Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0054
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erzstift Bremen

ter ordnung und die arme leute nach ahnzal und
vermögen eines jeden hauses darinne erhalten wer-
den 27.

Und die arme leute, so in den hospitaln und
armenleuteheusern nicht konnen erhalten werden,
oder do derselbigen heuser nicht sein, die soll ein
jede gemein in stedten, flecken und kaspeln 28 selbst
und also eine jede gemein ihre armen erhalten und
nicht gestatten, das sie in andere stedten, flecken
oder kaspeln bettlen gehen. Do es aber geschehe,
sollen sie auß- und wider in ihre stadt, flecken oder
kaspels gewiesen werden.

Eß were dan, das an einem ort der armen so viel
weren, das sie die gemeine desselbigen orts nicht
alle ernehren oder erhalten könte, so soll der drost,
ambtman, radt, vogt oder richter desselbigen orts
nach notturftiger erkundigung denen, so nicht mö-
gen erhalten werden, versiegelte offen prief und
schein geben, damit sie das almusen mögen weiter
suchen 29.

Eß soll aber durch die oberkeit und bevelichaber
eines jeden orts vleissig und ernstlich einsehen ge-
schehen, das niemand zu bettlen gestattet werde,
ehr sei dan mit schwacheit oder gebrechen seines
leibes beladen und hab es vonnöten 30. Und soll
durch die oberkeit den armen, die das almusen
samblen, zeichen gegeben werden, die sie an ihren
röcken und mantelen tragen sollen, damit zu sehen,
das sie es bedurfen, und die leute desto williger sein,
ihnen zu geben 31.

Es sollen auch der armen kinder, sobalt sie ihr
brott zu vordienen geschickt sein, von ihren eltern
genommen und zu dienste oder handwerken getan

chenden der Lüneburger Polizeiordnung von 1564
(Bl. A IIIv-B Ir) überein, bes. landesbedingte Dif-
ferenzen (u. a.Verschiedenheit des Beamtenkörpers).
Zum Armenwesen in der Dompropstei vgl. die Pro-
tokolle der Visitationen von 1581/83 (J. H. Pratje,
Herzogthümer Bremen und Verden II, 143ff.) und
1588 (E. G.Wolters, Kirchenvisitation, 75ff.); auch
Wolters, Ertrag, 77f. Über das Armenwesen
in Wursten berichtet R.Wiebalck, Kirche Wur-
stens, 121 f. Ein Armenhaus wurde erst 1650 in Do-
rum gebaut. Zu Bremervörde vgl. unten S. 26 mit
Anm. 10, zu den Städten unten die entsprechenden
Abschnitte dieses Bandes.

27 Reichspolizeiordnung von 1577, Tit. XXVII, § 2:...
ein jede obrigkeit soll auch an orten, da spitäl seyn,

werden, damit sie dem bettlen nicht zu lang an-
hangen 32.

Dieweil dan eine jede gemein mit ihren armen ge-
nueg zu tuen hat und dan auch in der kay. und des
heiligen reichs policeyordnung versehen ist, das
man keinem frembden gestatten soll zu bettlen, zu-
dem die erfahrung gibt, das zu zeiten durch frembde
bettler allerlei unheil angerichtet wird, so wollen
wir und gepieten, das hinfuro kein frembder betler
in unserrn erzstift gelitten, sondern, wo einer an-
getroffen wird, soll ihm gesagt werden, das ehr sich
alsobalt ausser unserm erzstift an die ört, do ehr
zu hause gehöret oder herkomen ist, begebe; dan
so ehr sich darüber wurde bedretten lassen, so werde
ehr gestraffet werden.

So dan ein frembder bettler über solche warnung
hie im erzstift umgehen wurde, so soll ehr gefeng-
lich eingezogen und des landes verwiesen werden.
Do ehr dan über solchs abermalß in unserm erz-
stift begriffen wurde, soll ehr an seinem leibe ge-
strafft werden.

Hiemit sollen aber die frembde arme schüler in
den stedten nicht gemeint sein. Es sollen aber bur-
germeister und rete an einem jeden ort bei den
schulmeistern 33 erkundigen, ob die frembde arme
schüler studieren und zu studieren geschickt sein.
Und do solchs bei ihnen nicht befunden, so sollen
sie auch nach ihrer landart zu ziehen gewiesen wer-
den.

Eß mögen auch in der stedte armenheuser und
spital wol von den dörfern und auß andern gemei-
nen unsers erzstifts arme leute eingenommen wer-
den. Sonderlich auch sollen die aussetzigen im

daran und darob seyn, daß solche spitäl fleißig unter-
halten und gehandhabt... (aaO. 393).

28 = Kirchspielen; vgl. Schiller und Lübben II, 451.

29 Zu den vorangegangenen beiden Abschnitten vgl.
die entsprechende Weisung der Reichspolizeiordnung
von 1577, Tit. XXVII, § 1 (aaO. 393).

30 Vgl. ebd.

31 Vgl. Wolfenbüttler KO von 1569, Sehling VI, 1, 264.

32 Entsprechend der Reichspolizeiordnung von 1577,
Tit. XXVII, § 1 (aaO. 393). Vgl. auch Ostfries. Poli-
zeiordnung von 1545, unten S. 400; Wolfenbüttler
KO von 1569, Sehling VI, 1, 269.

33 Zum Schulwesen im Erzstift vgl. unten S. 33,
Anm. 3, im übrigen die entsprechenden Abschnitte
in den Einleitungen zu den KOO der Städte.

22
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften