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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0344
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326

Das Herzogthum Pommern.

Die Hauptarbeit bei Abfassung der Agende vollzog natürlich Runge. Im St.-A.
Stettin, Wolg. Arch. Tit. 63, Nr. 196, finden sich von seiner Hand verschiedene Entwürfe,
u. A. auch die Vorrede mit dem Datum „17. Juni 1567, Jacobus Runge, Wolgast“. Diese Vor-
arbeiten liefern ein treffliches Zeugniss von dem Eifer Runge’s und verdienten wohl eine
gründliche Untersuchung. Wir entnehmen aus ihnen, dass man zur Abfassung folgende Agenden
benutzt hat: „Die Pommersche Agende, die Nürnbergische Agenda Viti, die Wittenbergische
Kirchenordnung, die Schwäbisch-Haller Kirchenordnung, Colnische Kirchenordnung, Pfalzgraf
Otto-Heinrich’s Kirchenordnung, die Mecklenburgische Kirchenordnung, die Braunschweigische
Kirchenordnung, die Mansfelder Agende Sarcerii, Unterricht der Visitatoren Heinrich’s von
Sachsen, Unterricht der Visitatoren im Kurfürstenthum zu Sachsen in IIII Tomo Jenensi, die
Lübische Kirchenordnung, Extract Dr. Pomerani aus der . . . (unleserlich) Kirchenordnung,
Pfalzgraf Wulfgang’sKirchenordnung, Sundische Ordnung, durch D. Knipstro gestellt, Lüne-
burgische Kirchenordnung, Leiflandische Kirchenordnung, Herzog Heinrich’s von Sachsen Agende.“
Nach verschiedenen Berathungen wurde die Agende durch ein fürstliches Mandat, Stettin,
Sonnabend nach Egidii 1568, publizirt. Gedruckt erschien sie 1569 zu Wittenberg. 4°.
472 Blatt. Im Druck wurde sie mit der Kirchenordnung verbunden. Beide bildeten die Grund-
lage des Kirchenwesens Pommerns bis weit in das 17. Jahrhundert und erlebten viele Auflagen.
Von neueren Ausgaben vgl. die von Otto, Greifswald 1854. Richter 2, S. 318, druckt nur
den Titel ab. Ich drucke die Vorrede, Abschnitt 1 u. 2 (Bl. 1—27), Bl. 27b—28b [folgt der
kleine Catechismus Luther’s], Bl. 49b—60, Bl. 61—82a [Bl. 82b—112a „Von der Taufe“ bleibt
fort], Bl. 112—170 [Bl. 171—237 fällt fort], Bl. 237b—245b [Bl. 246—409 fällt fort], Bl. 409
bis 455. Alles Weitere fällt fort. (Nr. 76.)
Trotzdem man sich bei der Abfassung grosse Mühe gegeben hatte, waren natürlich
Viele nicht ganz einverstanden. Ein recht beachtenswerthes „Bedenken und Erklärung der
Theologen etlicher angezogener zweiflichen puncte der Kirchenagende“ vom Jahre 1572, eine
Eingabe an den Grafen von Eberstein, Herrn zu Naugarten und Massow verbreitet sich über
die Punkte, die in der Agende überflüssig oder ärgerlich seien (St.-A. Stettin, Stettin. Arch.
P I, Tit. 1, Nr. 31). Unnütz findet man z. B. die Lichter auf dem Altar, „weil doch der
Herrgott zur Messe mit dem grossen Sonnenlicht leuchte“, unnütz sei das Singen von Epistel
und Evangelium; alle Tage Vesper und Metten zu singen, sei ebenfalls zwecklos u. s. w. u. s. w.
Dieses Bedenken scheint nicht weiter beachtet worden sein.
Aber in demselben Jahre 1572 entstanden Zweifel darüber, ob das gedruckte Exemplar
mit dem Original genau übereinstimme. Diese Bedenken wurden so stark (vgl. die charak-
teristischen Schilderungen auf der 6. Generalsynode 1572, Balthasar 1, S. 298 ff.), dass man
das Original aus der Druckerei zurückforderte und eine offizielle Vergleichung veranstaltete.
Diese wurde vollzogen von Runge, Kogler, Edling, Stymmel, Hofprediger Timäus, Strohschneider,
Remmelding, Kruse, Arpius, Hartmann. Dieser Synode wohnten der Canzler von Eichstedt- und
Andreas Borck, im Namen des Fürsten bei.
Der an die Fürsten erstattete Bericht „Stettin in Vigilia St. Laurentii Martyris 1572“
lautet auf volle Übereinstimmung. Dieser Bericht ist sehr lehrreich; er geht auf zahlreiche
Einzelpunkte der Agende ein und bildet eine Art Commentar zu derselben, der zugleich treff-
liche Streiflichter auf die thatsächlichen Verhältnisse wirft (St.-A. Stettin, Stettin. Arch. P. I,
Tit. I Nr. 32, Bl. 21—52, noch einmal Bl. 129—163). Er steht abgedruckt bei Dähnert 2,
S. 532 ff., und wird hier nicht abgedruckt.
Die pommersche Kirchenordnung und Agende fanden Anwendung auch in den Herrschaften
Lauenburg und Bütow, mit denen die pommerschen Herzöge am 3. Mai 1526 von Polen be-
lehnt waren. Die katholische Kirche wurde hierdurch völlig verdrängt, vgl. Laspeyres,
 
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