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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0046
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befindet sich ebenfalls im Staatsarchiv Hannover 95. Protokolle von dieser Visitation konnten jedoch nicht
ausfindig gemacht werden 96. Die Anordnung: Text Nr. 6.

Erzbischof Johann Friedrich nahm sich besonders der Rechtspflege an9 7. Er ließ eine neue Kanzlei-
ordnuncg für das Justizwesen ausarbeiten, die nach 1607, vermutlich ca. 1616 anzusetzen ist 98.
Im Anschluß an diese Kanzleiordnung dürfte die Konsistorialordnung entstanden sein 98a, die sich in zwei
handschriftlichen Exemplaren, die jedoch beide weder datiert noch besiegelt noch unterschrieben sind, im
Staatsarchiv Hannover 99 befindet. Das zweite Exemplar enthält mehrere Korrekturen, die im ersten Ex-
emplar in den Text genommen sind. Stück 2 ist also vermutlich das Konzept, Stück 1 die Reinschrift.
Unwahrscheinlich ist es, daß die Ordnung vom Erzbischof bestätigt wurde 1. Auch ist die Existenz eines
Konsistoriums im Erzstift Bremen vor Errichtung des schwedisch-königlichen Konsistoriums 1651 nir-
gends bezeugt 2 *. Pratje schreibt 3, daß in erzbischöflicher Zeit die Appellationen in geistlichen Gerichts-
sachen an die Kanzlei gingen. Ein undatiertes Mandat des Erzbischofs Friedrich, betreffend die Abstel-
lung der Mißbräuche bei den Kopulationen, das sich mehrfach, handschriftlich und gedruckt, im Staats-
archiv Hannover 4 befindet, bestätigt das. Dort heißt es, daß der Erzbischof aus verschiedenen Suppli-
kationen, die bei der Regierungskanzlei eingereicht seien, aus „an derselben, als anstat unsers consi-
storii, gerichtlich schwebenden ehesachen“ usw. über die Art der Kopulationen informiert sei. Die Kanzlei
vertrat also gleichzeitig das Konsistorium und wurde vom Landesherrn auch als stellvertretendes Kon-
sistorium betrachtet. Möglich bleibt es dabei, daß man sich innerhalb der Kanzlei in beschränktem Um-
fange doch nach der Ordnung Johann Friedrichs richtete, zumal die Ordnung Konsistorialsitzungen
unter Leitung des Kanzlers und unter Beteiligung noch weiterer politischer Räte vorsah. Die Aufgabe

95 Stade Br.Arch. Des. 5b Fach 186 Nr. 7. 96 So auch E. G.Wolters, Kirchenvisitation, 73.

97 Er veranlaßte auch die schriftliche Festlegung des Wurster Landrechts, gedruckt bei F. E. v. Pufendorf, Obser-

vationes juris universi I. 1744, Appendix II.

98 Gedruckt bei F. A. v. Ende-A . L. Jacobi, 32ff.; zur Datierung (nach 1607) ebd. 30. Vgl. P. v. Kobbe I, 261f.;
F.W.Wiedemann II, 215. — Bei Ende-Jacobi ist kein Fundort für die Kanzleiordnung angegeben; doch be-
findet sich ein ebenfalls undatiertes handschriftliches Exemplar im Staats.-A. Hann.: Stade Br.Arch.Des. 5b
Fach 128 Nr. 6, Bl. 1-25, ein weiteres, ebenfalls undatiert, im Staats-A. Bremen: Z. 5. a. Vermutlich ist diese
Kanzleiordnung vor dem 4. Juli 1616 aufgestellt; denn die Gravamina der Stände, die auf dem Landtag zu Basdahl
dieses Tages übergeben wurden, enthalten eine Beschwerde darüber, „daß eine neue kanzley- und policeyordnung
wider das herkommen ohne zuziehung gemeiner stende uffgerichtet“ sei; vgl. Staats-A. Hann. Stade Br. Arch. Des.
5b Fach 96 Nr. 28 Bd. II, Bl. 89v; auch ebd. Fach 96 Nr. 28 Bd. I. Auf dem Basdahler Landtag vom 13. Mai
1617 war die Kanzleiordnung nochmals Gegenstand der Verhandlung; vgl. ebd. Fach 96 Nr. 28 Bd. II, Bl. 229r.
Daraus erklärt es sich wohl, daß eine zweite Abschrift der Kanzleiordnung im Staats-A. Bremen (Z. 2. b. 5.,

S. 649-694) mit der Jahreszahl 1617 versehen ist. — 1619 wurde die Kanzleiordnung, nachdem das Bedenken
der Stände eingeholt war, in revidierter Form erneuert; vgl. Staats-A. Hann. aaO. Fach 128 Nr. 15a, Bl. 1-15.
17—19. — Auch Johann Friedrichs Vorgänger hatte eine Kanzleiordnung erlassen; vgl. Johann Adolfs Kanzlei-
ordnunq vom 22. November 1593, die sich wiederum auf eine ältere Ordnung bezieht, im Staats-A. Bremen: Z. 2.
b. 5., S. 613-648.

98a Daß die Konsistorialordnung die Kanzleiordnung voraussetzt, geht aus mehreren Stellen der Konsistorialordnung
deutlich hervor. Auf einen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang deuten auch die angeführten Gravamina der
Stände von 1616. Darin wird nämlich auch Beschwerde darüber erhoben, daß „die gewonliche formb des erzbischoff-
lichen regiments mit verordnung kanzlar und räte sei und werde alterirt“, „underschiedliche räte oder consilia ge-
macht, alß kammer- und geheime räte“; vgl. aaO.Fach 96 Nr. 28 Bd.II, Bl. 91. Damit im Zusammenhang
dürfte eine Verordnung des Erzbischofs stehen, in der vorgesehen ist, eine Teilung des „regiments“ in drei „col-
legia“ oder „consilia“, einen Kanzleirat, ein Konsistorium und einen Kammerrat vorzunehmen, wobei auch ent-
sprechende, bereits verfaßte Spezialordnungen erwähnt werden. In der abschriftlich mitgeteilten Verordnung fehlt
jeglicher Hinweis auf eine Schlußausfertigung des Erzbischofs; von anderer Hand ist dann die Jahreszahl 1618
hinzugesetzt. Vgl. ebd. Fach 128 Nr. 15a, Bl. 80-82. Auf dem erwähnten Landtag vom 13. Mai 1617 ließ der Erz-
bischof den Ständen sagen, er begehre keine Änderung der Regierung im Erzstift, sondern es bei dem alten Her-
kommen zu lassen; vgl. ebd.Fach 96 Nr. 28 Bd. II, Bl. 232v.

99 Stade Br. Arch. Des. 5b Fach 186 Nr. 2. Vgl. die kurze Beschreibung der Konsistorialordnung bei E. G. Wolters,

Konsistorium. 1 Vgl. auch E. G.Wolters, Konsistorium, 225; ders., Kirchenvisitation, 72.

2 Vgl. J. H. Pratje, Altes und Neues V, 31; P. v. Kobbe I, 316f.; E. G.Wolters, Konsistorium, 223.

3 AaO. Vgl. auch P. v. Kobbe I, 316f. 4 Stade Br. Arch. Des. 5b Fach 186 Nr. 3 und 4.

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