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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0236
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Stift Verden

soll das, was ihnen von alters her verordnet und
gebüret, bleyben und folgen.

Zum fünften: Wenn ein leich bestattet werden
soll und dazu zwen, drey oder alle vier schulgesellen
begert, so sollen einem jeglichen sechß groten ge-
geben werden. Auch soll es einem jeden frey stehen,
wieviel er schuldiener zum begräbniß 95 fordern wil.
Wenn aber ein schulmeister allein begeret wirt, so
soll im kaspel zu S. Johan der infimus, im dom aber
und zu S. Andreae der cantor die leich besingen.
Würde aber ein halber proces und also zwen schul-
diener gefordert, so sollen der cantor und infimus
das werk verrichten. Doch gleichwol sol allenthal-
ben die gelegenheit und zustand der leute in acht
genomen werden, damit den armen umbsonst ge-
dienet und gewilfahret werde, sie seind dan in oder
ausserhalb der stadt gesessen 96.

Dieser unser hieher gesetzten schulordnung sol-
len die collegae unserer schulen in allen punkten
fleissig und getreulich nachkomen und ihres befoh-
lenen ambt und dienstes unerweißlich abwarten,
damit d[i]e jugent, so ihnen befohlen ist, nicht allein
in guter zucht und disciplin, allerley heylsamen
und nötigen künsten und sprachen, sondern zufor-
derst und für allem in warer gottesfurcht und rech-
tem, seligmachenden erkentniß des Herrn Jhesu
Christi und also zu wolfahrt und gedeyen des ge-
meinen nutzes erzogen werde.

Dann das didicisse fideliter artes, emollit mores,
nec sinit esse feros 97, wil es alleine nicht auß-
machen. Es gehöret noch ein höhers und mehrers
dazu, nemlich pietas. Daran ist das fürnembste und
am allermeisten gelegen; dan es ist daran noch nicht
gnug, das man allein gelerte leute 98 habe und er-
ziehe, sondern man muß auch gottßfürchtige leut
haben, wann wir nicht wiederumb und aufs neue
gar zu heyden und unchristen werden wollen.

Damit aber die schulgesellen ihres befohlenen
ambtes stätig erinnert, und das sie, dasselbige fleis-
sig und embsig zu verrichten, ermahnet werden,

95 Druckvorlage: gegräbnis.

96 Die beiden letzten Absätze wesentlich entsprechend
der Fundationsurkunde, z. T. in wörtlicher Überein-
stimmung.

97 Ovid, Ep. ex Ponto II, 9, 47f.: adde, quod ingenuas
didicisse fideliter artes / emollit mores nec sinit esse

auch diejenige, so etwa seumig und nachlessig be-
funden, darumb zur rede gesetzt, gebürlich gestrafft
und zur besserung gereizet, und wo uber zuver-
sicht dieselbige nicht folgen solte, der oder diesel-
bige schleunig und ohne ansehen der person ab-
geschafft werden müge, so ordenen, setzen und wol-
len wir hiemit, das erstlich die verordnete und be-
schriebene visitatorn und schulherrn oder ihre nach-
kommen alle und jedes jahr visitation halten sol-
len. Die erste soll geschehen allezeit Montags nach
Laetare, die andere aber Montags nach Bartholo-
maei 99, soferne solche keine feyertag sein 1. Es sol-
len auch die visitatores sämbtlich und in der per-
son, solang die visitatio währet, dabey sein und
bleyben und sich nullo modo absentieren oder et-
was, es sey dan leibes unvermügenheit, daran hin-
dern und davon abhalten lassen 2.

Für allen dingen aber sollen die visitatores daran
sein, das in ihrer jegenwart die knaben examinie-
ret, die wol bestehen, gelobet und, ferner fleissig
zu studieren, angemahnet, die ubrigen aber und
unfleissigen mit zimlich harten, aber doch gebür-
lichen worten gestrafft und, hinfort fleissiger zu
sein, angehalten werden; dann dadurch werden sie
zur lehr und disciplin nicht wenig gereizt, wie die
verßlein lauten: Excitat auditor studium, lauda-
taque virtus, crescit, et immensum gloria calcar
habet 3.

Ferner sollen die visitatores auch aufsehens ha-
ben, das die schulgesellen sich eines gottßfürchti-
gen, erbaren, aufrichtigen lebens und wandels be-
fleissigen und ihres ambts und zugeordneten stun-
den fleissig abwarten und ihre anbefohlene jugent
ja nicht verseumen oder ergern und sich allenthal-
ben also verhalten und erzeigen wollen, das sie es
für Gott dem allerhöchsten, der ihnen die jugent
in seinem wort so treulich befohlen und so ernst-
lich und höchlich commendieret, und dan für uns
und unsern visitatoribus zu vorantworten wissen.

Woferne aber einer oder mehr von den schul-

feros.

98 Druckvorlage: leue. 99 Bartholomaei: 24. August.

1 Die Fundationsurkunde setzt andere Termine; vgl.

oben S. 202, Anm. 79.

2 Dieses letzte entsprechend der Fundationsurkunde.

3 Ovid, Ep. ex Ponto IV, 2, 35f.

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