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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0207
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Kirchenordnung 1606

So sage er:

Nun, meine lieben freunde, weil ihr den im na-
men und auf den befehl unsers lieben Herrn Gottes
solches alles getan, so sage ich, das ihr recht und
wol getan habt, sintemal die arme kindelein der
gnaden bedürfen und unser Herr Jesus Christus
ihnen dieselbige nicht abgesagt, sondern sie aufs
allerfreundlichste darzu fordert, wie solches der
nachfolgende text des heiligen evangelii tröstlich
zeuget, welchen der evangelist also beschrieben
hat Marci am 10. capittel [13-16]:

Und sie brachten kindlein zu Jhesu, das er sie an-
rürete. Die jünger aber fuhren die an, die sie tru-
gen. Da es aber Jhesus sahe, ward er unwillig und
sprach zu ihnen: Lasset die kindlein zu mir kom-
men und wehret ihnen nicht; denn solcher ist das
reich Gottes. Warlich, ich sage euch, wer das reich
Gottes nicht empfehet als ein kindlein, der wird
nicht hineinkommen. Und herzet sie und leget die
hende auf sie und segnet sie.

Und weil wir aus jetzt gehörten worten unsers
Herrn Christi des gewis und sicher sein, das dis kind-
lein zum reich der gnaden auch angenommen, wöl-
len wir bitten, das es darinnen möge zur ewigen
seligkeit bestendig erhalten werden, und von grund
des herzen ein andechtig Vater unser etc. sprechen.

Lasset uns beten.

Der allmechtige Gott und Vater unsers Herrn
Jesu Christi, der dich N. durchs wasser und hei-
ligen Geist anderweit geboren und dir alle deine
sünde vergeben hat, der sterke dich mit seiner
gnade zum ewigen leben. Amen.

Friede sey mit dir.

Wurden aber die leute, so das kindlein zur taufe
bringen, auf des pfarhers frage ungewisse antwort
geben und sagen, sie wüsten nicht, was sie gedacht,
viel weniger, was sie geredt oder getan in solcher
grossen not (als denn zu zeiten zu geschehen pfle-
get), so mache man nicht viel disputierens, son-
dern neme das kind als ungetauft und fordere es

55 a Die Konfirmationsordnung ihrer Vorlage (Sehling
VI, 1, 164ff.) hat unsere KO nicht übernommen.

56 Dieses ganze Kapitel ist der Wolfenbüttler KO wört-
lich entlehnt, von unbedeutenden Varianten ab-
gesehen; vgl. Sehling VI, 1, 163f.

56a Vgl. A. Franz, Die kirchlichen Benediktionen im
Mittelalter II. 1909, 213ff.; Unreinheit der Wöch-

zur taufe, also wie man alle ungetaufte zur taufe
zu fordern und zu teufen pflegt.

Und wenn man die gebet sampt den exorcismis
gesprochen und die kinder durch die paten dem
teufel entsagen und des glaubens bekentnus hat
tun lassen, alsdenn teufe der pfarher die kinder ohn
alle condition im namen des Vaters und des Sons
und des heiligen Geistes. Amen.

Es soll auch bey einer jeden pfarr ein buch von
lautern papyr zugerichtet werden, darin aller neu-
gebornen kinder, deßgleichen auch ihrer eltern und
der gevatter namen geschrieben, in welchem jahr,
monat und tag sie getauft, dessen sich nachmals
nicht allein die von der obrigkeit, so oft und viel
von ihnen zeugnis der geburt erfordert, sich haben
zu gebrauchen, sondern auch zur zeit, wenn die ge-
tauften kinder ihr offentliche bekantnus des glau-
bens tun 55a, die gevatter in gewisser gedechtnis als
zeugen der empfangenen tauf gehalten.

Deßgleichen sollen auch der neuen eheleut na-
men, zuvor und ehe sie aufgebotten, auch in ein
besonder buch geschrieben werden, wenn und wie
oft dieselben aufgebotten und auf welchen tag sie
offentlich einander vertraut worden.

Von den kindelbetterinnen oder
sechß wöcherinnen 56.

Wenn ein kindelbetterinne nach gehaltenen sechs
wochen zur kirchen gehet, soll sie nicht, wie im
bapstumb geschehen 56a, der meinung eingeleitet,
aus- oder eingesegnet werden, als were der ehe-
stand ein unreiner stand und kinder geberen ein
greuel für Gott, das dadurch ein armes weib von
der gemeine Gottes abgeschnitten würde, sondern
es soll allein ein erinnerung sein der grossen wol-
taten, so der liebe Gott, beyde, mutter und kinde,
erzeiget hat, und ein vermanung zur danksagung.

Derhalben, wenn ein kindelbetterinne aufn Son-
tag oder werktag zur kirchen gehet 57, soll sie nach

nerin: Auffassung nach Lev 12, z. T. auch im Westen
beibehalten trotz zunehmender Bekämpfung seit Gre-
gor I.(Decr. Grat. I, dist. V, c. 2; Friedberg I, 7f.).
57 IndenvonJ. H. Pratje mitgeteilten Erläuterungen
und Verbesserungen zu unserer KO (vgl. Einleitung,
oben S. 143) heißt es hierzu: Den kindelbetterinnen
soll freystehen, wenn sie aus den wochen gehen, das

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