Kurländitche Kirchenreformation von 1570.
61
wirdigen sacramenten geschenckt und reichlich
aussgetheilet wird, kreftig als ein gewisser zeugss-
man, tröster und lerer den glauben in uns zu-
bereiten und zu erhalten, als des heiligen geists
amt verkleret wird, Jeremie 31, Zacharie 12,
Johan. 16, Rom. 8, Galat. 4, 2, Timot. 1, Tit. 3.
Vermittelst diesen beiden erzelten mittein
und ursachen erlangen ersten die christen den
rechten waren glauben an gott mit allen andern
geistlichen gaben und von Christo erworbenen
gütern. Und ob schon die predigte und das
gehör des worts nicht gnug ist zur seligkeit,
dennoch für allen dingen ersten mus das wort
gehöret, dadurch der geist gottes in uns als seinen
eigen tempel wircke.
Aber weil diese wirckung und gaben alle
separabilia accidentia seind und können verloren
werden, wil es die hohe noth erfurdern, solchen
glauben nicht allein aus dem gehör des worts
durch sonderliche mitwirckung des geistes gotts
erlangen und ein zeitlang behalten, sondern
darinne bestendiglich bis ans ende verharren und
selig werden, Matth. 24, dar wil es am meisten
anne gelegen sein, denn es heist:
Non minor est virtus, quam quaerere, parta
tueri.
Darum gleicherweise als durch diese beiden
ursache der glaube ersten uberkommen wird, also
mus er auch durch folgende mittel erhalten
werden. Derhalben volget:
Zum driten. Das solcher glaub alzeit in
gutem gewissen mit stetiger ubung des göttlichen
worts und feurigen gebets im geist und der war-
heit angewant, psal. 145, Joha. 4, item in ubung des
waren gottesdiensts und gottseligen lebens die ganze
zeit unser wolfart durchaus mus erhalten werden.
Letzlich mit heilsamen gebrauch der heiligen I
hochwirdigen sacramenten, quae sunt vera fidei
sigilla, der massen versiegelt, versichert, bestetiget
und bekreftiget, den alleinseligmachenden glauben
haben und behalten, das wir beiderseits göttlicher
barmherzigkeit, warhaftige siegel und gewisse
briefe unser seligkeit genzlich verwissert sein
mügen, wir leben oder sterben, so seind wir des
herrn, Roma. 14.
Hie höret her der schöne spruch D. Martini
Lutheri von der verwisserung unser seligkeit, wo-
von der man gottes also redet:
Gott hat mir die seligkeit und das evangelion
nicht können höher vorwissern, denn mit dem
leiden und sterben seines sohns und wenn ich
gleube, das er den tod uberwunden und für mich
gestorben ist und sehe die verheischung des vaters
an, so habe ich den brief vollenkomlich und die
siegel der tauf und des sacraments daran hengen
und bin wol versorget.
Der himel ist mir umsonst gegeben und ist
mein geschenck, und ich habe siegel und briefe
darüber, das ist, ich bin getauft und gehe zum
sacramente, darum verware die briefe, das sie dir
der teufel nicht zerreisse, das ist, bleibe in der
furcht gottes, glauben und bekentnus Jesu Christi
und bete das vater unser.
Dis ist das erste und fürnemste theil unsers
christenthums, genant der seligmachende glaube
aller wahren getauften christen, welcher, wenn er
also durch obenangezeigte mittel erlangt und gott-
selig erhalten wird, so ist der glaube ein helles
licht der erkentnus im verstande und eine lebendige
kraft der application und zuversicht im herzen,
existens simul habitus intellectus et voluntatis,
imo magis hypostasis quam accidens, welchs sich
in allen nöten und anfechtungen eines gütigen,
gnedigen, getreuen, frommen und barmherzigen
gottes um des heilands Jesu Christi willen, be-
stendig und kreftig vertrösten kan, allzeit ruhend
auf dem propiciatorio oder gnadenstul im alten
testamente praefigurirt Exod. 25 und von Paulo
Rom. 3 bezeuget, denn die schönen cherubin mit
den flügeln göttlichs schutzes und schirms, wieder
das kreftige gesetz, wieder die gewalt der sünde,
wieder das schrecken des todes und wieder die
pein der hellen und ewigen verdamnus bedencken
und den gleubigen menschen in den gnaden himel
göttlicher barmherzigkeit erhalten, darinnen er
allzeit zugleich trotzlich und auch tröstlich mit
Job cap. 13 sprechen kan: Etiamsi occidas me,
tamen sperabo in te, herr, wenn du mich schon
tödest, so wil ich doch auf dich hoffen, denn du
bist mein heiland geworden. Und mit dem könig-
lichen psalmisten und propheten David psal. 23;
Etiamsi ambulavero in medio ulla umbrae mortis,
non timebo mala, quia tu mecum es, wenn ich
schon mitten im tode wanderte, so fürchte ich
kein ungefall, denn du bist bei mir. Und psalm 73:
Cum contabescunt caro mea et cor meum, tu petra
cordis mei et pars mea deus in aeternum, wenn
mir gleich leib und seele verschmachtet, so bistu
doch gott allzeit meines herzen trost und mein
erbtheil.
PARS SECUNDA.
Das ander theil.
Zum andern ist ebenmessig fleissig an-
zumercken und von einem jedern christen ernst-
lich darfür zuhalten, das solcher obenangezeigter
glaube nicht kan oder mag ein fauler, kalter
gedancken, viel weniger ein unfruchtbarer baum
sein, welchen der heilige Jacobus fidem mortuam
einen toten glauben nennet und nicht anders als
fides historica, eine blosse, schlechte wissentliche
kuntschaft der historien und geschickten erachtet
und geurteilet wird, besonder der lebendige, selig
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wirdigen sacramenten geschenckt und reichlich
aussgetheilet wird, kreftig als ein gewisser zeugss-
man, tröster und lerer den glauben in uns zu-
bereiten und zu erhalten, als des heiligen geists
amt verkleret wird, Jeremie 31, Zacharie 12,
Johan. 16, Rom. 8, Galat. 4, 2, Timot. 1, Tit. 3.
Vermittelst diesen beiden erzelten mittein
und ursachen erlangen ersten die christen den
rechten waren glauben an gott mit allen andern
geistlichen gaben und von Christo erworbenen
gütern. Und ob schon die predigte und das
gehör des worts nicht gnug ist zur seligkeit,
dennoch für allen dingen ersten mus das wort
gehöret, dadurch der geist gottes in uns als seinen
eigen tempel wircke.
Aber weil diese wirckung und gaben alle
separabilia accidentia seind und können verloren
werden, wil es die hohe noth erfurdern, solchen
glauben nicht allein aus dem gehör des worts
durch sonderliche mitwirckung des geistes gotts
erlangen und ein zeitlang behalten, sondern
darinne bestendiglich bis ans ende verharren und
selig werden, Matth. 24, dar wil es am meisten
anne gelegen sein, denn es heist:
Non minor est virtus, quam quaerere, parta
tueri.
Darum gleicherweise als durch diese beiden
ursache der glaube ersten uberkommen wird, also
mus er auch durch folgende mittel erhalten
werden. Derhalben volget:
Zum driten. Das solcher glaub alzeit in
gutem gewissen mit stetiger ubung des göttlichen
worts und feurigen gebets im geist und der war-
heit angewant, psal. 145, Joha. 4, item in ubung des
waren gottesdiensts und gottseligen lebens die ganze
zeit unser wolfart durchaus mus erhalten werden.
Letzlich mit heilsamen gebrauch der heiligen I
hochwirdigen sacramenten, quae sunt vera fidei
sigilla, der massen versiegelt, versichert, bestetiget
und bekreftiget, den alleinseligmachenden glauben
haben und behalten, das wir beiderseits göttlicher
barmherzigkeit, warhaftige siegel und gewisse
briefe unser seligkeit genzlich verwissert sein
mügen, wir leben oder sterben, so seind wir des
herrn, Roma. 14.
Hie höret her der schöne spruch D. Martini
Lutheri von der verwisserung unser seligkeit, wo-
von der man gottes also redet:
Gott hat mir die seligkeit und das evangelion
nicht können höher vorwissern, denn mit dem
leiden und sterben seines sohns und wenn ich
gleube, das er den tod uberwunden und für mich
gestorben ist und sehe die verheischung des vaters
an, so habe ich den brief vollenkomlich und die
siegel der tauf und des sacraments daran hengen
und bin wol versorget.
Der himel ist mir umsonst gegeben und ist
mein geschenck, und ich habe siegel und briefe
darüber, das ist, ich bin getauft und gehe zum
sacramente, darum verware die briefe, das sie dir
der teufel nicht zerreisse, das ist, bleibe in der
furcht gottes, glauben und bekentnus Jesu Christi
und bete das vater unser.
Dis ist das erste und fürnemste theil unsers
christenthums, genant der seligmachende glaube
aller wahren getauften christen, welcher, wenn er
also durch obenangezeigte mittel erlangt und gott-
selig erhalten wird, so ist der glaube ein helles
licht der erkentnus im verstande und eine lebendige
kraft der application und zuversicht im herzen,
existens simul habitus intellectus et voluntatis,
imo magis hypostasis quam accidens, welchs sich
in allen nöten und anfechtungen eines gütigen,
gnedigen, getreuen, frommen und barmherzigen
gottes um des heilands Jesu Christi willen, be-
stendig und kreftig vertrösten kan, allzeit ruhend
auf dem propiciatorio oder gnadenstul im alten
testamente praefigurirt Exod. 25 und von Paulo
Rom. 3 bezeuget, denn die schönen cherubin mit
den flügeln göttlichs schutzes und schirms, wieder
das kreftige gesetz, wieder die gewalt der sünde,
wieder das schrecken des todes und wieder die
pein der hellen und ewigen verdamnus bedencken
und den gleubigen menschen in den gnaden himel
göttlicher barmherzigkeit erhalten, darinnen er
allzeit zugleich trotzlich und auch tröstlich mit
Job cap. 13 sprechen kan: Etiamsi occidas me,
tamen sperabo in te, herr, wenn du mich schon
tödest, so wil ich doch auf dich hoffen, denn du
bist mein heiland geworden. Und mit dem könig-
lichen psalmisten und propheten David psal. 23;
Etiamsi ambulavero in medio ulla umbrae mortis,
non timebo mala, quia tu mecum es, wenn ich
schon mitten im tode wanderte, so fürchte ich
kein ungefall, denn du bist bei mir. Und psalm 73:
Cum contabescunt caro mea et cor meum, tu petra
cordis mei et pars mea deus in aeternum, wenn
mir gleich leib und seele verschmachtet, so bistu
doch gott allzeit meines herzen trost und mein
erbtheil.
PARS SECUNDA.
Das ander theil.
Zum andern ist ebenmessig fleissig an-
zumercken und von einem jedern christen ernst-
lich darfür zuhalten, das solcher obenangezeigter
glaube nicht kan oder mag ein fauler, kalter
gedancken, viel weniger ein unfruchtbarer baum
sein, welchen der heilige Jacobus fidem mortuam
einen toten glauben nennet und nicht anders als
fides historica, eine blosse, schlechte wissentliche
kuntschaft der historien und geschickten erachtet
und geurteilet wird, besonder der lebendige, selig