Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0235
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1606

und einem jeden collegae scholae nostrae ein freye
habitation und behausung verschaffet werden.

Dieweil aber numehr von den herrn des dom-
capittels der freye tisch dem infimo mit etlichem
korn erstattet wird, lassen wir uns solches in gna-
den auch mit gefallen.

Dieweil auch der infimus den chor zu S. Johan-
nis 81 und Nicolai 82 mit verwalten muß, so soll ihm
dafür ein halb molt 83 roggen, das sonsten der küster
zu S. Nicolai von unserm stiftshoffe 84 gehabt, und
acht mark lübeckisch 85, so ihm bey den vicarien
im dom verordnet, jerlich folgen 86.

Es sollen die verordnete schulhern den collegen
und schuldienern wohnung und behausung in not-
wendigem bau und besserung erhalten 87.

Es sollen auch die schulgesellen zum andern aller
bürgerlichen pflicht und beschwerung, auch aller-
hand schatzung, reichs- und türkensteuer und an-
derer bürden, wie die vorfallen möchten, exempt
und befreyet sein und bleyben, auch dabey von
uns und unserm ehrwirdigen domcapittel zu jeder
zeit geschützt, vertretten und gehandhabet wer-
den und sonsten in allen andern fellen der geist-
lichen privilegien im Suderend ungehindert genies-
sen und darüber von niemand beschwert werden 88.

Zum dritten sollen ihnen auch etliche acciden-
talia und zufellige verehrungen, damit sie sich desto
besser und leichter aufenthalten mügen, gegönnet
und gefolget werden, als zum ersten soll ein jeder
schüler, der zum erstenmal in die schul kompt, dem
rectori pro introitu sechß grote 89 oder vier schil-
ling geben 90. Doch soll hierinnen der rector gute dis-

81 Vgl. oben S. 154, Anm. 40.

82 Vgl. oben S. 162f., Anm. 88.

83 Vgl. oben S. 198, Anm. 51.

84 Vgl. oben S. 193, Anm. 27.

85 Vgl. oben S. 43, Anm. 41.

86 Entsprechend der Fundationsurkunde.

87 Entsprechend der Fundationsurkunde. Schulvor-
steher 1578: Domscholaster Georg von Mandelslo,
David Huberinus, Canonicus zu St. Andreas Johann
Meyer, Katmann Christopher Weselow.

88 Entsprechend der Fundationsurkunde.

89 Groten, eigentlich Gros tournois, dann Groten Tur-
nos, eine ihrem Ursprung nach aus Frankreich stam-
mende Silbermünze, die seit dem Beginn des 14. Jh.s
in den unteren Wesergegenden die Pfennige als
Hauptwährungsmünzen ersetzte. Seit 1370 wurden
5 schwere Pfennige (Swaren) auf den Groten gerech-
net. Um 1350 bildete sich die Bremer Mark zu 32 Gro-

cretion und bescheidenheit halten, das er von den
armen und gar unvermügenden solch gelt nicht
fordern, sondern ihrer umb Gottes willen, der es
anderweit reichlich erstatten wird, damit ver-
schonen. Uber solchen introitum, als eines für alles,
soll kein schüler (er were dan des guten vermügens
und wolte insonderheit, wie in alle wege billich,
dankbar sein) kein schulgeld zu geben schüldig sein,
sondern sich allerdings einer freyen schulen zu ge-
brauchen haben 91.

Zum andern, so soll der cantor alle jahr zu Wei-
nachten ein cantilenam componieren und der con-
rector die verß dazu schreiben 92, darüber sie dan
beyderseyts sich billicherweise vergleichen sollen.
Begeret nu oder bittet jemand von den schülern
von dem cantore eine oder mehr stimmen gemelter
cantilenae, so soll er ihm dafür einen groten und
ein arcus papir geben. Doch soll kein schüler hier-
zu verpflicht oder verbunden sein, sondern einem
jeden zu seinem gefallen heimgestellet werden.

Zum dritten: Wenn ein hochzeit gehalten und
dabey ein gesang in der kirchen begeret wird, so
sollen sowol von denen im Suderend als in der stadt
dem cantori, wie bißher von alters gebreuchlich ge-
wesen, zwey gericht, dazu nottürftig brot und eine
zimliche kanne biers gefolget werden. Die aber
ausser der stadt gesessen und dannoch bey ihren
hochzeitlichen ehrentagen den gesang begeren, sol-
len sechß groten oder vier schilling geben 93.

Zum vierden soll auch dem cantori das alleluja-,
item das Salve-regina-geld 94 mit der zugehör, den
knaben aber, so die alleluja und responsoria singen,

ten. Stadtbremische Grote erscheinen in Urkunden
seit 1423; erzbischöflich-bremische Grote sind zuerst
von Erzbischof Heinrich II. (1463-96) mit thronen-
dem Petrus-Schlüsselschild geschlagen worden. Auch
in Oldenburg wurden Grote gemünzt. Der Groten
hielt 1580 0,472 g Süber. Vgl. F. v. Schrötter,
Wörterbuch der Münzkunde. 1930, 243 f.

90 Ebenso die Fundationsurkunde.

91 Entsprechend der Fundationsurkunde.

92 So auch die Fundationsurkunde.

93 Wesentlich entsprechend der Fundationsurkunde.

94 Die vermutlich von Hermann Contractus († 1054)
gedichtete Antiphon Salve regina, mater misericor-
diae... wurde im späteren Mittelalter Mittelpunkt
besonderer Andachten. Stiftungen zur Abhaltung
solcher Andachten waren sehr häufig. Vgl. St. B eis-
sel, Geschichte der Verehrung Marias im 16. und
17. Jh. 1910, 494ff.; E. Jammers, RGG 3 IV, 751.

203
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften