aber jemals geschehen ist, dafür fehlt es an jeder Nachricht. Weder
aus Danzig, noch aus den anderen Städten wissen wir etwas davon. In Thorn konnte man
z. B. in einer Kirchenordnung, die zwischen 1560 und 1570 verfasst ist (worüber ich in diesem
Bande der Kirchenordnungen-Ausgabe unter Thorn berichten werde), behaupten, dass man in
Thorn bis dahin keine bestimmte, geschriebene Ordnung oder Agende besessen habe; hätten
etwaige Verhandlungen zu Danzig über die Vorschläge von Thorn 1557 stattgefunden und zu
einem Ziele geführt, so hätten die Thorner sicherlich die gemeinsame Agende der drei Städte
übernommen und 1560 nicht in dem obigen Sinne schreiben können. Auch wäre es gewiss sehr
merkwürdig, wenn von einem so bedeutsamen Ereignisse in Danzig gar keine Nachrichten erhalten
sein sollten.
Hierbei ist noch zu beachten, dass Musäus, der zur Zeit der Abfassung der Breslauer
Ordnung (1557) in Breslau lebte, später in Thorn gewirkt hat.
Auch ist zu bemerken, dass in der Correspondenz zwischen Danzig und Thorn von solcher
Vergleichung und damit einer gemeinsamen Ordnung nicht die Rede ist. Ich habe die sämmt-
lichen Missiven Danzigs von 1557 durchgesehen (St.-A. Danzig XXVII, 24). Es fanden sich darin
verschiedene Schreiben an Thorn, so eins vom 10. April 1557 (darüber, dass der König zu-
gesagt habe, hinfürder die Städte wegen der Religion mit so ernsten Punkten nicht zu be-
schweren), aber nichts von einer Kirchenordnung.
Endlich haben wir noch einen schlagenden Beweis. In der Eingabe, welche die für die
Abschaffung des Exorcismus plädirenden Geistlichen Dienstags nach Judica 1571 machten
(Original, von 18 Geistlichen [Kittel, Joh. Weidner usw.] unterschrieben, im St.-A. Danzig,
Hdschr. Fol. Pp. 64), kann geschrieben werden:
„Wenn man einwerfen werde, dass die drei Städte Danzig, Thorn und Elbing bewilliget,
einerlei kirchenordnung zu halten, so sagen wir, es were notig und zu erbauung der kirchen
Christi hoch nützlich gewesen, das dieselbige Zeit eine reine christliche kirchenordnung auf-
gericht und geschrieben were. An wem aber die schult, das es verblieben, wird E. Rath
wissen und ist also die schult nicht des Ministerii sondern eines Erbaren rath und daher nicht
wenige und geringe spaltungen, unruhe, und ergernis zwischen den kirchen entstanden“.
Auch die weitere Nachricht von Hirsch, S. 53, dass ein Rathsschluss von 1571 „die genaue
Beobachtung der alten Kirchenordnung von 1559 (!) eingeschärft und demgemäss bei Strafe der
Enturlaubung und des Thores die Anwendung des Exorcismus anbefohlen habe“, ist unbestimmt,
nicht kontrolirbar, aber sicher — soweit sie die erste Kirchenordnung anlangt — unrichtig.
 
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