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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0255
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Consistorialordnung von 1570.

239

des klegers artickel und des beklagten interroga-
toria mit fleiss verhöret und ire aussage auf vor-
hergehende beider parteien vorladung in irer
gegenwertigkeit, oder in contumaciam des einen,
eröfnet, und jedem theil, der es begert, zum
förderlichsten davon, um seine gebür, abschrift
geben, und da sie darauf ire einrede oder
disputationes einbringen wollten, vierzehn tage
dazu benennet werden, also, dass jeder theil nicht
mehr dann zweene setze auf das gezeugnus von
vierzehn tagen zu vierzehn tagen einbringe, bei
verlust des satzes, und im letzten satze keine
neuerung fürwende. Auf dass also damit zum
urtheil beschlossen, und was recht ist, erkannt
werde.
Es mag auch das gericht die zeit der vier-
zehen tage, nach gelegenheit der parteien und
sachen, kürzen oder lengeren, jedoch, dass langer
verzug und weitlauftigkeit, so viel immer müglich,
verhütet werde.
IV.
Von denen, die sich mit zweien verloben.
Wann einer recht und redlich und öffent-
lich mit einer verlobt ist, und ehr denn er bei-
gelegen, sich mit einer andern vertrauen lesst und
die beschleft, oder vermeintlich mit ihr ehelich
beiliegt, der meinunge, von der ersten dadurch
ledig zu werden, ein solcher soll als ein ehebrecher
gegen der erst vertrauten gehalten, und durch das
consistorium zur poenitenz gedrungen, oder in
mangel des consistorii durch uns, wie sich zu
rechte gebürt, gestraft werden.
Und da sich die erste mit ime nicht wollte
versönen, soll ihr erleubt werden, sich mit
einem andern zu verehelichen. Dergleichen soll
auch erleubt werden der andern und stuprirten,
so fern sie unwissentlich und ohne arg und falsch
darzu kommen ist, Hette sie aber der ersten ver-
lübnuss wissenschaft gehabt und sich mit ime
darüber in ehegelübnuss und beischlafen ein-
gelassen, so soll sie durch uns gebührlich gestraft
werden.
V.
Von weglaufen und mutwilliger desertion der eheleute.
Gott der herr sprach: Lasset uns den menschen
ein gehülfen machen etc. Durch welche wort
die eheleut nicht alleine die leibliche ehepflicht
leisten, sonder auch in allem andern einander
treulich beistehen, rathen und helfen sollen, also
dass glück und unglück gemeine sein, und eins
dem andern alle last tragen helfen soll. Darum
thun wider gott und entziehen iren ehegemahlen
die schuldige hülfe alle diejenigen, die ohne red-
liche ursache weglaufen, weib und kind oder den
mann mit den kinderen, im elend und jammer

sitzen lassen, und das ist der einsetzung gottes
und ehelicher pflicht und verwandtnuss gestracks
und eben sowol zuwider, als der leibliche ehe-
bruch.
Und solches wird auch gemeint von denen,
die einander ehelich und öffentlich verlobt
und ir eins vor dem ehelichen bettlager ohne
redliche ursachen hinweg leuft, lange zeit aussen
bleibt, sein ehelich gemahl in die eheliche pflicht
nicht nimmt, und niemand nicht weiss, wo er sei.
In solchem fall mögen die verordenten commissarii,
nach erwegung der gelegenheit und ursachen und
zeit des abwesens und weglaufens, auch des alters
und geschicklichkeit der verlassenen person, und
anderer umstende, auf vorgehende citation und
erforderunge, auch fleissige nachforschung, ob der
abtrünnige irgendswo anzutreffen, und zur ehe-
lichen beiwolmunge oder aber zu gebürlicher strafe
gebracht möchte werden, dem heimverlassenen er-
leuben, einen andern ehegemahl zu nehmen.
Und nachdem die kaiserlichen rechte hierin
die ursachen des abwesens, wie dann auch
in aller wege zu thun recht und gut ist, unter-
scheiden, wiewol sie auch nach gelegenheit
solcher ursachen dem heimgelassenen frist und
zeit benennen, so seint doch die felle beide in
mannes- und weibespersonen, auch das anligen,
angst und noth der heimverlassenen ungleich, dass
es schwer ist, die dinge also gestracks an gewisse
zeit zu binden. Und sol derwegen solchs in er-
messigung des richterlichen amts gesetzt, und da
die eine person muthwillig weckgelaufen, nach ge-
legenheit der felle, lengere und kürzere zeit ge-
halten ; auch hierin, so viel immer müglich und
ohne verletzung der gewissen geschehen kan, das
heimverlassene theil getröstet und aufgehalten
werden. Im fall auch je die noth solche heim-
verlassene person dringen thete, sich wiederum zu
verheiraten, so soll solches mit gnugsamer er-
wegung und rath der commissarien, auch ob es
nöthig, auf rechtmessiges gutbedünken der ge-
lehrten zu Rostock und anderer in unserm fürsten-
thum verstendiger und bewährter leute geschehen.
Und in fellen, da die andere ehe erleubt, soll die
hochzeit ohn alles öffentliches gepreng gehalten
werden.
Aber da einer aus ehehaften und ehrlichen
ursachen abwesend were, als in gefengnissen,
in des reichs oder wider den türken kriegssachen
und dergleichen, da soll das ehegemahl gedultig
des andern wiederkunft erwarten, und keinem
gestattet werden, sich anderweit zu verehelichen.
Es sei dann sache, dass gewisse kundschaft von
des abwesenden tod gebracht werde. Und sollen
die pfarrherrn schuldig sein, das heimverlassene
ehegemahl mit gottes wort zu trösten und zu
sterken und zu christlicher geburt zu vermanen.
 
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