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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0336
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Das Herzogthum Pommern.

gehaltener Versammlung die Beschlüsse mit dem Ansuchen um die Vollstreckung vorzutragen
seien“. Es ist allerdings hierbei nicht zu übersehen, dass es sich hier um ein gutes Stück der
„Kirchengewalt“ im Sinne Luther’shandelte, die nach Luther dem Predigtamt allein gebühren sollte.
Aber andererseits sind doch auch nicht wenige Befugnisse eines wirklichen juristischen Kirchen-
regiments mit inbegriffen gewesen, die dem Predigtstuhl nach Luther’s Lehre nicht gebühren
sollten. An dieser unevangelischen Grundlage und an der erstarkenden landesherrlichen Gewalt
ist diese Entwickelung, die zu einer wirklichen bischöflichen Gestaltung im katholischen Sinne
(vgl. auch die Beschlüsse bei Balthasar I, S. 192) geführt haben würde, zu Grunde ge-
gangen. Immerhin hat sich neben diesem Einflusse des Lehrstandes, dem das ganze innere
Leben der Kirche unterstellt war, ein landesherrliches Kirchenregiment nicht in dem gleichen
Sinne bilden können wie in anderen Ländern.
Bescheiden nennen sich die Fürsten 1556: nutritores ecclessiae (vgl. unten S. 323).
In einem Ausschreiben Herzog Johann Friedrich’s (Stettin, 5. November 1582) führt der
Landesherr aus: er habe erfahren, „dass der Kirchenordnung und den Visitations-Abschieden
zuwider bei kirchen, schulen, hospitalen, benefizien und besitzern derselben in der stadt Star-
gardt und doselb anliegenden Ortern und Dörfern etzliche Mängel, gebrechen und Unordnungen
eingerissen, denen durch zeitige vorsichtigkeit vorgebauet werden muss, dass wir demnach in
erinnerung unseres landesfürstlichen ampts und obristen iuris patronatus zu erkundung und
abschaffung solcher unrichtigkeiten eine visitation ... zu halten ausgeschrieben“ u. s. w.
Der Landesherr rechtfertigt also sein Vorgehen noch im Jahre 1582 mit der allgemeinen
Verpflichtung der Obrigkeit, für reine Lehre zu sorgen und mit dem obersten Patronat also
mit der Vogtei und dem obersten Schutz-Rechte.
Ein solches „Patronat“ nahmen aber auch die grösseren Städte für sich in Anspruch
(St.-A. Stettin, Stettin. Arch. P. I, Tit. 104, Nr. 6).
Das Ausschreiben der Visitation vom 8. December 1595 für die Stargardisehen Dorf-
kirchen führt aus, dass der Landesherr „aus christlicher landesfürstlicher bewachtung, mit gut-
achten gemeiner landstände, die Visitation, wie solches Anno 88 aufm landtage zu Treptow
schriftlich verfasset worden, anzustellen“ befohlen (St.-A. Stettin, Stettin. Arch. P. I, Tit. 104,
Nr. 8). Auch die Landstände beschränken somit den Landesherrn in seiner Thätigkeit.
Ein völlig entwickeltes Kirchenregiment des Landesherrn bestand also demnach nicht.
Sehr bedauerlich ist es, dass in dem Kampfe, den die verschiedenen Factoren im Lande um
ihre Competenzen mit einander geführt haben, so viel Kraft verschwendet worden und vieles
Gute, was für die ganze Kirche hätte geschaffen werden können, infolgedessen nicht zur Ent-
faltung gelangt ist.
Endlich schliesst auch die pommersche Kirche durch die Einführung der Consistorial-
Verfassung sich der allgemeinen deutschen Entwickelung an. Geplant war diese Einführung-
schon länger. Schon die Synode zu Stettin 1545 hatte die Einrichtung von Consistorien ge-
fordert (Balthasar I. S. 38), und bei der Visitation von 1562 dachte man ernstlich daran.
Denn es heisst im St.-A. Stettin, Stettin. Arch. P. I, Tit. 103, Nr. 28, Bl. 3b: „Wenn die
Visitation also mit Gottes hilfe vorgenumen, kunte unter dess zu wirklicher bestellung des Consistorii
werden gedacht. Und soll die forma des geistlichen gerichts und instruktion den Abschieden
nach in der fürstlichen stettinischen Canzlei, die Instruktion aber der General-Visitation in der
fürstlichen Wolgastischen Canzlei gefertiget werden“. Das Consistorium zu Greifswald muss
aber schon früher eingerichtet gewesen sein, denn in der Visitations-Verordnung Herzog
Philipp’s, die nach 1556 liegt, wird das Consistorium Greifswald bereits genannt.
Die Kirchenordnung von 1563 sieht drei solcher Consistorien zu Stettin, am fürstlichen
Hoflager oder in Greifswald und das dritte wegen des Bischofs in Kolberg vor. (Das Kirchen-
regiment des Stralsunder Rathes wurde in der Kirchenordnung von 1555 neu geregelt; s. unter
 
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