Stift Verden
orte, zu welcher zeit und durch welche personen,
auch auf wasserley weise und form der gotteß-
dienst und die religionssachen gehalten und gehan-
delt werden, was vorangehen und nachfolgen soll.
So werden auch durch solche ceremonien und
kirchengebreuch die zuhörer vermanet und gleich-
sam durch den augenschein bewogen, das sie ihr
herz und gemüt zu Gott erheben in demut und an-
dacht, zum gehör und predigt und des worts Got-
tes, zum gebet etc. bey der christlichen versam-
lungen sich schicken, bereyt machen, das heisset
mit einem wort: Lasset es alles in der gemeine ehr-
lich, ordentlich und das es zur besserung gereiche,
zugehen (1. Cor. 14, vers. 14 [40]).
Sollen derhalben die pastores ihre zuhörer oft
und fleissig vermanen, das sie auch ausserhalb der
predigt bey den christlichen gesengen, collecten,
gebeten und andern gottesdiensten sich gerne fin-
den lassen und den gottesdienst mit ihren [! ] christ-
lichen gegenwart zieren und befordern helfen.
Dann Gott, der grosse und allmechtige Herr, er-
helt das ministerium und predigambt durch die
stim seines heiligen göttlichen worts, das er durch
den mund des predigers in der zuhörer herzen und
ohren hallen und schallen lässet, item durch das
liebe gebet und andere christliche ceremonien; den
dabey ist Gott der heilige Geist gegenwertig, da-
durch ist er kräftig und teylet auß seine göttliche
gnad und die ewigen himlische schätze und gütter.
Daher sagt der Herr Christus selbst (Matth. 18,
vers. 20): Wo zwen oder drey in meinem namen
versamlet sein, da bin ich mitten unter ihnen. Item
(vers. 19): Wo zwen unter euch eins werden auf
30 Vgl. Wolfenbüttler KO, Sehling VI, 1, 141 mit
Anm. 93. Vgl. auch FC, Ep X, 7, und SD X, 31;
Bek. Schr., 815. 1063.
31 Der Dom, im Süderende, d. h. im südlichen Verden,
das lange ein Gemeinwesen für sich bildete (vgl.
unten Anm. 94), gelegen, war im 11. und 12. Jh. zu-
erst in Stein erbaut worden, nachdem schon zwei
Holzbauten vorangegangen waren. Das älteste Ge-
bäude war im Anschluß an das Kloster der die Mis-
sion im Land zwischen Weser und Elbe betreiben-
den Benediktiner, die aus dem Kloster Amorbach im
Odenwald stammten, errichtet worden. Ihr Abt
dürfte um 800 den Bischofstitel erhalten haben (vgl.
G. W. Leibnitius, 211; A. Hauck, Kirchen-
geschichte Deutschlands II 3. 4. 1912, 388, Anm. 2,
und 400f.; RE 3 20, 499f.; F. Wichmann in: ZNS
erden, worumb es ist, das sie bitten wollen, das soll
ihnen wiederfahren von meinem Vater im himel.
Und obwol die Christen allenthalben so eben an
einerley gewisse ceremonien nicht gebunden sein,
als an gewisse tage und zeit, form des gebets, son-
dern in diesen und dergleichen dingen ihre christ-
liche freyheit haben und behalten, wie die alte und
wolbekante regula lautet: Dissonantia rituum non
tollit consonantiam fidei 30, dieweil aber dannoch
die gleicheit der ceremonien nützlich und ersprieß-
lich ist, und das auch dazu kombt, das dadurch die
einigkeit in der lehr befordert wird, so sollen die
prediger und lehrer dieses stifts, soviel immer müg-
lich sein wil und die gelegenheit der kirchen und
der gemeinen leiden und ertragen kan, sich be-
fleissigen, das gleicheit der ceremonien mit den
benachbarten kirchen, die sich zu der Augßbürgi-
schen Confession mit uns bekennen, gehalten werde.
Ist derwegen unser gnädiger wille und ernstlicher
befehl, das sich alle kirchendiener, als die super-
intendenten, die pastores, prediger, diaconi, schul-
meister, cantores, küster etc., nach dieser unser
beschriebenen und gedruckten kirchenordnung in
lehr und ceremonien eintrechtig richten und die-
selbige ohne sonderliche, erhebliche ursachen und
ohne wissenschaft des consistorii nicht unterlassen
sollen.
Zum ersten: Von metten und vesper
singen am Sonnabend, Sontagen und
festagen.
Am Sonnabend und Sontag, wie auf andere hei-
lige abend und feyertage, soll im dom zu Verden 31
1904, 289f.; bes. K. D. Schmidt, 25ff.). Vor dem
21. Mai 1274 (vgl. H. Sudendorf, Urkundenbuch
zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig-
Lüneburg I. 1859, Nr. 82) brannte der Dom nieder;
gegen Ende des 13. Jhs. begann man mit dem Neu-
bau, der erst 1490 vollendet wurde. Als Patron er-
scheint 849 (? 14. Juni) St. Andreas (vgl. MGH Die
Urkunden der deutschen Karolinger I. 1934, Nr. 57;
dazu unten Anm. 39); 874 (26. Februar) St. Maria
(vgl. MGH aaO. Nr. 153); 876 (11. November) und
890 (1. Juni) werden St. Cäcilie und St. Fabian als
Patrone genannt (vgl. W. v. Hodenberg, Verdener
Geschichtsquellen II, Urk. 2 und 3), 1006 (12. März)
St. Maria und St. Andreas (vgl. v. Hodenberg, aaO.
Urk. 6), 1031 (23. März) St. Maria und St. Cäcilie
(vgl. v. Hodenberg, aaO. Urk. 9), ebenso 1060
152
orte, zu welcher zeit und durch welche personen,
auch auf wasserley weise und form der gotteß-
dienst und die religionssachen gehalten und gehan-
delt werden, was vorangehen und nachfolgen soll.
So werden auch durch solche ceremonien und
kirchengebreuch die zuhörer vermanet und gleich-
sam durch den augenschein bewogen, das sie ihr
herz und gemüt zu Gott erheben in demut und an-
dacht, zum gehör und predigt und des worts Got-
tes, zum gebet etc. bey der christlichen versam-
lungen sich schicken, bereyt machen, das heisset
mit einem wort: Lasset es alles in der gemeine ehr-
lich, ordentlich und das es zur besserung gereiche,
zugehen (1. Cor. 14, vers. 14 [40]).
Sollen derhalben die pastores ihre zuhörer oft
und fleissig vermanen, das sie auch ausserhalb der
predigt bey den christlichen gesengen, collecten,
gebeten und andern gottesdiensten sich gerne fin-
den lassen und den gottesdienst mit ihren [! ] christ-
lichen gegenwart zieren und befordern helfen.
Dann Gott, der grosse und allmechtige Herr, er-
helt das ministerium und predigambt durch die
stim seines heiligen göttlichen worts, das er durch
den mund des predigers in der zuhörer herzen und
ohren hallen und schallen lässet, item durch das
liebe gebet und andere christliche ceremonien; den
dabey ist Gott der heilige Geist gegenwertig, da-
durch ist er kräftig und teylet auß seine göttliche
gnad und die ewigen himlische schätze und gütter.
Daher sagt der Herr Christus selbst (Matth. 18,
vers. 20): Wo zwen oder drey in meinem namen
versamlet sein, da bin ich mitten unter ihnen. Item
(vers. 19): Wo zwen unter euch eins werden auf
30 Vgl. Wolfenbüttler KO, Sehling VI, 1, 141 mit
Anm. 93. Vgl. auch FC, Ep X, 7, und SD X, 31;
Bek. Schr., 815. 1063.
31 Der Dom, im Süderende, d. h. im südlichen Verden,
das lange ein Gemeinwesen für sich bildete (vgl.
unten Anm. 94), gelegen, war im 11. und 12. Jh. zu-
erst in Stein erbaut worden, nachdem schon zwei
Holzbauten vorangegangen waren. Das älteste Ge-
bäude war im Anschluß an das Kloster der die Mis-
sion im Land zwischen Weser und Elbe betreiben-
den Benediktiner, die aus dem Kloster Amorbach im
Odenwald stammten, errichtet worden. Ihr Abt
dürfte um 800 den Bischofstitel erhalten haben (vgl.
G. W. Leibnitius, 211; A. Hauck, Kirchen-
geschichte Deutschlands II 3. 4. 1912, 388, Anm. 2,
und 400f.; RE 3 20, 499f.; F. Wichmann in: ZNS
erden, worumb es ist, das sie bitten wollen, das soll
ihnen wiederfahren von meinem Vater im himel.
Und obwol die Christen allenthalben so eben an
einerley gewisse ceremonien nicht gebunden sein,
als an gewisse tage und zeit, form des gebets, son-
dern in diesen und dergleichen dingen ihre christ-
liche freyheit haben und behalten, wie die alte und
wolbekante regula lautet: Dissonantia rituum non
tollit consonantiam fidei 30, dieweil aber dannoch
die gleicheit der ceremonien nützlich und ersprieß-
lich ist, und das auch dazu kombt, das dadurch die
einigkeit in der lehr befordert wird, so sollen die
prediger und lehrer dieses stifts, soviel immer müg-
lich sein wil und die gelegenheit der kirchen und
der gemeinen leiden und ertragen kan, sich be-
fleissigen, das gleicheit der ceremonien mit den
benachbarten kirchen, die sich zu der Augßbürgi-
schen Confession mit uns bekennen, gehalten werde.
Ist derwegen unser gnädiger wille und ernstlicher
befehl, das sich alle kirchendiener, als die super-
intendenten, die pastores, prediger, diaconi, schul-
meister, cantores, küster etc., nach dieser unser
beschriebenen und gedruckten kirchenordnung in
lehr und ceremonien eintrechtig richten und die-
selbige ohne sonderliche, erhebliche ursachen und
ohne wissenschaft des consistorii nicht unterlassen
sollen.
Zum ersten: Von metten und vesper
singen am Sonnabend, Sontagen und
festagen.
Am Sonnabend und Sontag, wie auf andere hei-
lige abend und feyertage, soll im dom zu Verden 31
1904, 289f.; bes. K. D. Schmidt, 25ff.). Vor dem
21. Mai 1274 (vgl. H. Sudendorf, Urkundenbuch
zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig-
Lüneburg I. 1859, Nr. 82) brannte der Dom nieder;
gegen Ende des 13. Jhs. begann man mit dem Neu-
bau, der erst 1490 vollendet wurde. Als Patron er-
scheint 849 (? 14. Juni) St. Andreas (vgl. MGH Die
Urkunden der deutschen Karolinger I. 1934, Nr. 57;
dazu unten Anm. 39); 874 (26. Februar) St. Maria
(vgl. MGH aaO. Nr. 153); 876 (11. November) und
890 (1. Juni) werden St. Cäcilie und St. Fabian als
Patrone genannt (vgl. W. v. Hodenberg, Verdener
Geschichtsquellen II, Urk. 2 und 3), 1006 (12. März)
St. Maria und St. Andreas (vgl. v. Hodenberg, aaO.
Urk. 6), 1031 (23. März) St. Maria und St. Cäcilie
(vgl. v. Hodenberg, aaO. Urk. 9), ebenso 1060
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