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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0195
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Kirchenordnung von 1552.

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beschlossen, wenn wir gleich nicht alle ursachen
betrachten können. Doch ist die furnemst ursach
klar, nemlich, das gott wil das die sündige natur
zerbrochen werde. Von dieser ursach redet Paulus,
Rom. 8.: Der leib steckt im tode um der sünde
willen.
Dieses alles ist geredt von unserem leiden.
Aber das leiden und der ganze gehorsam des
herrn Christi hat eine besondere ursach, nemlich,
das es die bezalung hat sein sollen fur uns alle.
Und sollen alle prediger von unterschied des
leidens Christi und unsers gemeinen leidens die
leut vleissig berichten.
Nachdem nu dieses gesagt ist, das die kirche
unter dem creuz ligt, sollen wir auch wissen,
welchs der furnemste und kreftige trost sei. Denn
die heiden mussen auch viel leiden, und wie zu-
vor gesagt ist, der gottlose schecher henget am
creuz wie der ander, sie haben aber keinen trost,
der leben und freud an gott bringe. Nu ists
gottes will gewislich, das die bekerten nicht in
der angst versinken und in ewigen schmerzen
fallen.
Wie nu menschliche vernunft bei den heiden
trost suche, davon zu reden ist zu lang. Aber
wir sollen diese drei artickel ordenlich merken.
Der anfang im trost ist dieser. Unser elend
komt nicht one gottes rat, wie die blinde vernunft
in heiden tichtet. Und ist gottes ernstlicher will,
das wir im in der straf oder ubung gehorsam
sind, nicht wider in zürnen, sondern unsere herzen
dazu neigen, das sie diese last, mit göttlicher
hülf, tragen wollen. Also spricht Petrus: Ir solt
euch demütigen unter die gewaltige hand gottes,
verstehe, die gewaltiglich strafen kan, und widerum
gewaltiglich alle die erretten, die bekert werden,
und in anrufen, wie in Davids straf und errettung
zu sehen. Und solche exempel sol man anschauen.
Zum andern, mus man betrachten das end,
warum gott die strafen oder elend uber uns komen
lest. Nemlich, nicht das wir ewiglich verstossen
werden, sondern das wir zur bekerung vermanet
und getrieben werden, und im elend uns bekeren,
und vergebung der sünden um des herrn Christi
willen begeren, und sie mit warhaftigem glauben
annemen. Wie in diesem eid zugesagt ist: So
war ich lebe, spricht gott, ich wil nicht, das der
sünder sterbe, sondern das er bekeret werde und
das leben habe. Wie Manasses und Nabugdonosor
durch grosse strafen zur bekerung und ewiger
selikeit berufen sind. Und ist dieses der gemeine
weg zur bekerung. Darum spricht Paulus: So
wir gestraft werden, werden wir von gott ge-
züchtiget, das wir nicht mit dieser welt ewiglich
verworfen werden. Und die ganze kirche spricht
in Michea: Ich wil des herrn zorn tragen, denn

ich habe wider in gesündiget, ich wil aber in der
straf trost von im hoffen.
Zum dritten, so wir nu vergebung der sünden
empfahen, sol der glaub fur und fur sterker
werden und festiglich schliessen, das dich gott
erhören wolle, sei bei dir und sterke dich. Und
sol diese hoffnung leuchten, das gott das elend
auch in diesem leben gnediglich lindernwolle oder
ganz wegnemen. Und ob du gleich in diesem
leben nicht ganz erledigt wirst, so bistu dennoch,
ein erbe ewiger selikeit.
Wer also im elend gottes gegenwertigkeit,
hülf, erledigung und ewige selikeit sihet, der sihet
das höhest gut. Darum kan das herz widerum
freude haben, und wird also durch gott widerum
aus dem tode gerissen, und fület leben und linde-
rung der angst. Von diesem trost wissen die
heiden und gottlosen ganz nichts, aber wir sollen
gottes verheissung anschauen und glauben und
hoffnung damit erwecken und sterken.
Psal. 33.: Der herr ist nahe bei denen, die
ein betrübt herz haben.
Esaia. 57.: Gott wonet in den betrübten
herzen, das er sie widerum lebendig mache.
Psal. 49. : Ruf mich an in der not, so wil ich
dich erretten, und du solt mich preisen.
Nahum. 1.: Der herr ist gütig und sterket
in der trübsal und erkennet die uff in vertrauen.
Diese und der gleichen sprüch sol man wissen
und oft betrachten, und als warhaftige, göttliche
verheissungen annemen, und nicht in wind schlagen
als vergebliche reden.
Wir sollen auch die exempel anschauen, wie
gott vielen geholfen hat, Adam, Heva, David,
Manasse, Nabugdonosor, dem cananeischen freulin
etc. Also wil er gewislich allen helfen, die in
anrufen, ob gleich die leibliche hülf nicht uff eine
weise geschiehet.
Denn wir müssen diesen unterschied auch
merken. Die endliche erledigung in ewiger selikeit
sollen wir alle zugleich gewislich hoffen, wens
schon gottes will ist, das wir in diesem leben nicht
leiblich ganz erlediget werden. Als Jonathas,
Judas Maccabeus und viel andere, ob sie gleich
von feinden erstochen werden, sind sie dennoch
gott gefellig und erben ewiger selikeit, fülen auch
trost in iren herzen. Also spricht Job im 13. cap.:
Wenn er mich gleich tödtet, so wil ich dennoch
uff in hoffen.
Die zeitliche erledigung in diesem leben ist
nicht gleich. Denn gott hat dieses aus sonder-
lichem rat also beschlossen, das die kirch in diesem
leben unter dem creuz sein sol. Auch wil er den
glauben in uns uben. Darum sollen wir im nicht
zeit und mas bestimmen. Item in strafen wil er
auch seine gerechtigkeit erzeigen. Und lindert
dennoch den zorn mit barmherzigkeit.
 
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