Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0260
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
242

Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.

welche leute aber guten getreuen rathen und ver-
mahnungen ihrer christl. obrickeit und seel- j
sorger liederlich verachten und muthwillig wieder-
streben und ihnen gebührliche strafe wiederfähret,
sind freilich nicht zubeklagen.
Art. 10. Von den kranken, wie man die
unterrichten und mit dem hochwürdigen
sacrament versehen soll.
Wo man zu kranken personen kommt,-sie
freindlich salutiret und fraget: wie es ihnen gehet,
und wie sie sich gehaben, so kann aus ihrer
antwort leichtlich gespüret werden, wie es um
sie stehet, und wie mit ihnen zuhandeln sei, dar- j
innen fürnehmlich wahrzunehmen, daß man den
rohen, wüsten und wilden leuten die gnaden-
thüren nicht bald angelweit aufsperre, sondern
ihnen zuvor das gesetz wohl schärfe und gottes
gerechten zorn wieder die sünde mit ernste vor-
halte, wie die schöne kirchenregel lehret und
lautet: Pasce tibi commissum gregem, ante gratiam
acue legem, und da sich solche leute hart er-
zeigeten, keine ernste busse beweisen noch zu-
sagen wolten, sollen zwar die kirchendiener nicht
bald ablassen, sondern allerhand freindliche und
ernste mittel gebrauchen, damit man sie auf dem
rechten weg bringen möge; da aber nichts helfen
will, kan und sol man ihnen auch das sacrament
nicht reichen, wie obgemeldet, die perlen nicht
für die säue werfen, sondern man soll sie als
heiden immer fahren lassen; die sich aber weisen
lassen, ernste busse und besserung zusagen, soll
man auch mit evangelischem troste versehen, die
herzen und gewissen, so mit dem hammer des
gesetzes zerschlagen und verwundet sind, mit dem
gnadenöl wiederum verbinden, heilen und stärken
und aufrichten, denn zu welcher stunde sich der
sunder erkänt und gnade begehret, so will ihn
Christus an und aufnehmen, wie er selbst im
evangelio mit wort und that bezeuget, welches
lehre und exempel die kirchendiener treulich
nachzufolgen in ihrem amte sollen gefliessen sein.
Die andern aber, die ihrem gewissen selbst und
zuvor betrübet und zuschlagen sein und dero-
halben keines solches ernstes bedürfen, wie die
vorigen, soll man nicht lange aufziehen, sondern
bald mit der gnadenpredigt trösten, laben, er-
quicken und stärken, sie zur geduld und gehor-
sam vermahnen.
Mit was ceremonien aber die kranken zu
hause sollen absolviret, communiciret und berichtet
werden, ist in der preussischen und andern
kirchenordnung nach guter nothdurft verzeuchnet
und zusetzen unnöthig. Den chorrock kan man
bei der krankencommunion, wie bei der nothtaufe,
wohl daheime lassen, unsere christliche freiheit

in diesen und andern menschsatzung zubezeugen.
Wann aber eine kranke person sich zur kirchen
führen liesse, in offentlicher versammlung neben
andern christen das sacrament zuempfangen, und
aber solche personen so schwach zu sein ver-
merket, dass sie etwa mit dem munde an den
kelch fallen und sich stossen möchte oder sonsten
ein unrath zu besorgen, item, da etwa ein auf-
fällige oder sonsten abscheuliche krankheit ge-
spüret würde, ist es viel rathsamer und besser,
dass solche schwache leute, besonders allein, zuvor
oder nach gehaltenem amte, beim hohen altar
oder in der sacrastei communiciret werden, da
man denn mit dem schwachen besser denn sonsten
reden und handeln kann. Und diese ordnung
soll auch gehandelt werden, wann sich einige
personen zur unzeit anzeigt, also, dass man um
ihrent willen das abendmahl mit fuge nicht recht
halten kann und sie doch ursach hat, nicht länger
zuverziehen. Es sollen auch die kirchendiener,
wann sie zu den kranken gefordert, sich willig
erzeugen, und sie immer möglich ungesäumt
kommen, sie trösten und stärken und so viel
möglich und füglich ist, sie ofters heimsuchen.
Art. 11. Von den gefangenen, so zum
tode verurtheilet sein, wie man die
trösten und communiciren soll.
Die gefangenen, denen das leben abgesprochen
wird, zubesuchen, zutrösten und an die gericht-
statt beim tode zubegleiten, ist freilich auch ein
gut werk, aber gar eine schwere arbeit, in be-
trachtung, dass gemeiniglich solche leute entweder
sicher, ruchlos, wüste und wilde und freche oder
aber ganz erschrocken und verzagt und mit viel-
feltigen schweren anfechtungen, bis an die seele,
vertieft sein, welches bald, wann man sie fraget,
warum sie gefangen sein, zuvernehmen.
Darauf die kirchendiener gute achtung haben
und den gefangenen auf ihre antwort gebührlicher
weise begegnen sollen, den wilden und wüsten
gesellen mit scharfen gesetzpredigten, den er-
schrockenen und betrübten mit starkem troste,
wie zuvor von denen kranken gemeldet worden,
davon sonderlich in der pfalzgrävischen kirchen-
ordnung anno 1557 ausgangen, auch in der preussi-
schen agenda gar schöner unterricht zu finden,
welchen iungen leuten im predigtamt zulesen nutz
und nöthig ist. Wann die armen gefangenen
geisthungrig werden, zeichen der wahren busse
von sich geben und zu mehren troste das abend-
mahl des herrn begehren, kan und soll mans
ihnen nicht versagen, sondern im namen gottes
auf einem bequemen tag und stunde überreichen
und geben, in solcher ordnung, wie zuvor von
den kranken, die privatim communiciret, gesaget
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften