Kirchenordnung 1606
wort und allerley liebliches, lebendiges trostes für
die arme missetäter erholen. In gemeltem büchlein
ist sonderlich dieser titel zu finden: Quomodo con-
solandi sint malefici, cum iam ad necem ducun-
tur 84.
Zum letzten, so soll auch der prediger fleissig
handlen, das die arme leut ja von herzen vergeben
wollen allen denen, die sie entweder zu fall oder in
haft und gefengnis gebracht, fürnemlich aber, das
sie keinen ungedültigen wiederwillen wieder die
obrigkeit oder derselben diener umb der straff wil-
len, die uber sie ergehet, fassen, haben oder be-
halten mügen, sondern das wol bedenken, das sie
durchaus alles und allen zu vergeben schüldig,
gleich wie ihnen Christus vergeben hat.
Es sollen sich dan auch die prediger keineswegs
schämen und noch viel weiniger sichs unbeschei-
denerweise verweigern, mit den armen leuten zu
gehen und sie zu trösten, wann sie außgeführet
werden, damit der höchste trost und der ware,
seligmachende glaub durch den anblick der her-
zunahenden marter und straff ihnen nicht entfalle;
den da ist allererst tröstens vonnöten und zum aller-
höchsten bedarf 85.
Wer zu diesen christlichen und hochnötigen werk
weitere nachrichtung begehret, der lese mit fleiß
die berühmbte und wolbekante büchlein: Anti-
Oder Geistliche Ertzney/für die Christen/so Anfech-
tung vnnd Geistliche trübsal haben... Nürnberg.
Anno D. M. LIIII[!]“. Hieronymus Weller von Mols-
dorff, geboren am 5. September 1499 zu Freiberg in
Meißen, studierte zu Wittenberg zunächst bes. Grie-
chisch, stand dann im Schuldienst zu Zwickau,
wurde 1525 Rektor zu Schneeberg, wandte sich 1526
wieder nach Wittenberg, um die Rechte zu studie-
ren, wurde unter Luthers Einfluß aber Theologe,
1535 Doktor der Theologie, 1539 Superintendent in
Freiberg und Inspektor der Schulen, † 20. März 1572 ;
vgl. Ch. G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexi-
con IV (1751), 1879f.
84 Vgl. Opera omnia aaO. 102f. (Kap. 13). - Deutsch:
„XIII. Wie man die trösten sol/so vom lehen zum
tod/vmb irer mißthat willen verurteilet werden.“
85 Vgl. Wolfenbüttler KO, Sehling VI, 1, 174; Olden-
burger KO, Bl. Jj Ilr; Hoyasche KO, Sehling VI,
2, 1167 f.
86 Felix Bidembach, Manuale pro ministris eccle-
siae in sieben Stücken; vgl. M. Lipenius, Biblio-
theca realis theologica omnium materiarum, rerum
et titulorum II (1685), 227. Lipenius führt folgende
Ausgaben auf: Frankfurt 1607 und 1639, Tübingen
dotum Welleri, so auch verdeutschet, und Manuale
Felicis Bidenbachii 86, die wol zu bekommen und
umb ein gar gering gelt erkauft und erzeuget 87 wer-
den können.
Von begrebniß der todten.
Dieweil die kirche Gottes allezeit bey den be-
gräbnissen ehrliche zusamenkunften gehalten hat,
so sollen die prediger pro concione ihre zuhörer
zum oftern vermahnen, das sie sich ja gerne und
unbeschweret bey solchen versamlungen und leich-
begängnissen finden lassen, damit bey solcher ge-
legenheit ein jeglicher erinnert werde: erstlich sei-
ner eigenen schwacheit, sterbligkeit und gebrech-
ligkeit, zum andern der künftigen auferstehung
seines eigenen fleisches und dan alle derjenigen, die
auf dem kirchhoffe, dahin der abgestorbene ge-
bracht wird, begraben liegen.
Dieweil auch die kirchhöffe und gottesacker ruhe-
bettlein und schlaffkämmerlein sein alle deren, so
auf Christum und sein vordienst getauft und allda
ihrer seligen und frölichen auferstehung erwarten 88,
so ordenen wir erstlich, das die kirchhöffe ganz her-
umb und allenthalben wolbefriediget und an jedem
orte, wie auch zu Verden im dom der kreuzgang 89,
ehrlich, reinlich und seuberlich gehalten und keines-
1624, Leipzig 1624. J. H. Zedler, Großes vollständi-
ges Universal Lexikon III (1733), 1772, nennt u.a.
(Frankfurt 1613, Wittenberg 1611, Stuttgart 1659,
Leipzig 1619 usw.) eine Tübinger Ausgabe von 1604. -
Felix Bidembach, württembergischer Theologe,
geboren am 8. September 1564 in Stuttgart, 1586
Diakon in Waiblingen, 1590 Diakon in Stuttgart,
1592 herzoglicher Rat und Mitglied des Kirchenrats,
1604 Doktor der Theologie, 1606 Abt in Adelberg,
1608 in Maulbronn, Generalsuperintendent und Mit-
glied der Landschaft, † 7. Januar 1612; vgl. Ch.
G. Jöcher, aaO. I (1750), 1078; Palmer, Allgem.
deutsche Biographie 2 (1875), 617; K. Hermann,
Neue deutsche Biographie II (1955), 218.
87 = angeschafft; vgl. Grimm, Deutsches Wörter-
buch III (1862), 1087.
88 Vgl. Hoyasche KO, Sehling VI, 2, 1191; dazu un-
ten S. 741 mit Anm. 23.
89 Das mit dem Dom verbundene, seinem Ursprung
nach aus der Zeit des gemeinsamen Lebens der Dom-
herren stammende klösterliche Gebäude bestand aus
drei rechtwinklig untereinander und mit der Nord-
seite der Kirche verbundenen, einen rechteckigen
Hof umschließenden Flügeln, die an der Hofseite den
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wort und allerley liebliches, lebendiges trostes für
die arme missetäter erholen. In gemeltem büchlein
ist sonderlich dieser titel zu finden: Quomodo con-
solandi sint malefici, cum iam ad necem ducun-
tur 84.
Zum letzten, so soll auch der prediger fleissig
handlen, das die arme leut ja von herzen vergeben
wollen allen denen, die sie entweder zu fall oder in
haft und gefengnis gebracht, fürnemlich aber, das
sie keinen ungedültigen wiederwillen wieder die
obrigkeit oder derselben diener umb der straff wil-
len, die uber sie ergehet, fassen, haben oder be-
halten mügen, sondern das wol bedenken, das sie
durchaus alles und allen zu vergeben schüldig,
gleich wie ihnen Christus vergeben hat.
Es sollen sich dan auch die prediger keineswegs
schämen und noch viel weiniger sichs unbeschei-
denerweise verweigern, mit den armen leuten zu
gehen und sie zu trösten, wann sie außgeführet
werden, damit der höchste trost und der ware,
seligmachende glaub durch den anblick der her-
zunahenden marter und straff ihnen nicht entfalle;
den da ist allererst tröstens vonnöten und zum aller-
höchsten bedarf 85.
Wer zu diesen christlichen und hochnötigen werk
weitere nachrichtung begehret, der lese mit fleiß
die berühmbte und wolbekante büchlein: Anti-
Oder Geistliche Ertzney/für die Christen/so Anfech-
tung vnnd Geistliche trübsal haben... Nürnberg.
Anno D. M. LIIII[!]“. Hieronymus Weller von Mols-
dorff, geboren am 5. September 1499 zu Freiberg in
Meißen, studierte zu Wittenberg zunächst bes. Grie-
chisch, stand dann im Schuldienst zu Zwickau,
wurde 1525 Rektor zu Schneeberg, wandte sich 1526
wieder nach Wittenberg, um die Rechte zu studie-
ren, wurde unter Luthers Einfluß aber Theologe,
1535 Doktor der Theologie, 1539 Superintendent in
Freiberg und Inspektor der Schulen, † 20. März 1572 ;
vgl. Ch. G. Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexi-
con IV (1751), 1879f.
84 Vgl. Opera omnia aaO. 102f. (Kap. 13). - Deutsch:
„XIII. Wie man die trösten sol/so vom lehen zum
tod/vmb irer mißthat willen verurteilet werden.“
85 Vgl. Wolfenbüttler KO, Sehling VI, 1, 174; Olden-
burger KO, Bl. Jj Ilr; Hoyasche KO, Sehling VI,
2, 1167 f.
86 Felix Bidembach, Manuale pro ministris eccle-
siae in sieben Stücken; vgl. M. Lipenius, Biblio-
theca realis theologica omnium materiarum, rerum
et titulorum II (1685), 227. Lipenius führt folgende
Ausgaben auf: Frankfurt 1607 und 1639, Tübingen
dotum Welleri, so auch verdeutschet, und Manuale
Felicis Bidenbachii 86, die wol zu bekommen und
umb ein gar gering gelt erkauft und erzeuget 87 wer-
den können.
Von begrebniß der todten.
Dieweil die kirche Gottes allezeit bey den be-
gräbnissen ehrliche zusamenkunften gehalten hat,
so sollen die prediger pro concione ihre zuhörer
zum oftern vermahnen, das sie sich ja gerne und
unbeschweret bey solchen versamlungen und leich-
begängnissen finden lassen, damit bey solcher ge-
legenheit ein jeglicher erinnert werde: erstlich sei-
ner eigenen schwacheit, sterbligkeit und gebrech-
ligkeit, zum andern der künftigen auferstehung
seines eigenen fleisches und dan alle derjenigen, die
auf dem kirchhoffe, dahin der abgestorbene ge-
bracht wird, begraben liegen.
Dieweil auch die kirchhöffe und gottesacker ruhe-
bettlein und schlaffkämmerlein sein alle deren, so
auf Christum und sein vordienst getauft und allda
ihrer seligen und frölichen auferstehung erwarten 88,
so ordenen wir erstlich, das die kirchhöffe ganz her-
umb und allenthalben wolbefriediget und an jedem
orte, wie auch zu Verden im dom der kreuzgang 89,
ehrlich, reinlich und seuberlich gehalten und keines-
1624, Leipzig 1624. J. H. Zedler, Großes vollständi-
ges Universal Lexikon III (1733), 1772, nennt u.a.
(Frankfurt 1613, Wittenberg 1611, Stuttgart 1659,
Leipzig 1619 usw.) eine Tübinger Ausgabe von 1604. -
Felix Bidembach, württembergischer Theologe,
geboren am 8. September 1564 in Stuttgart, 1586
Diakon in Waiblingen, 1590 Diakon in Stuttgart,
1592 herzoglicher Rat und Mitglied des Kirchenrats,
1604 Doktor der Theologie, 1606 Abt in Adelberg,
1608 in Maulbronn, Generalsuperintendent und Mit-
glied der Landschaft, † 7. Januar 1612; vgl. Ch.
G. Jöcher, aaO. I (1750), 1078; Palmer, Allgem.
deutsche Biographie 2 (1875), 617; K. Hermann,
Neue deutsche Biographie II (1955), 218.
87 = angeschafft; vgl. Grimm, Deutsches Wörter-
buch III (1862), 1087.
88 Vgl. Hoyasche KO, Sehling VI, 2, 1191; dazu un-
ten S. 741 mit Anm. 23.
89 Das mit dem Dom verbundene, seinem Ursprung
nach aus der Zeit des gemeinsamen Lebens der Dom-
herren stammende klösterliche Gebäude bestand aus
drei rechtwinklig untereinander und mit der Nord-
seite der Kirche verbundenen, einen rechteckigen
Hof umschließenden Flügeln, die an der Hofseite den
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