Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0266
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
248

Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.

zweite ist von Hegendorf); Beyer, Kirchengeschichte der Provinz Posen. Breslau 1908; Bickerich,
Aus der Geschichte der Unität und der fünf Unitätsgemeinden, in „Zur Erinnerung an die General-
kirchenvisitation der Gemeinden der evangelischen Unität. Posen 1908“; Bidlo, Jednota bratrská v
prvním vyhnanství. 3 Theile. Prag 1900,1903,1909. Vgl. ferner die Litteratur zu den einzelnen Städten.
Archive: Staats-Archiv zu Posen; St.-A. Danzig; Kirchen-Archive zu Lissa; Kirchen-
Archiv Fraustadt; Bibliothek der Johanniskirche zu Lissa.
I. In Polen verbreitete sich sowohl die lutherische als auch die reformirte Lehre gleich-
zeitig. Daneben entstanden Gemeinden der böhmischen Brüder in grösserer Zahl. Vgl. über
die Vertheilung der einzelnen Kirchen Krause, a. a. O. S. 11, 15, 17, 21, 25. Vgl. auch
Koniecki, a. a. O. Cap. 2, 3, 4.
Die staatliche Duldung trat erst unter König Sigismund II. (1548—1572) ein, und seit-
dem breitete sich die Deformation rasch aus; bis zum Jahre 1570 war weit über die Hälfte
des Adels evangelisch geworden, und seit der Thronbesteigung Heinrich Valois’ und dem Reichs-
tage zu Warschau 1573 gab es in Polen keine vom Staate bevorzugte Kirche mehr, sondern
alle Confessionen standen einander gleich.
Eine grosse Gefahr bedeutete die Uneinigkeit der neuen Lehren, die Streitigkeiten der
verschiedenen Richtungen.
Die erste Annäherung vollzog sich zwischen den Reformirten in Kleinpolen und den
böhmischen Brüdergemeinden. Auf einer Synode von Kozminek bei Kalisch 1555 vereinigten
sie sich zu einer Religionsgesellschaft unter dem Namen: Fratres unitatis. Die Reformirten
nahmen Confession und Liturgie der böhmischen Brüder an (wenn auch deren Bekenntniss von
Calvin, Bullinger und Musculus nicht in jeder Beziehung gebilligt wurde). Die Reformirten
gingen nicht etwa völlig in den böhmischen Brüdergemeinden auf, aber es war doch ein
äusserer und innerer Zusammenhang geschaffen. Vgl. Krasinski, S. 94, 133; Lukasze -
wicz, S. 32; Krause, a. a. O. S. 11, 66; vgl. aber auch Dalton, Lasciana. S. 374 ff.,
384 ff.; Koniecki, S. 146 ff.
Besondere Verwirrung, namentlich in der calvinischen Kirche Polens, richtete der
Sozinianismus an. Diese Antitrinitarier schlossen sich, nachdem Vereinigungsversuche mit den
Calvinisten noch auf dem Reichstage zu Petrikau 1565 stattgefunden hatten, aber gescheitert
waren, zu einer eigenen Kirchengemeinschaft zusammen, Ecclesia minor; sie nannten sich nun-
mehr Unitarier und hielten sich in ihrer Verfassung nach reformirten Grundsätzen. Vgl.
Prümers, in Ztschr. der histor. Gesellschaft für die Provinz Posen. 1892. S. 182; für die
weitere Geschichte des Sozinianismus vgl. Krause, a. a. O. S. 29—36; Luckfiel, a. a. O.;
Dalton, Lasciana. Beiträge zur russischen Kirchengeschichte 3, S. 389 ff.
Der Zusammenschluss der Reformirten und der böhmischen Brüdergemeinden legte den
Gedanken nahe, auch das dritte evangelische Bekenntniss, das lutherische, zu vereinigen. Die
Synoden von Posen und Wilna 1570 bereiteten den Zusammenschluss vor und auf der Synode
von Sendomir 1570 fand am 14. April die Vereinigung wirklich statt. Vgl. den Consensus von
Sendomir bei Krasinski; Krause, S. 37 ff.; Lukaszewicz, S. 75 ff.
Hiernach sollten die böhmischen, lutherischen und reformirten Christen eine gemein-
same polnisch-evangelische Kirche bilden; keine der drei vereinigten Kirchen sollte der anderen
ihr Glaubensbekenntniss aufzudrängen versuchen. Jede Kirche behielt ihre Verfassung und ihre
Gebräuche, aber es bestand Kultus-Gemeinschaft. Die Grundprinzipien der Lehre galten als
gemeinsam. Man nahm den Gegensätzen ihre Spitze und schuf ein Schutz- und Trutzbündniss,
eine Alliance, die in den bevorstehenden Stürmen der Gegenreformation gute Dienste hätte
leisten sollen und können, wenn man wirklich einig gewesen wäre.
Der Consensus Sendomiriensis wurde 1586 lateinisch und polnisch in Thorn gedruckt;
neue Auflagen sind: Thorn 1592, 1596; Heidelberg 1605; Baranow 1628; eine deutsche Über-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften