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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0270
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252

Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.

ln Gross-Polen finden sich Gemeinden lutherischen Bekenntnisses um 1550 in Posen,
Meseritz, Schwerin a. W., Bentschen, Brätz, Bauchwitz, Kranz, Pieske, Politzig, auf den Gütern
der Familie Górka in Görchen, Bnin, Kurnik, Kozmin, Storchnest, in den der Familie Ostrorog
gehörigen Städten Birnbaum, Grätz, ferner kurz nach 1550 in Fraustadt, Oberpritschen, Heyers-
dorf, Karge, Schmiegel und Prittisch.
Die Geistlichen dieser Gemeinden und die Adligen hielten 1565 in Gostyn eine Synode
ah und legten den Grund zur Verfassung dieser Kirche. Man theilte Gross-Polen in mehrere
Kreise ein, mit je einem Kreissenior, und stellte an die Spitze der ganzen Kirche ursprünglich
zwei, später einen Senior, der von der Synode gewählt, die Aufgabe hatte, über das kirchliche
Leben, insbesondere die reine Lehre zu wachen, die Synoden zu berufen, die Ordinationen der
Geistlichen vorzunehmen und diese wegen Irrlehre zu discipliniren. Erster Senior wurde
Erasmus Gliczner.
Die Beschlüsse von Gostyn sind von dem Senior Thomas in seinem Buche „Altes und
Neues vom Zustande u. s. w. 2. Aufl. 1754. S. 11 — 21“, nach der Aufzeichnung des Seniors
Gliczner abgedruckt. Darnach ist der Druck bei Scheidemantel, Acta u. s. w., S. 3 ff.;
Fischer, Gesch, der evang. Reform, in Polen. 1855. S. 55 und auch hier veranstaltet.
(Nr. 55.) Vgl. auch Friese II, 1., S. 385 ft'.
Die Protokolle der sonstigen lutherischen Synoden Gross-Polens scheinen verloren zu sein.
III. Mit der Einführung der Synodalverfassung bei den Lutheranern wurde ein weiterer
Grund gelegt für die Zusammenfassung der drei evangelischen Kirchengruppen, welche sich auf
der Synode von Sendomir 1570 vollzog.
Seitdem besass die protestantische Kirche der drei Bekenntnisse ein gemeinsames
oberstes Organ, die allgemeine Synode. Zahlreiche allgemeine Synoden haben das kirchliche
Recht Polens in gemeinsamer Richtung fortgebildet.
Dieses oberste Organ war, der eigenthümlichen Gestaltung der Verhältnisse Polens ent-
sprechend, aus den Geistlichen der verschiedenen Confessionen — eine besondere Abordnung
fand offenbar nicht statt und daher hat auch die Zahl der Theilnehmer überall geschwankt -
und Edelleuten gebildet. Auf der grossen Synode von Thorn 1595 z. B. führte der Starost
Orzelski den Vorsitz. Auch kommen Deputirte aus den grösseren Städten vor, z. B. in Sendomir
aus Krakau, in Posen 1570, Thorn 1595 aus Posen. Das eigentliche Volk war nicht vertreten,
wenn man nicht etwa die Geistlichen als seine Vertreter betrachten will. Die allgemeine Synode
war also eine Art polnischer Reichstag, in‘das Evangelische übertragen (vgl. Krasinski, S. 204,
148, 153, 191 u. A. mehr). Die Beschlüsse der allgemeinen Synode wurden kraft freiwilliger
Unterordnung allgemein beobachtet. Bisweilen wurde bestimmt, dass einzelne Beschlüsse nur
für diese oder jene Kirchengruppe gelten sollten (so z. B. auf der Synode zu Krakau 1573
gewisse Beschlüsse nur für die Reformirten, Krasinski, S. 188). Die Synode von Wladislaw
1583 beschloss, wie schon oben S. 249 in anderem Zusammenhange erwähnt wurde, feierlich,
dass der Vergleich von Sendomir nebst den Verordnungen der späteren allgemeinen Synoden in
lateinischer und polnischer Sprache gedruckt werden sollte; jeder Prediger sollte ein Exemplar
des Druckes erhalten und sich bei Strafe nach den Beschlüssen richten (Krasinski, S. 191).
Damit war die gesetzgebende Stellung der allgemeinen Synoden anerkannt.
Aber wie diese Synoden vor allen Dingen darauf bedacht waren, die Einigkeit unter
den getrennten Kirchengruppen zu schützen und darum alle Lehrstreitigkeiten zu verhindern,
so haben sie wohl auch zu diesem Zwecke neben der gesetzgebenden Thätigkeit eine disciplinar-
rechtliche ausgeübt; sie haben Kirchenstrafen gegen ungehorsame Geistliche, ja sogar
den Bann ausgesprochen, (vgl. z. B. bei Krasinski, S. 189, 191, 211). Dem obersten
gesetzgebenden Organe der Gesammtvereinigung konnte die Competenz dazu unmöglich be-
stritten werden.
 
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