diger 26. Zusammen mit ihren Landsleuten in Hamburg bildeten sie eine kirchliche Gemeinschaft unter
einem Konsistorium und befolgten ihre niederländische KO 27. Auf diese Weise waren in Stade zwei
reformierte Gemeinden, getragen von angesehenen Leuten, denen die Stadt zu größter Gastfreundschaft ver-
pflichtet war. Dieser Entwicklung entsprachen die Verhältnisse am 1588 28, wohl auch im Hinblick auf
die fremden Gäste, eröffneten akademischen Gymnasium, das bald internationalen Ruhm erlangte und
Lehrer und Schüler aus den verschiedensten Ländern anzog. Der erste Rektor war der des Calvinismus'
beschuldigte Reiner Lange, ein gebürtiger Bremer 29. 1594/95 folgte ihm Otto Casmann aus Warburg,
der vorher Professor der Philosophie am reformierten Gymnasium in Schüttorf bzw. Burgsteinfurt, wo-
hin die Schule 1591 verlegt wurde, gewesen war 30 und eine von der Philosophie des Petrus Ramus be-
einflußte Lehrauffassung vertrat 31. Der im Gymnasium herrschende interkonfessionelle Geist wirkte un-
mittelbar auf die kirchliche Predigt in Stade ein, da die Lehrer des Gymnasiums oft gleichzeitig oder
später ein Predigtamt verwalteten. So wurde Casmann 1601 2.Prediger an der Wilhadikirche. Der Abt
des Marienklosters übertrug ihm auch die Nachmittagspredigten in der Marienkirche 32.
Daneben standen die Bemühungen einiger lutherischer Ratsherren und Prediger um die Wieder-
herstellung der lutherischen Predigt. 1596 oder 1598 berief man den lutherischen Mag. Peter Bar-
tholdi ins Stader geistliche Ministerium, in welchem seine Stellung als Superintendent jedoch nicht ganz
eindeutig ist. Am 30. Oktober 1600 wurden auf dem Rathaus Verhandlungen mit dem Ministerium ge-
führt und beschlossen, daß der Senior Osias Cordes, vermutlich zur Festlegung des lutherischen Bekennt-
nisses, Artikel aufstellen sollte, die die Prediger gehalten sein sollten zu unterschreiben. Die Artikel
kamen auch tatsächlich zustande und wurden unterschrieben, ob von allen Predigern, ist freilich nicht
zu sagen. Schon Pratje konnte sie nicht mehr auffinden. Die Herrschaft des Kryptocalvinismus’ und
die Begünstigung der reformierten Fremdlinge, die Stade 1601 den Verlust der Mitgliedschaft in der
Hanse eintrug, vermochten die Artikel damals auch nicht zu brechen. Vielmehr erhielt die kryptocalvi-
nistische Richtung 1602 nach dem Tod von Bartholdi und Cordes sowie 1605, als Reiner Lange Bürger-
meister wurde, neuen Auftrieb. Erst nachdem die englische Kompanie 1612 endgültig nach Hamburg,
wo sich ihr doch günstigere Handelsbedingungen boten, abgezogen war, und die Niederländer nach und
nach größtenteils nach Hamburg und Altona abwanderten -1619 wurde die niederländische Gemeinde in
Stade ganz aufgelöst - hatten die Bemühungen der Lutheraner Erfolg. Ca. 1618 traten die Stader Prediger
in eine Freundschaftsunion und verpflichteten sich in einigen Artikeln, an den symbolischen Schriften
der lutherischen Kirche festzuhalten und zu verhindern, daß jemand, der sie nicht unterschrieb, ins
26 Moreau wirkte bis 1589 in Stade, danach Johann Bollius; vgl. J. H. Pratje, Altes und Neues II, 232ff.; auch
F.W.Wiedemann II, 190f.; D.Mahnke, Religiöse Duldung, 14f.; bes. C. H.W. Sillem, 8f. 11f.
27 Die KO ist bei J. H. Pratje, Altes und Neues II, 264-286, abgedruckt. Der Titel lautet (nach Pratje): L’ordre
ecclesiastique des eglises reformees des pais bas tant de l’une que de l’autre langue, conclu au synode national con-
vocqué par monseign. le conte de Lyncestre [ = Leycester] gouverneur general, a la Hage le 30. [!] de Juin styl.
nouveau 1586. - Das in Stade benutzte Exemplar trug am Schluß den Vermerk: Copié a Staden l’an de grace 1588.
12. 21. par P. M[oreau]. Qu’a la gloire de Dieu soit et bon gouvernement de son eglise. Amen. (Vgl. dazu F. L. Rut-
gers, Acta van de Nederlandsche Synoden der zestiende eeuw. ’S Gravenhage 1889, 481ff.; J.Reitsma - J.Linde-
boom, Geschiedenis van de Hervorming en de Hervormde Kerk der Nederlanden 5. ’S-Gravenhage 1949, 155ff.) -
Zum inneren Ausbau der Gemeinde vgl. bes. C.H.W .Sillem, 8ff.; einen Quellenhinweis in: Stader Geschichts- und
Heimatverein, Vierteljahrsblätter, 6. Jg. Nr. 1 (Okt. 1929), 4f.
28 Vgl.J. H. Pratje, Stadische Schulgeschichte I, 6; H.Wohltmann, Gymnasium, 11.
29 Vgl. J. H. Pratje, Stadische Schulgeschichte II, 16f.; D.Mahnke, Religiöse Duldung, 16; H.Wohltmann,
Geschichte der Stadt, 125.
30 Vgl.J.H. Pratje, Stadische Schulgeschichte II, 17ff.; D.Mahnke, Casmann, 150f., und Religiöse Duldung,
16ff.; H. Wohltmann,Geschichte der Stadt, 125; H. Pixberg, Der deutsche Calvinismus und die Pädagogik. 1952,
72ff. Casmann nahm in der Theologie einen vermittelnden Standpunkt ein; wichtig war ihm das christliche Leben.
31 Vgl.J.H. Pratje, Stadische Schulgeschichte I, 11. II, 19f.; D.Mahnke, Casmann, öfter; H. Wohltmann
Gymnasium, 12f.; zu Ramus (1515—1572) J.Moltmann, RGG 3 V, 777f.Für R. war Theologie „ars Deo vivendi“.
32 Vgl. J. H. Pratje, Stadische Schulgeschichte II, 18, und Altes und Neues IX, 97; D. Mahnke, Casmann, 156.
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einem Konsistorium und befolgten ihre niederländische KO 27. Auf diese Weise waren in Stade zwei
reformierte Gemeinden, getragen von angesehenen Leuten, denen die Stadt zu größter Gastfreundschaft ver-
pflichtet war. Dieser Entwicklung entsprachen die Verhältnisse am 1588 28, wohl auch im Hinblick auf
die fremden Gäste, eröffneten akademischen Gymnasium, das bald internationalen Ruhm erlangte und
Lehrer und Schüler aus den verschiedensten Ländern anzog. Der erste Rektor war der des Calvinismus'
beschuldigte Reiner Lange, ein gebürtiger Bremer 29. 1594/95 folgte ihm Otto Casmann aus Warburg,
der vorher Professor der Philosophie am reformierten Gymnasium in Schüttorf bzw. Burgsteinfurt, wo-
hin die Schule 1591 verlegt wurde, gewesen war 30 und eine von der Philosophie des Petrus Ramus be-
einflußte Lehrauffassung vertrat 31. Der im Gymnasium herrschende interkonfessionelle Geist wirkte un-
mittelbar auf die kirchliche Predigt in Stade ein, da die Lehrer des Gymnasiums oft gleichzeitig oder
später ein Predigtamt verwalteten. So wurde Casmann 1601 2.Prediger an der Wilhadikirche. Der Abt
des Marienklosters übertrug ihm auch die Nachmittagspredigten in der Marienkirche 32.
Daneben standen die Bemühungen einiger lutherischer Ratsherren und Prediger um die Wieder-
herstellung der lutherischen Predigt. 1596 oder 1598 berief man den lutherischen Mag. Peter Bar-
tholdi ins Stader geistliche Ministerium, in welchem seine Stellung als Superintendent jedoch nicht ganz
eindeutig ist. Am 30. Oktober 1600 wurden auf dem Rathaus Verhandlungen mit dem Ministerium ge-
führt und beschlossen, daß der Senior Osias Cordes, vermutlich zur Festlegung des lutherischen Bekennt-
nisses, Artikel aufstellen sollte, die die Prediger gehalten sein sollten zu unterschreiben. Die Artikel
kamen auch tatsächlich zustande und wurden unterschrieben, ob von allen Predigern, ist freilich nicht
zu sagen. Schon Pratje konnte sie nicht mehr auffinden. Die Herrschaft des Kryptocalvinismus’ und
die Begünstigung der reformierten Fremdlinge, die Stade 1601 den Verlust der Mitgliedschaft in der
Hanse eintrug, vermochten die Artikel damals auch nicht zu brechen. Vielmehr erhielt die kryptocalvi-
nistische Richtung 1602 nach dem Tod von Bartholdi und Cordes sowie 1605, als Reiner Lange Bürger-
meister wurde, neuen Auftrieb. Erst nachdem die englische Kompanie 1612 endgültig nach Hamburg,
wo sich ihr doch günstigere Handelsbedingungen boten, abgezogen war, und die Niederländer nach und
nach größtenteils nach Hamburg und Altona abwanderten -1619 wurde die niederländische Gemeinde in
Stade ganz aufgelöst - hatten die Bemühungen der Lutheraner Erfolg. Ca. 1618 traten die Stader Prediger
in eine Freundschaftsunion und verpflichteten sich in einigen Artikeln, an den symbolischen Schriften
der lutherischen Kirche festzuhalten und zu verhindern, daß jemand, der sie nicht unterschrieb, ins
26 Moreau wirkte bis 1589 in Stade, danach Johann Bollius; vgl. J. H. Pratje, Altes und Neues II, 232ff.; auch
F.W.Wiedemann II, 190f.; D.Mahnke, Religiöse Duldung, 14f.; bes. C. H.W. Sillem, 8f. 11f.
27 Die KO ist bei J. H. Pratje, Altes und Neues II, 264-286, abgedruckt. Der Titel lautet (nach Pratje): L’ordre
ecclesiastique des eglises reformees des pais bas tant de l’une que de l’autre langue, conclu au synode national con-
vocqué par monseign. le conte de Lyncestre [ = Leycester] gouverneur general, a la Hage le 30. [!] de Juin styl.
nouveau 1586. - Das in Stade benutzte Exemplar trug am Schluß den Vermerk: Copié a Staden l’an de grace 1588.
12. 21. par P. M[oreau]. Qu’a la gloire de Dieu soit et bon gouvernement de son eglise. Amen. (Vgl. dazu F. L. Rut-
gers, Acta van de Nederlandsche Synoden der zestiende eeuw. ’S Gravenhage 1889, 481ff.; J.Reitsma - J.Linde-
boom, Geschiedenis van de Hervorming en de Hervormde Kerk der Nederlanden 5. ’S-Gravenhage 1949, 155ff.) -
Zum inneren Ausbau der Gemeinde vgl. bes. C.H.W .Sillem, 8ff.; einen Quellenhinweis in: Stader Geschichts- und
Heimatverein, Vierteljahrsblätter, 6. Jg. Nr. 1 (Okt. 1929), 4f.
28 Vgl.J. H. Pratje, Stadische Schulgeschichte I, 6; H.Wohltmann, Gymnasium, 11.
29 Vgl. J. H. Pratje, Stadische Schulgeschichte II, 16f.; D.Mahnke, Religiöse Duldung, 16; H.Wohltmann,
Geschichte der Stadt, 125.
30 Vgl.J.H. Pratje, Stadische Schulgeschichte II, 17ff.; D.Mahnke, Casmann, 150f., und Religiöse Duldung,
16ff.; H. Wohltmann,Geschichte der Stadt, 125; H. Pixberg, Der deutsche Calvinismus und die Pädagogik. 1952,
72ff. Casmann nahm in der Theologie einen vermittelnden Standpunkt ein; wichtig war ihm das christliche Leben.
31 Vgl.J.H. Pratje, Stadische Schulgeschichte I, 11. II, 19f.; D.Mahnke, Casmann, öfter; H. Wohltmann
Gymnasium, 12f.; zu Ramus (1515—1572) J.Moltmann, RGG 3 V, 777f.Für R. war Theologie „ars Deo vivendi“.
32 Vgl. J. H. Pratje, Stadische Schulgeschichte II, 18, und Altes und Neues IX, 97; D. Mahnke, Casmann, 156.
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