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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0179
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Kirchenordnung 1606

tes die reine lehr und gotteßdienst nach summari-
schem begriff der christlichen Augßbürgischen Con-
fession und Apologien, so weyland dem großmech-
tigsten keyser Carolo quinto auf dem reichßtage zu
Augßburg anno 1530 ubergeben 6, in den kirchen
dieses stifts fortgetrieben und erhalten, auch die
pastorn und kirchendiener ermeltes stifts der christ-
lichen ceremonien, so an diesen orten der weiland
hochw[irdiger] und hochgeborner fürst Georg,
erzbischoff zu Bremen und bischoff zu Minden und
Verden, herzog zu Braunschweig und Lüneburg
etc., unser freundlicher, lieber vetter, hochlöblicher
gedechtnis, zuerst nachgegeben 7, sich gebraucht,
und also ferner der kirchenordnung, die bischoff
Eberhard, unser geliebter antecessor, christmilter
gedechtniß, mit consens und willen eines ehrwir-
digen tumbcapittels und der land- und ritterschaft
dieses stifts hernach angestellet 8, fleissig nach-
gelebet haben, doch gleichwol befindet sich nicht-
destoweniger, das mitlerzeit allerhand ungleicheit
in ceremonien und sonsten viel unrichtigkeit und
unordnung an etlichen orten dieses stifts in kirchen-
sachen mit eingerissen, dadurch das gemeine volk
zum teyl geerget [!], zum teil irre und zweyfel-
haftig gemacht wirt, wann es anders an einem als
dem andern ort gehalten wird.

Damit aber unsere geliebte und getreue unter-
tanen durch ungleicheit der ceremonien in diesem
stift ferner nicht geergert oder irre gemacht wür-
den, so haben wir, als dem solchs ambts halben ge-
büret, mit rat und bewilligung unsers tumbcapit-
tels, unser rete, land- und ritterschaft 9 dahin ge-
schlossen und etlichen von unsern predigern gnedig
auferlegt und befohlen, das sie aus angerürter un-

6 Bek. Schr., 44 ff.

7 Vgl. Einleitung, oben S. 135.

8 Vgl. Einleitung, oben S. 13Sf.

9 Ch. G. Pfannkuche (Mißbilligung, 312) sieht in
dieser Formulierung eine offenbare Unwahrheit. Es

muß jedoch beachtet werden, daß gar nicht von einer
endgültigen Bewilligung der KO durch die Stände
die Rede ist. Im Landtagsprotokoll vom 25./27. Juni
1600 (vgl. Einleitung, oben S. 141f.) heißt es aller-
dings nur, der Bischof habe mit Zuziehen des Dom-
kapitels zu Rotenburg (vgl. Einleitung, oben S. 13_4,
Anm. 6) die Gelegenheit der Kirchen im Stift erkun-
det, ehe er die neue KO in Auftrag gegeben habe.
Von einer Zustimmung der übrigen Stände zur Aus-

sers geliebten antecessoris hiebevor aufgerichten,
doch in vielen dingen mangelhaften kirchenord-
nung und auch aus der benachbarten und anstossen-
den lender und fürstentümen agenden 10, so sich ne-
ben uns zu der unverenderten Augßburgischen Con-
fession in ihrem rechten, gesunden verstande be-
kennen, eine neue, bestendige und auf dieses unsers
stifts kirchen gelegenheit (soviel immer müglich)
gerichtete kirchenordnung in unserm namen aufs
kürzeste verfassen und zusamenbringen solten.

Solchem unserm christlichen und so getreulich
gemeintem befehl sein gedachte unsere prediger
alsobald nachkomen und eine christliche kirchen-
ordnung zusamengebracht, die zuforderst dem rei-
nen wort Gottes gemeß und mit der christlichen
Augßburgischen Confession durchaus in allen punk-
ten und stücken ubereinstimmet, in den ceremonien
aber den benachbarten kirchen dieser landen am
allerehnlichsten, damit ungleicheit der ceremo-
nien und kirchengebrauch bey den unverstendigen,
die in Gottes wort noch nicht gnugsam unterrich-
tet, keine ergerniß und anstoß erweckte und er-
regete.

Nach dieser gemelter unser christlichen und un-
tadelhaftigen in Gottes wort wolgegründeten kir-
chenordnung sollen sich alle pastorn und kirchen-
diener dieses unsers stift Verden in lehr, verreichung
der h[eiligen] und hochw[irdigen] sacramenten, ce-
remonien und andern kirchengescheften, als ver-
trauung der neuen eheleut, bestettigung der selig
abgestorbenen todten und dergleichen, sich durch-
aus gleichförmig und gemeß verhalten.

Solches alles, wie wir nicht zweyfeln, wird dem
allmechtigen Gott zu lob und ehren und unsern ge-

arbeitung der KO ist nicht die Rede. — Das Dom-
kapitel scheint eine etwas unklare Haltung eingenom-
men zu haben; denn es erklärte den übrigen Stän-
den in der Konferenz vom 8. September 1608 (vgl.
Einleitung, oben S. 142), doch offenbar, um sich zu
rechtfertigen, Philipp Sigismund habe in das Kapitel
gedrungen, wie nicht zu sagen sei, die KO wäre aber
ohne Wissen des Kapitels gedruckt, käme „sonst“
auch mit der KO Eberhards überein. 1622 erschien
dann gerade das Domkapitel aus einleuchtenden
Gründen als Gegner der KO (vgl. Einleitung, oben
S. 143).

10 Vgl. Einleitung, oben S. 144, und die diesbezüg-
lichen Fußnoten unter dem Text.

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