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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0215
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Kirchenordnung 1606

scheid von dem kranken nehmen mit diesen oder
dergleichen worten:

Lieber freund 79, demnach ihr aus Gottes wort
getröstet und durch eine fröliche absolution loß ge-
sprochen von allen euern sünden, auch zu mehrer
sterkung euers glaubens mit dem leib und blut
Jhesu Christi erquicket und also allenthalben gnug-
sam vorgewisset seyd, das euch alle euere sünde
warhaftigen verzeihen [!] und vergeben sein, und
das ihrin gnaden Gottes stehenundwir alle sämpt-
lich mit euch euer sache Gott im himmel, euerm
lieben Vater, auf seine gnadenreiche zusagen be-
fehlen, so wird er auch sonder zweifel euer krank-
heit als ein frommer Gott und Vater zum aller-
besten wenden, als es euch nütz und gut ist an leib
und seele. Darumb seyd getrost und sprechet im-
merdar: Herr, himlischer Vater, hie bin ich, dein
liebes kind und dein diener (oder dienerin), machs
mit mir nach deinem willen, alleine führe mich
nicht in versuchung, sondern erlöse mich von allem
ubel. Amen.

Und weil ihr euch also frölich zu Gott ganz und
gar begebet, so wünsche ich euch, Gott wölle euch
in solchem glauben, gedult, hoffnung und anruf-
fung gnediglich erhalten durch Christum, unsern
Herrn. Amen.

Friede sey mit euch. Amen.

Es sollen auch die pfarrer nicht unterlassen, die
kranken nach derselbigen gelegenheit, da sie
schwach und kleinmütig, oft zu besuchen und sie
mit Gottes wort trösten, das sie die krankheit mit
gedult tragen und den anfechtungen durch die
gnad Gottes einen wiederstand tun mögen, wie sich
der person gestalt nach ein jeder kirchendiener
wol wird wissen zu verhalten.

Von besuchung, erinnerung, vermahnung
und trost der gefangenen, so das leben ver-
wirket haben.

Dieweil 80 kein sünde so groß und schwer, die den

79 Von hier bis zum Ende des Formulars zeigt unsere
KO im wesentlichen auch Übereinstimmung mit der
Hoyaschen KO, Sehling VI, 2, 1166. Vgl. auch
Lauenburger KO, Bl. 220 vf.

80 Folgendes lehnt sich z. T. enger, z. T. loser an die
Wolfenbüttler KO, Sehling VI, 1, 172f., an, ist
z. T. aber auch erweitert und abweichend.

bußfertigen nicht könte vergeben werden, auch
keine buß und bekerung zu langsam oder zu spate
(Luc. 23, vers. 43), wenn sie nun noch zu diesem
leben, auch am letzten end, von grund des herzens
geschiehet, derhalben sollen ihnen die prediger
solche arme gefangene und zum tode verurteilete
leut sonderlich und fürnemlich befohlen sein lassen.

Dieweil auch solche arme leut numehr nicht lange
zeit zur buß und bekehrung zu Gott, so sollen die
prediger desto mehr und fleissiger daran sein, das
sie beyzeiten zu warer buß, zum festen glauben an
Christum vermahnet, auch das sie sich mit gedult
und kindlichem gehorsam unter die straff, so sie
mit ihrer mißhandlung verdienet, ergeben wollen.
Darauf soll der oder die arme sünder, so justificieret
werden sollen, mit und auß Gottes wort getröstet
und gesterket werden, damit also zuforderst die
arme seele Gott dem Herrn aufgeopfert werde.

Derwegen 81 sollen die gefangene zu rechter und
gebürlicher zeit an einen gelegenen ort gebracht
und der prediger zu ihnen gefordert werden. Der
soll sie erstlich und ernstlich fragen: Nachdem sie
von wegen ihrer mißhandlung gefangen liegen, ob
sie auch herzliche reu und leid uber ihre sünde ha-
ben, damit sie Gott so höchlich erzürnet und be-
leidiget.

Würde nu der ubelteter trotziglich und verwegen
antworten: Es geschehe ihm gewalt und unrecht,
oder es haben ihn andere leut dazu gebracht, die
ebensowol als er und noch wol mehr schüldig sein,
die gleichwol nicht wie er in haft gezogen und ge-
strafft werden etc., einem solchen muß der prediger
das gesetz scherfen und die heilige zehen gebott
Gottes weidelich herausstreichen und nicht alleine
der weltlichen obrigkeit, sondern vielmehr Gottes
gericht und straff, die ewige verdamnis, marter und
pein in der hellen vielfeltig fürhalten, auf das der
sünder durch solche gesetz und straffpredigt zu
herzlicher und schmerzlicher reu und leid uber
seine begange sünden bewogen werde.

81 Auch hier zunächst noch Anlehnung an die Wolfen-

büttler KO, Sehling VI, 1, 173. Vgl. auch die

Oldenburger KO, Bl. Hh IVrff., und die Hoyasche

KO, Sehling VI, 2, 1166,

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