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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0332
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Das Herzogthum Pommern.

sein soll“. Der Fürst möge sie nicht vor anderen beschweren. Gleichzeitig setzte sich der
Rath mit Stralsund zu einem gemeinsamen Vorgehen in dieser Angelegenheit in Verbindung
(vgl. Städtisches Archiv Stettin cit. loco). Der Rath zu Belgard beschwerte sich 1591 über die
Anordnungen der Visitatoren und bat den Landesherrn um Abstellung, drohte aber zugleich,
dass er, wenn dies nicht geschähe, den Weg des Rechtens beschreiten müsste (St.-A. Stettin,
Stettin. Arch. P. I, Tit. 115, Nr. 7). Im Jahre 1590 haben die Visitatoren Schwierigkeiten
mit der Stadt Stolp, und mit Schlawe (St.-A. Stettin, Stettin. Arch. P. I, Tit. 118, Nr. 7). Besonders
interessant ist die Beschwerde von Stolp vom 26. August 1590. Die Beschwerde betrifft be-
sonders die der Stadt entzogene Jurisdiction in Ehesachen (vgl. unten S. 319 Zeile 10), und weiter
das Läuten zum Begräbniss. Der Rath wisse nicht, ob es richtig sei, dass der Gebrauch auf An-
stiften des aufrührerischen Bilderstürmers Amandus abgestellet worden sei; als sie geboren seien,
sei es jedenfalls kein Gebrauch gewesen; sie wollten aber nicht hinderlich sein, wünschten aber
nur, dass es Jedermann freistehe, läuten zu lassen oder nicht. (Vgl. hierzu unter Stolp.)
In der Stadt Pyritz findet sich bei der Visitation von 1590 im Protokoll der Vermerk:
„bürgermeister und rath dagegen vormeldet, wehren der underthenigen hoffnung, dass unser
gnediger Fürst und Herr ihren kirchen nichts abalieniren oder entziehen, sondern sie bei dem
ihren gnediglich schützen und handhaben würden“. Diese Visitation betraf im Wesentlichen
das Besetzungsrecht oder, wie es irrig genannt wird, das Patronat (St.-A. Stettin, Stettin. Arch.
P. I, Tit. 105, Nr. 14, Vol. I).
Der ganz überwiegende Inhalt der Visitationen betrifft Vermögensverhältnisse und das
Besetzungsrecht. Und dass hier der Widerstand der Städte nicht immer ganz frei von
egoistischen Motiven war, zeigt z. B. der Abschied der Visitatoren für Belgard vom 25. Juni
1591: .„Sie haben gefunden, das der kirchenkasten zu Belgard, der Anno 1540 durch fürstliche
Visitatoren aufgerichtet und daher alles kirchensilber gewogen und dem rathe zur verwahrung
gegeben, hat aber der rath 48 Mark 4 lot silber, ohne F. G. als der Kirchen Patron vorwissen
verkauft und nicht zu der kirchen nutz verwendet, auch keine rechnung gelegt. Also soll der
rath diese Summe 386 Thaler bezahlen oder jerlich der kirche verzinsen“ (St.-A. Stettin, Stettin.
Arch. P. I, Tit. 115, Nr. 7).
In dem Visisations-Abschiede für die St. Marienkirche zu Stargard vom 17. Februar
1596 (Städt. Archiv Stettin, Tit. II, Sect. 1, Nr. 5) lesen wir: Der Rath behaupte, den
Patronat pure zu besitzen; das sei aber unrichtig; der Landesherr habe ihm denselben 1539
nur „zu verwalten vertrauet“, darum sollen alle Kirchen- und Schulendiener vom Superinten-
denten examinirt und dann erst vocirt werden. Die Visitatoren tadeln, dass entgegen den
Bestimmungen der Kirchenordnung wie auch des Abschiedes von 1568 den Vocirten der vor-
geschriebene Eid nicht abgenommen worden sei; die Kirchen-Register seien in Unordnung;
Retardata beständen in grosser Zahl u. s. w.
Unter dem 27. Februar 1596 legte der Rath zu Stargard einen feierlichen notariellen
Protest gegen die Anordnungen der Visitatoren ein. St.-A. Stettin. Stettin. Arch. P. I. Tit.
104 N. 7. Bl. 24 ff. Vgl. unter Stargard.
Das Bestreben, Kirchen- und Schulwesen in möglichste Abhängigkeit von der Stadt-
verwaltung zu bringen, hat übrigens auch das Gute gehabt, dass sich die Städte, die sich so
sehr beeilten, das Kirchenvermögen in Eigenbesitz zu nehmen, auch mancher Aufgaben unter-
zogen haben, die die landesherrliche Gewalt zu erfüllen nicht Willens oder nicht in der gleichen
Lage gewesen wäre. Ich nenne hier namentlich das Schulwesen (vgl. Wehrmann, Beiträge.
S. 52 ff.). Die Stadt Grimmen nennt 1562 die Schule, die sie jetzt länger als 16 Jahre gehabt,
„eigen Lehen und gemeiner stadt hohes Kleinod“. Über den Antheil der Visitationen an der
Entwickelung des Schulwesens s. jetzt vor allem Wehrmann, Beiträge.
Mit der Stadt Greifswald schloss der Landesherr Donnerstag Laetare 1553 einen „Ver-
trakt“ über das Besetzungsrecht ab (vgl. unter Greifswald).
 
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