in zwei zeitgenössischen handschriftlichen Exemplaren im Staatsarchiv Hannover 77; beide sind ohne
Unterschrift und Siegel. Das erste Exemplar ist sauber geschrieben; das zweite enthält zahlreiche Strei-
chungen und unsaubere Korrekturen, die deutlich jüngeren Ursprungs sind, und stellt offenbar den Ver-
such einer Revision dar, um die man sich, wie sich aus einigen in derselben Akte aufbewahrten Schrift-
stücken ergibt, noch jahrelang bemühte 77a. Die Ordnung dürfte in der Erstfassung verbreitet worden
- die Akte enthält auch noch ein ebenfalls sauber geschriebenes Fragment - und, obwohl sie anscheinend
Entwurf geblieben ist, für weite Teile des Erzstifts richtungweisend geworden sein. Wir drucken einen
Auszug: Text Nr. 2.
Im Zusammenhang mit der Aufstellung der Polizeiordnung dürften die Kirchenvisitationen der fol-
genden Jahre in der Dompropstei zu sehen sein, durch die das lutherische Kirchenwesen gefestigt und
erkundet werden sollte, ob das Land von den in der Polizeiordnung verbotenen Sekten, vom Calvinismus
und vom Kryptocalvinismus rein sei. Der Dompropst Friedrich von Lauenburg (1571-1586), ein Bruder
des Erzbischofs, ließ nämlich 1581, 1582 und 1583 in den Kirchen seines Sprengels Visitationen ab-
halten 78, deren Protokolle Pratje in einer Handschrift vorgelegen haben mit dem Titel: „Visitations-
buch etzlicher tumprobsteykirchen sub praeposito Friderico, Saxoniae duce, ao. 1581 et 1582 et 1583.
E bibliotheca dni avi Roberti Haken, possideo Christian Albert Hake. Brem. 1706“ 79. Die Handschrift
ist jetzt leider nicht mehr aufzufinden 80. In den Akten des Staatsarchivs Hannover sind nur einige,
wenige Sätze umfassende Extrakte aus dem Visitationsbuch enthalten, betr. Geversdorf, Lamstedt und
Lunsen 81. Wir sind also auf die von Pratje 82 veröffentlichten Auszüge aus den Protokollen angewie-
sen. Er erwähnt auch „Articuli visitationis“, die er jedoch nicht mitteilt. - Die Visitation ergab, daß
das Land rein war von Ketzerei und Kryptocalvinismus 83.
Das Land war weithin lutherisch. Aber die Konkordienformel wurde von Erzbischof Heinrich nicht
anerkannt und auch von den Pfarrern seines Landes nicht unterschrieben. Vielleicht stand Heinrich
unter dem Einfiuß seines Vaters, Franz’ I. von Lauenburg, der unter der Einwirkung des Superinten-
denten Baring das Konkordienwerk in Lauenburg eine Zeitlang hinderte 84. Andererseits paßt es zu Hein-
richs vorsichtiger Kirchenpolitik, ein so öffentliches Bekenntnis zur ev. Lehre überhaupt zu vermeiden 85.
und den Ständen bereits auf dem Basdahler Landtag vom 9. Dezember 1580 vorgelegt. Vgl. Staats-A. Hann. Stade
Br.Arch. Des. 5b Fach 92 Nr. 14. 77 Stade Br. Arch. Des. 5b Fach 136 Nr. 118.
77a Das letzte der Schreiben, die sich mit der Revision der Polizeiordnung befassen, stammt aus dem Jahr 1587, also
aus einer Zeit, zu der der Erzbischof Heinrich nicht mehr am Leben war. — Im zweiten Exemplar der Polizei-
ordnung sind u. a. die die kirchlichen Belange berührenden Stücke einer starken Korrektur unterzogen worden,
wobei die Bekenntnis und Kirchenordnung behandelnden Teile gestrichen sind — vielleicht auf die Einsprüche des
damals sich dem strengen Calvinismus zuwendenden Bremen hin. — Aus den Landtagsprotokollen geht hervor,
daß die Stände, nachdem ihnen die Polizeiordnung am 9. Dezember 1580 vorgelegt war, eine Kommission mit der
Beratung über die Polizeiordnung beauftragt haben; auf dem Basdahler Landtag vom 15. März 1581 ist nochmals
die Rede davon. Doch scheint man damals zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen zu sein; ein Teil der Stände
unter Führung Bremens war mit der Polizeiordnung jedenfalls nicht einverstanden. Vgl. Staats-A. Hann. Stade
Br. Arch. Des. 5b Fach 92 Nr. 14.
78 Als Visitatoren werden Peter Rodebart, Albert Coch und Bernhard Taschen angegeben.
79 Vgl. J. H. Pratje, Herzogthümer Bremen und Verden II, 145.
80 So auch E. G.Wolters, Kirchenvisitation, 73; ders., Ertrag, 65; J.M. Reu I, 3, 1, 2, 807*.
81 Zu Geversdorf und Lamstedt: Stade Br. Arch. Des. 5b Fach 39 Nr. 27b; die Akte unter Stade Br. Arch. Des. 5b
Fach 188 Nr. 62, betr. die Visitation in Geversdorf, ist verloren; zu Lunsen: Celle Br. Arch. Des. 22 Varia Nr. 220
VII, Bl. 87.
82 Herzogthümer Bremen und Verden II, 147-184.
83 Vgl. auch G.Wolters, Reformationsjahrhundert, 68.
84 Vgl. J. H. Pratje, Altes und Neues V, 89ff.; P. v. Kobbe II, 221; W. Merz, 197ff.
85 Heinrich war besonders durch seine unsichere Position im teilweise katholischen Stift Osnabrück — vor allem hielt
das dortige Domkapitel am Katholizismus fest -, wollte er sich dort behaupten, zur Vorsicht genötigt (entsprechend
dem Geistlichen Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens von 1555 sollte ein sich von der alten Religion abkeh-
render Erzbischof, Bischof usw. sein kirchliches Amt und sein Reichslehen verlieren; Ausgabe K. Brandi 2.
1927. 40ff.; dazu J. Heckel, RGG 3 1, 737). Zu den Osnabrücker Verhältnissen vgl. unten S. 211jf.
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Unterschrift und Siegel. Das erste Exemplar ist sauber geschrieben; das zweite enthält zahlreiche Strei-
chungen und unsaubere Korrekturen, die deutlich jüngeren Ursprungs sind, und stellt offenbar den Ver-
such einer Revision dar, um die man sich, wie sich aus einigen in derselben Akte aufbewahrten Schrift-
stücken ergibt, noch jahrelang bemühte 77a. Die Ordnung dürfte in der Erstfassung verbreitet worden
- die Akte enthält auch noch ein ebenfalls sauber geschriebenes Fragment - und, obwohl sie anscheinend
Entwurf geblieben ist, für weite Teile des Erzstifts richtungweisend geworden sein. Wir drucken einen
Auszug: Text Nr. 2.
Im Zusammenhang mit der Aufstellung der Polizeiordnung dürften die Kirchenvisitationen der fol-
genden Jahre in der Dompropstei zu sehen sein, durch die das lutherische Kirchenwesen gefestigt und
erkundet werden sollte, ob das Land von den in der Polizeiordnung verbotenen Sekten, vom Calvinismus
und vom Kryptocalvinismus rein sei. Der Dompropst Friedrich von Lauenburg (1571-1586), ein Bruder
des Erzbischofs, ließ nämlich 1581, 1582 und 1583 in den Kirchen seines Sprengels Visitationen ab-
halten 78, deren Protokolle Pratje in einer Handschrift vorgelegen haben mit dem Titel: „Visitations-
buch etzlicher tumprobsteykirchen sub praeposito Friderico, Saxoniae duce, ao. 1581 et 1582 et 1583.
E bibliotheca dni avi Roberti Haken, possideo Christian Albert Hake. Brem. 1706“ 79. Die Handschrift
ist jetzt leider nicht mehr aufzufinden 80. In den Akten des Staatsarchivs Hannover sind nur einige,
wenige Sätze umfassende Extrakte aus dem Visitationsbuch enthalten, betr. Geversdorf, Lamstedt und
Lunsen 81. Wir sind also auf die von Pratje 82 veröffentlichten Auszüge aus den Protokollen angewie-
sen. Er erwähnt auch „Articuli visitationis“, die er jedoch nicht mitteilt. - Die Visitation ergab, daß
das Land rein war von Ketzerei und Kryptocalvinismus 83.
Das Land war weithin lutherisch. Aber die Konkordienformel wurde von Erzbischof Heinrich nicht
anerkannt und auch von den Pfarrern seines Landes nicht unterschrieben. Vielleicht stand Heinrich
unter dem Einfiuß seines Vaters, Franz’ I. von Lauenburg, der unter der Einwirkung des Superinten-
denten Baring das Konkordienwerk in Lauenburg eine Zeitlang hinderte 84. Andererseits paßt es zu Hein-
richs vorsichtiger Kirchenpolitik, ein so öffentliches Bekenntnis zur ev. Lehre überhaupt zu vermeiden 85.
und den Ständen bereits auf dem Basdahler Landtag vom 9. Dezember 1580 vorgelegt. Vgl. Staats-A. Hann. Stade
Br.Arch. Des. 5b Fach 92 Nr. 14. 77 Stade Br. Arch. Des. 5b Fach 136 Nr. 118.
77a Das letzte der Schreiben, die sich mit der Revision der Polizeiordnung befassen, stammt aus dem Jahr 1587, also
aus einer Zeit, zu der der Erzbischof Heinrich nicht mehr am Leben war. — Im zweiten Exemplar der Polizei-
ordnung sind u. a. die die kirchlichen Belange berührenden Stücke einer starken Korrektur unterzogen worden,
wobei die Bekenntnis und Kirchenordnung behandelnden Teile gestrichen sind — vielleicht auf die Einsprüche des
damals sich dem strengen Calvinismus zuwendenden Bremen hin. — Aus den Landtagsprotokollen geht hervor,
daß die Stände, nachdem ihnen die Polizeiordnung am 9. Dezember 1580 vorgelegt war, eine Kommission mit der
Beratung über die Polizeiordnung beauftragt haben; auf dem Basdahler Landtag vom 15. März 1581 ist nochmals
die Rede davon. Doch scheint man damals zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen zu sein; ein Teil der Stände
unter Führung Bremens war mit der Polizeiordnung jedenfalls nicht einverstanden. Vgl. Staats-A. Hann. Stade
Br. Arch. Des. 5b Fach 92 Nr. 14.
78 Als Visitatoren werden Peter Rodebart, Albert Coch und Bernhard Taschen angegeben.
79 Vgl. J. H. Pratje, Herzogthümer Bremen und Verden II, 145.
80 So auch E. G.Wolters, Kirchenvisitation, 73; ders., Ertrag, 65; J.M. Reu I, 3, 1, 2, 807*.
81 Zu Geversdorf und Lamstedt: Stade Br. Arch. Des. 5b Fach 39 Nr. 27b; die Akte unter Stade Br. Arch. Des. 5b
Fach 188 Nr. 62, betr. die Visitation in Geversdorf, ist verloren; zu Lunsen: Celle Br. Arch. Des. 22 Varia Nr. 220
VII, Bl. 87.
82 Herzogthümer Bremen und Verden II, 147-184.
83 Vgl. auch G.Wolters, Reformationsjahrhundert, 68.
84 Vgl. J. H. Pratje, Altes und Neues V, 89ff.; P. v. Kobbe II, 221; W. Merz, 197ff.
85 Heinrich war besonders durch seine unsichere Position im teilweise katholischen Stift Osnabrück — vor allem hielt
das dortige Domkapitel am Katholizismus fest -, wollte er sich dort behaupten, zur Vorsicht genötigt (entsprechend
dem Geistlichen Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens von 1555 sollte ein sich von der alten Religion abkeh-
render Erzbischof, Bischof usw. sein kirchliches Amt und sein Reichslehen verlieren; Ausgabe K. Brandi 2.
1927. 40ff.; dazu J. Heckel, RGG 3 1, 737). Zu den Osnabrücker Verhältnissen vgl. unten S. 211jf.
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