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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0216
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Stift Verden

Zum andern: Wenn sich der sünder durch solchen
ernst erschrecken und erweichen lässet oder zuvor
blöd und erschrocken ist, so soll ihn alßdan der
prediger aus dem catechismo 82 und sonderlich auß
dem christlichen glauben ferner examinieren und
mit Gottes wort unterweisen und trösten, das ihn
nemblich Gott der Herr aus vätterlicher gnad und
güte durch diese seine gefängniß und bande zu
christlicher erkäntnis seiner sünden und zu wahrer
buß und bekehrung zu Gott und demnach zur ewi-
gen seligkeit befordern und ihm in gleichem von
der ewigen straff und verdamnis, die er mit seiner
missetat wol verdienet, darein er auch ohne allen
zweyfel, woferne er lenger also in unbußfertigkeit
dahin gangen und darüber unvorsehens umbkom-
men, geraten were, erlösen und erretten wöllen, wie
S. Paulus sagt (1. Cor. 11, vers. 31 [f.]): So wir
uns selbs richteten (das ist, buß teten und von sün-
den abliessen), so würden wir nicht gerichtet. Wenn
wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem
Herrn gezüchtiget, auf das wir nicht sambt der welt
verdambt werden. Derhalben ihr (oder du) solche
straffe auch für ein solche väterliche züchtigung
Gottes erkennen solt.

Zum dritten soll man solche arme leut von un-
serm Herrn Jhesu Christo, der für uns ein sünd-
opfer worden und durch sein bitter leiden und ster-
ben uns vergebung der sünden, ewiges leben und
seligkeit erworben (Roma. 4, ver. 23; 2. Cor. 5,
ver. 21; 1. Joh. 2, vers. 1. 2), treulich und fleissig
unterrichten.

Es sollen auch allhie wie bey den kranken die
prediger sonderlich einen oder zwen trostsprüche,
und zwar die alleraußerlesenen, für sich nehmen
und den armen, betrübten leuten oft fürsagen, er-
klären und wol einbilden. Zum exempel: Also hat
Gott die welt geliebet etc. (Johan. 3, ver. 16), oder:
So jemand sündiget, so haben wir einen fürsprecher
bey dem Vater, Jesum Christum etc. (1. John. 2,
vers. 1. 2), item: Ich bin die auferstehung und
das leben etc. (Johan. 11, vers. 25).

Aus diesen und dergleichen sprüchen sein die
articul unsers christlichen glaubens als in eine sum-

82 Vgl. oben S. 149 mit Anm. 20.

83 „Antidotum adversus Tentationes omnis generis,

quibus piae mentes exerceri solent. Norib. 1554“,

ma gezogen: Ich gleube, das mir Gott vergebung
der sünden, auferstehung dieses meines leibesund
fleisches und ein ewiges leben durch und umb sei-
nes Sohns, unsers heylandes Jhesu Christi willen
gewißlich geben werde.

Insonderheit soll das tröstliche exempel des buß-
fertigen schechers am kreuz den armen leuten fleis-
sig fürgehalten werden, welcher, da er sich zu Chri-
sto bekehret, mit diesem schönen, herrlichen trost
von dem Herrn Christo selbs, als dem rechten see-
lenarzt, gelabet und erquicket wird [Luk 23, 43]:
Heute wirstu mit mir im paradyß sein. Also spricht
Christus (sage der priester) zu dir und allen armen
sündern, die sich zu ihm bekehren und in ihrem
kreuz und marter ihn anruffen: Heute wirstu bey
mir im himmelreiche sein. Den wie jenem schecher,
also hat auch dir Gott den zeitlichen todt zu einem
mittel, damit du desto ehe in das himmelreich ko-
mest, auferlegt und zugeschickt.

Fürnemlich aber und für allen andern soll das
exempel Christi, der da unschüldig an dem galgen
des krützes gehenget und für unser sünde und todt
bezahlet und uns ewige gerechtigkeit, leben und
seligkeit erlanget (1. Petr. 2, vers. 24), denn ver-
urteylten fürgehalten werden, damit sie denselbigen
sambt seinem blut und todt und ganzem verdienst
im glauben fest ergreifen und biß an das letzte ende
sich seliglich daran halten.

Zum vierden: Da auch die verurteylte uber das
in ihrem herzen und gewissen von wegen ihrer sün-
den, des zorns Gottes oder auch von wegen furcht
und schrecken der leiblichen marter, des zeitlichen
todes und der hellen etc. angefochten würden, so
soll ihnen mit dazu dienlichen sprüchen aus Got-
tes wort begegnet und, soviel müglich, sie wieder-
umb aufgerichtet, gesterket und getröstet werden.

Da sie auch objectiones und einreden ihres ge-
müts herfürbringen und an den tag geben würden,
so soll ihnen auch darauf (wie billich) gebürlich und
dem heylsamen wort Gottes gemeß geantwortet
werden.

Allhie können sich abermal junge und andere
prediger auß dem Antidoto Welleri 83 richtiger ant-

,,... Rostochii 1599“; vgl. H. Welleri Opera omnia

(latina). Leipzig 1702 (mit einer Vorrede von S. B.

Carpzov), III/IV, 80ff. - Deutsch: „Antidotmn.

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