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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0255
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Kirchenordnung für Thorn von 1575.

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wollen, im catechismo zuverhören, die unwissenden
zu unterrichten, den rohen sichern haufen das
gesetze wohl einzureiben, die zerschlagene herzen
durch heilsamen trost zuverbinden und um
mehrer trostes willen den evangelischen trost von
gnädiger vergebung der sünden einem iedern in-
sonderheit zuappliciren. Wo dann leute zur beichte
kommen, die im catechismo gar nicht unterrichtet
sind und auf ein eil in den nothwendigen stücken
nicht können unterrichtet werden, item die etwa
mit vornehmen lastern beschuldiget, nachdem sie
davon abzustehen sind ermahnet worden, sie aber
solches nicht zusagen wollen, so soll ihnen auch
die absolution nach Christi befehl versaget werden,
denn die kirchendiener beides aufzulösen und zu-
binden im befehl haben, Matth. 18, Joh. 20, mit
welchem amte freilich nicht zuscherzen ist, wie
auch in folgenden stücken zuvernehmen. Wo aber
leute kommen, die aus giftigem gemüte den con-
fitentem vor oder nach der beichte eine correction
einlegen und ihnen in christl. vorhaben hinderlich
erscheinen, so sollen solche unzeitige eiferer mit
gebührenden bescheid abgefertiget und dagegen
die confitenten, ob sie gleich schuldig befunden
würden, wo sie buss und besserung zusagen, mit
der absolution und communion zu rechter zeit
gefordert werden.
Art. 4. Von dem bann offentlicher
busse und reconciliation.
Wiewohl es mit dem bann, offentlicher busse
und reconciliation alhier im mangel eines recht-
bestelleten consistorii nicht allerdings wie in vielen
andern wohlbestelleten kirchen kan gehalten
werden, so sollen doch offentliche sünder in casi-
bus notoriis, als eltern, die ihre kinder im schlaf
erdrucken, todtschläger, zäuberer, wahrsagere,
muthwillige verächter des wortes und der hoch-
würdigen sacramenten, gottesläster, ehehrecher und
dergleichen ärgerliche leute, fur keine gliedmasse
der wahren kirchen gehalten werden, auch der
kirchenämtern nicht mit zugebrauchen haben, es
sei denn, dass sie sich erkönnen, von den kirchen-
dienern samtlich sich verhören und absolviren
lassen, mit bedinge, dass sie sich offentlich von
der canzel nennen, für sich bitten und männig-
lich die sie geärgert, um die versöhnung an-
langen lassen und darauf das hochwürdige sacra-
ment empfangen.
Solche buss und reconciliation kan und soll
niemanden zur verkleinerung seiner ehren ge-
langen , sintemal keines menschen scham oder
schaden, sondern vieler menschen besserung, darzu
gottes ehre gefördert und gesuchet wird, wie es
denn gewissentlich geschiehet, wann diejenigen, die
mit ihren sündlichen leben viele leute offentlich

geärgert und betrübet haben, auch wiederum
offentlich mit vielen leuten christlich versöhnet und
vertragen werden.
Art. 5. Von der messe oder abendmahl
des herrn.
Vom ganzen officio alle stücke allhier zu
verzeichnen, ist unnöthig, sondern kurz zumerken,
dass solches in gewohnlicher ordnung, wie in
allen wohlbestalten kirchen gebräuchlich, mit
reinen gesängen soll gehalten werden, das gloria,
collecten, episteln und evangelien mit gebühr-
lichen accent sollen gesungen werden, auch das
ganze amt mit dem orgelwerk gezieret werden.
Und soll billich allemal für der predigt, wann
man das amt hält, das pacem deutsch oder pol-
nisch oder lateinisch gesungen werden; wann der
prediger auf die canzel steiget, soll anfänglich
das volk zum gebet vermahnet ein deutsches lied
de tempore oder was der furhabende text und gemeine
noth gefordert, gesungen, auch ein vaterunser gebetet
und folgends die predigt gefordert und zum letzten
mit dem gemeinen gebet beschlossen werden. Nach
der predigt folget ein deutsch lied, darauf die priester
in hohen festen die praefation de tempore auf ge-
wöhnliche noten singen, aber in gemeinen sonn-
tagen und feiertagen ohne dieselbige bald nach
dem deutschen gesange sich gegen dem volke
wendet, die communicanten mit kurzen worten
zum gebet vermahnet, wie in der preussischen
kirchenordnung verzeichnet ist. Darauf sich der
priester wiederum zum altar wendet und das
vater unser mit gewöhnlichen noten singet, nach
demselbigen wiederum gegen dem volke die com-
municanten zum glauben und christl. andacht
vermahnet, wie in der preussischen agende vor-
zeichnet stehet. Darauf sich der priester bald
wiederum zum altar wendet, die worte des h.
abendmahls mit gewöhnlichen noten singet, ohne
aufhebung des sacraments, denn die elevation ist
unnothig und vieler greulichen missbräuche halber
abgethan. Darauf pfleget der chor das sanctus
lateinisch und deutsch, item das agnus dei, Jesus
Christus unser heiland und andere gesänge (die
darzu geordnet sind) zu singen, nachdem viel oder
wenig communicanten vorhanden. Unter diesem
stehen wie im ganzen amte die priester mit ge-
wohnlichen kirchenkleidern, kasel und chorrock
angethan und reichen dem volke das sacrament
des leibes und blutes Jesu Christi, da auch zu
beiden seiten des altars knaben stehen, die seidene
tüchlein halten, unrath zuverhüten, dabei auch der
custos ecclesiae nach erforderung seines amtes
zur hand stehet, fleissig aufwartet, den alten
schwachen und kranken leuten beim altar auf
und abzusteigen hülfe zuthun und am ende der
communion auf die übrigen personen zumerken,
 
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