4. Unsere, eines erwirdigen bremischen tumbcapittels, erneuerte ordenung, wie es
im flecken Vorde hinfüro mit den hochzeiten, kindelbieren und kirchgengen soll
gehalten werden etc.
Anno 1587
am tage Estomihi, den 26. Februarii, von der kanzel offentlich der gemeine publiciret
und abgelesen 1.
[Vorrede]
Wir, tumbdechant, senior und capittul der kir-
chen zu Bremen 2, empieten denn semptlichen ein-
gesessenen des fleckes Vorde unseren gunstigen wil-
len und fuegen euch hirmit zu wissen: Obwoll wei-
land der hochwirdigster, durchleuchtiger, hoch-
geborner furst und herr, herr Heinrich, postulirter
erzbischoff zu Bremen, administrator der stifter
Oßnabrug und Paderborn, herzog zu Sachssen,
Engern und Westphalen etc., hochloblicher, christ-
milder gedechtnus, des verschienen zweyundacht-
zigsten jares am sechßzehenden Augusti Gott dem
almechtigen zu lob, preis und ehre und euch alle
semptlich zu eurem sonderbarlichen nutz und ge-
deilichem aufnehmen eine kirchenordenung 3 aus
gnaden aufs papir setzen und publiciren lassen, in
wellicher S. F. G., seliger gedechtnus, vornemblich
constituiret, christlich und wol geordenet, wie eß
mit den verlubdnussen, hochzeittagen, kindelbiren,
kirchgengen und gastereien nach gehaltenen be-
1 Druckvorlage: Handschriftliches Original aus dem
Staats-A. Hann.: Stade Br. Arch. Des. 5 b Fach 186
Nr. 6, Bl. 1 (Überschrift) und Bl. 6-11 (Bl. 2-5 ent-
halten das Konzept der Ordnung).
2 Zur Regierung des Domkapitels vgl. Einleitung, oben
S. 5. 13. — Domdechant war zu der Zeit Otto von
Düring, als solcher 1585 (vgl. J. H. Pratje, Altes
und Neues IX, 148), 1586 (vgl. JbMM 40 [1959], 69f.
72. 78), 1587, 1588 genannt. Er war auch Propst zu
St. Stephani, als solcher 1570 genannt, zu St. Wille-
had und des Klosters Lilienthal, als Klosterpropst
um 1570 bezeugt. † 6. Januar 1598 im Alter von
66 Jahren, begraben im Dom zu Bremen. Vgl.
L. Mushard, Bremisch-Verdischer Ritter-Sahl.
1720, 209; J. M. Lappenberg, 205; K. Lilien-
thal, 34. 47f. - Senior war Ortgies Schulte, als sol-
cher 1585 genannt (vgl. Pratje, aaO.). 1601 wird
er außerdem als Domscholaster, Propst von Hadeln-
Wursten und des Klosters Osterholz bezeichnet.
Zum Propst von Osterholz war er schon 1581 gewählt
worden (vgl. JbMM 22 [1924/26], 127f.).
3 Vgl. oben Text Nr. 3
4 = verwüsten, ältere Nebenform zu dem üblicheren
„verheeren“; vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch
grebnussen eine ordenung, masse und weise haben
solle, daß wir doch in glaubwirdige erfahrunge kom-
men, auch selbst gesehen und sonsten in der tat
befunden, wellicher gestalt eurer einßteils sollicher
gnedigster wollgemeinten ordenunge und satzunge
nicht allein weinig achten und dieselbige mudtwil-
ligerweise vorsetzlich uberschreiten, sondern euch
selbst untereinander zu grossem, merklichem nach-
teil, unwidderbrenglichem schaden und grund-
lichen verterben mit stadtlichen und unnotigen
hochzeiten, kindelbieren, kirchgengen, auch be-
grebnußgastereyen etc., und was dessen mehr ist,
der reiche den armen, der armer den reichen zu
grund aussaugen, verhergen 4 und verterben.
Wan aber von keiser, chur- und fursten, auch
anderen stenden des heiligen romischen reiches
teutscher nation auf dem anno etc. 1530 zu Augß-
purgk gehaltenen reichßtagk 5 und auch sonsten
in anderen wolbestalten regimenten 6 solliche uber-
XII, 1 (1956), 562f.
5 Vgl. Tit. XXIII der auf dem Reichstag zu Augsburg
1530 verabschiedeten Reichspolizeiordnung: Von
übrigen kosten der hochzeit, kindertauf und begräb-
nüssen. Nachdem auch mit gastungen und schen-
kungen zu hochzeiten, hingaben, kindtaufen, kind-
betten, faßnacht und den begräbnüssen, kirchweihen
viel übrigs unkostens gemacht wird, welches zu merk-
lichem nachteil gemeines nutzens je länger je mehr
beschwerlich erwächset und zunimmt: damit aber
solches desto füglicher und baß abgestellt und gebes-
sert werden mög, so ordnen, setzen und wöllen wir,
hiemit ernstlich gebietend, daß ein jeder in seinem
fürstentum, graffschaft, herrschaft, oberkeit und ge-
biet die obgemeldte kosten der hochzeiten, erster
meß, kindtauf, kindbett und kirchmessen abstelle,
auch denselbigen eine ziemliche gute ordnung mache,
und daß solches alles mit darauf gesetzten bussen und
straffen unnachläßlich gehandhabt werde (Koch-
Senckenberg, aaO. 2. Th., 340). Dazu Reichs-
polizeiordnung, Augsburg 1548, Tit. XV (aaO. 595f.)
und Reichspolizeiordnung, Frankfurt 1577, Tit. XV
(aaO. Th. 3, 385f.).
6 Vgl. die diesbezüglichen Verweise zu Text Nr. 2 oben.
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im flecken Vorde hinfüro mit den hochzeiten, kindelbieren und kirchgengen soll
gehalten werden etc.
Anno 1587
am tage Estomihi, den 26. Februarii, von der kanzel offentlich der gemeine publiciret
und abgelesen 1.
[Vorrede]
Wir, tumbdechant, senior und capittul der kir-
chen zu Bremen 2, empieten denn semptlichen ein-
gesessenen des fleckes Vorde unseren gunstigen wil-
len und fuegen euch hirmit zu wissen: Obwoll wei-
land der hochwirdigster, durchleuchtiger, hoch-
geborner furst und herr, herr Heinrich, postulirter
erzbischoff zu Bremen, administrator der stifter
Oßnabrug und Paderborn, herzog zu Sachssen,
Engern und Westphalen etc., hochloblicher, christ-
milder gedechtnus, des verschienen zweyundacht-
zigsten jares am sechßzehenden Augusti Gott dem
almechtigen zu lob, preis und ehre und euch alle
semptlich zu eurem sonderbarlichen nutz und ge-
deilichem aufnehmen eine kirchenordenung 3 aus
gnaden aufs papir setzen und publiciren lassen, in
wellicher S. F. G., seliger gedechtnus, vornemblich
constituiret, christlich und wol geordenet, wie eß
mit den verlubdnussen, hochzeittagen, kindelbiren,
kirchgengen und gastereien nach gehaltenen be-
1 Druckvorlage: Handschriftliches Original aus dem
Staats-A. Hann.: Stade Br. Arch. Des. 5 b Fach 186
Nr. 6, Bl. 1 (Überschrift) und Bl. 6-11 (Bl. 2-5 ent-
halten das Konzept der Ordnung).
2 Zur Regierung des Domkapitels vgl. Einleitung, oben
S. 5. 13. — Domdechant war zu der Zeit Otto von
Düring, als solcher 1585 (vgl. J. H. Pratje, Altes
und Neues IX, 148), 1586 (vgl. JbMM 40 [1959], 69f.
72. 78), 1587, 1588 genannt. Er war auch Propst zu
St. Stephani, als solcher 1570 genannt, zu St. Wille-
had und des Klosters Lilienthal, als Klosterpropst
um 1570 bezeugt. † 6. Januar 1598 im Alter von
66 Jahren, begraben im Dom zu Bremen. Vgl.
L. Mushard, Bremisch-Verdischer Ritter-Sahl.
1720, 209; J. M. Lappenberg, 205; K. Lilien-
thal, 34. 47f. - Senior war Ortgies Schulte, als sol-
cher 1585 genannt (vgl. Pratje, aaO.). 1601 wird
er außerdem als Domscholaster, Propst von Hadeln-
Wursten und des Klosters Osterholz bezeichnet.
Zum Propst von Osterholz war er schon 1581 gewählt
worden (vgl. JbMM 22 [1924/26], 127f.).
3 Vgl. oben Text Nr. 3
4 = verwüsten, ältere Nebenform zu dem üblicheren
„verheeren“; vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch
grebnussen eine ordenung, masse und weise haben
solle, daß wir doch in glaubwirdige erfahrunge kom-
men, auch selbst gesehen und sonsten in der tat
befunden, wellicher gestalt eurer einßteils sollicher
gnedigster wollgemeinten ordenunge und satzunge
nicht allein weinig achten und dieselbige mudtwil-
ligerweise vorsetzlich uberschreiten, sondern euch
selbst untereinander zu grossem, merklichem nach-
teil, unwidderbrenglichem schaden und grund-
lichen verterben mit stadtlichen und unnotigen
hochzeiten, kindelbieren, kirchgengen, auch be-
grebnußgastereyen etc., und was dessen mehr ist,
der reiche den armen, der armer den reichen zu
grund aussaugen, verhergen 4 und verterben.
Wan aber von keiser, chur- und fursten, auch
anderen stenden des heiligen romischen reiches
teutscher nation auf dem anno etc. 1530 zu Augß-
purgk gehaltenen reichßtagk 5 und auch sonsten
in anderen wolbestalten regimenten 6 solliche uber-
XII, 1 (1956), 562f.
5 Vgl. Tit. XXIII der auf dem Reichstag zu Augsburg
1530 verabschiedeten Reichspolizeiordnung: Von
übrigen kosten der hochzeit, kindertauf und begräb-
nüssen. Nachdem auch mit gastungen und schen-
kungen zu hochzeiten, hingaben, kindtaufen, kind-
betten, faßnacht und den begräbnüssen, kirchweihen
viel übrigs unkostens gemacht wird, welches zu merk-
lichem nachteil gemeines nutzens je länger je mehr
beschwerlich erwächset und zunimmt: damit aber
solches desto füglicher und baß abgestellt und gebes-
sert werden mög, so ordnen, setzen und wöllen wir,
hiemit ernstlich gebietend, daß ein jeder in seinem
fürstentum, graffschaft, herrschaft, oberkeit und ge-
biet die obgemeldte kosten der hochzeiten, erster
meß, kindtauf, kindbett und kirchmessen abstelle,
auch denselbigen eine ziemliche gute ordnung mache,
und daß solches alles mit darauf gesetzten bussen und
straffen unnachläßlich gehandhabt werde (Koch-
Senckenberg, aaO. 2. Th., 340). Dazu Reichs-
polizeiordnung, Augsburg 1548, Tit. XV (aaO. 595f.)
und Reichspolizeiordnung, Frankfurt 1577, Tit. XV
(aaO. Th. 3, 385f.).
6 Vgl. die diesbezüglichen Verweise zu Text Nr. 2 oben.
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