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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0078
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einem der königlichen Regierung übergebenen Verfassungsentwurf 16 und 1746 in einem Rechtsstreit mit
dem königlichen Konsistorium 17 betonte, ließ er auch eine evangelische StadtKO aufstellen. Eine Stader
KO aus dem 16. Jh. ist jedoch nicht bekannt; die älteste überlieferte KO Stades, die nirgends auf eine
noch ältere Bezug nimmt, gehört in das erste Viertel des 17. Jh.s. - 1587 erwarb der Rat vom bremischen
Domkapitel das St. Georgskloster mit Grund und Boden, abgesehen von einem kleinen Stück Land, und
Gerechtigkeiten, damit formal auch den Patronat über die Stadtkirchen 18. Die Klosterschule wurde jetzt
zu einer Gelehrtenschule umgestaltet, in der außer den freien Künsten auch Theologie, Jurisprudenz und
Medizin gelehrt wurden 19. - Auch in die inneren Verhältnisse des Marienklosters griff der Rat ein. 1590
mußten Abt und Konvent in einem Vergleich mit dem Rat versprechen, künftig bessere Zucht und Ord-
nung zu halten 20. - Die Geistlichen der Stadt wurden im geistlichen Ministerium vereinigt, dem im all-
gemeinen der jeweils älteste Pfarrer im Amt als Senior vorstand. Doch hat Stade zeitweise auch einen
Superintendenten gehabt 21, der anscheinend vom Rat berufen wurde.

Besondere Beachtung erfordert die Entwicklung der konfessionellen Verhältnisse in Stade.
Ebenso wie der Erzbischof und das Erzstift nahm auch Stade die Konkordienformel nicht an 22. Der
Grund dürfte in Stade aber, anders als im übrigen Erzstift, hauptsächlich der dort zur Herrschaft ge-
langte sog. Kryptocalvinismus gewesen sein. War diese Herrschaft auch nicht unangefochten 23, so ge-
wann sie doch bald eine große Stütze durch die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. 1587 ließen sich
englische Kaufleute in Stade nieder, dazu veranlaßt u. a. durch die zögernde Haltung Hamburgs in den
Verhandlungen um ein erneuertes englisches Handelsprivileg und seine Unduldsamkeit in bezug auf die
reformierte Religionsausübung 24. Schon vorher (seit etwa 1577) waren fiüchtige Niederländer nach
Stade gezogen, vorwiegend Wallonen, geschäftstüchtige, wohlhabende Leute, die in den folgenden Jahren
noch laufend Zuzug erhielten 25. Die Fremdlinge brachten der Stadt eine bisher noch nie erlebte wirt-
schaftliche Blütezeit. Daher war dem Rat alles daran gelegen, die Fremden in Stade festzuhalten. Den
Engländern wurde die vermutlich eigens zu diesem Zweck erworbene und wiederhergestellte Kirche des
St. Georgsklosters für ihren reformierten Gottesdienst zugewiesen. Die Wallonen erhielten 1588 aus Delft
den Prediger Moreau, damit er ihre kirchlichen Verhältnisse ordne. Sie mieteten sich ein Haus, in dem
sie sich ungehindert zu ihren reformierten Gottesdiensten versammelten, und hatten ihren eigenen Pre-

16 Vgl. J. H. Pratje, Herzogthümer Bremen und Verden I, 354f. Die Folgerungen, die Pratje hier aus dem Ent-
wurf zieht, hat er später widerrufen. Vgl. dazu auch G. Uhlhorn, 259.

17 Vgl. H. Brambach, 30; die Akte im Stadt-A. Stade: K Fach 3 Nr. 1. Brambach, 46, weist auf eine Aufstellung
über die Dotationen der Prediger von 1812 hin (jetzige Sign. im Stadt-A. Stade: K Fach 10 Nr. 1), bei der in
einer Randnotiz im Zusammenhang mit dem Vierzeitenopfer eine KO von 1533 erwähnt wird. Diese späte und ver-
einzelte Nachricht über eine Stader ( ?) KO von 1533 ließ sich sonst nicht erhärten. Ausführlich über das Vier-
zeitenopfer handelt die Bremer KO von 1533/34 (Sehling VII, 2), auch die Hamburger KO von 1529 (Sehling V,
535).

18 Kaufvertrag bei J. H. Pratje, Herzogthümer Bremen und Verden VI, 205-211; dazu H. Brambach, 34.

19 Vgl.J.H. Pratje, Stadische Schulgeschichte I, 7; H.Wohltmann, Gymnasium, 12; ders., Geschichte des Athe-

naeums, 8; ders . Geschichte der Stadt, 126.

20Vgl. Punkt 13 des Vertrages von 1590 bei J. H. Pratje, Altes und Neues IX, 115.

21 Vgl. E.W. G. Schlüter, 74; H. Krause, 155, und in Stader Archiv 6 (1877), 86, Anm.

22 Vgl. J. H. Pratje, Altes und Neues V, 91ff.; G. Merz, 198f.; J. M. Reu I, 3, 1, 2, 808*.

23 C. Schlüsselburg, der 1582 in Stade gewesen war, zählt im Catalogus haereticorum X. 1599, 23f., eine Anzahl
standhafter Lutheraner mit Namen auf. Vgl. auch G. Uhlhorn, 274f., und J. M. Reu I, 3, 1, 2, 809*.

24 Zu den politischen und wirtschaftlichen Hintergründen für die Niederlassung der Engländer in Stade vgl. bes.
F.Willerding; O. Glameyer; H. Leptien, 92—119; H.Wohltmann, Geschichte der Stadt, 110f.; dazu
P. E. Schramm, Kaufleute zu Haus und über See, Hamburgische Zeugnisse des 17., 18. und 19. Jh.s. 1949,
23-55, und den Bericht über die Akten zur Geschichte der Merchants Adventurers von E. Weise. — Das Stader
Handelsprivileg für die Engländer vom 28. September 1587 ist abgedruckt bei H. Leptien, 177-197. In Art. 14
gestattet es den Engländern freie Religionsausübung; dazu vgl. D. Mahnke, Religiöse Duldung.

25 Vgl. H.Wohltmann, Geschichte des Athenaeums, 7f., und Geschichte der Stadt, 109f.

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