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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0246
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als die evangelische Sache in Osnabrück in Adolf Klarenbach einen radikaleren Vertreter gewann, schritt
der Bischof auf Veranlassung des Domkapitels ein: Klarenbach wurde aus der Stadt entfernt 27. In der
Folgezeit bemühte sich das Domkapitel energischer um Niederhaltung der reformatorischen Strömun-
gen 28. Der Bischof, durch Grenzstreitigkeiten mit Münster und Tecklenburg in Anspruch genomme29,
schritt selbst nicht weiter dagegen ein.

Der einer damals bereits evangelischen Familie angehörende Franz von Waldeck, der selbst Be-
ziehungen zu Philipp von Hessen unterhielt 30, verdankte seine Wahl der Hoffnung der Stände, mit ihm
besser zu fahren als mit seinem von Hause aus mächtigeren Vorgänger 31. Hinsichtlich der Religion be-
ruhigte sich das Domkapitel dabei, daß man Franz versprechen ließ, nichts ohne Genehmigung des Dom-
kapitels zu tun, gegen den „vorgiftigen lutterisschen handel“ so zu verfahren, daß das alte Herkommen
und die Gebräuche der Kirche „underholden und gehandhavet“ würden, und die päpstliche Autorität bei
der Pfründenverleihung nicht anzutasten 32. Franz fühlte sich dadurch jedoch nicht veranlaßt, die evan-
gelische Predigt in der Stadt zu unterbinden. Als man 1533 fürchtete, die Wiedertäuferunruhen könnten
von Münster auf Osnabrück übergreifen, ließ er zwar auf Veranlassung des Domkapitels den evange-
lischen Predigern Schweigen auferlegen 33, so daß diese in der Folgezeit z. T. die Stadt verließen 34,
schickte aber selbst zur Beruhigung der Gemüter andere evangelisch gesonnene Prediger hin 35. Möglicher-
weise trug sich Franz schon 1534 mit dem Plan, die Reformation durchzuführen; denn wenn er dem
Rat von Osnabrück damals untersagte, ohne bischöfliche Genehmigung die Zeremonien in den Stadt-
kirchen zu ändern, so mit der Begründung, er plane selbst eine neue, gleichförmige KO für die ganze
Diözese 36. Erneute Wiedertäuferunruhen in Münster, die infolge des Erscheinens von sechs Münster-
schen „Propheten“ in Osnabrück sich auch hierher auszubreiten drohten 37, und zu deren Niederwerfung
Franz sich der Bundesgenossenschaft auch katholischer Fürsten versichern mußte 38, ferner Grenzstreitig-
keiten mit Tecklenburg und die Fehde zwischen Münster und Oldenburg 1538 39 mögen den Bischof an
der Ausführung seines Planes gehindert haben. Seit 1539 trat eraberin ein näheres Verhältnis zum Schmal-
kaldischen Bund 40. Schließlich bot ihm der Regensburger Reichsabschied von 1541 in § 25 41 die Rechts-

27 Vgl. H. Hamelmann, 1128; D. Chytraeus, 355; Th. Röling, 9; H. Hoyer, 135; unten S. 234f.

28 Vgl. C. Stüve, Hochstift II, 51. 56f. 29 Vgl. C. Stüve, Hochstift II, 37ff.; Eickhoff, 113ff.

30 Vgl. F. Fischer, 11. 13; H. Hoyer, 145.

31 Vgl. Geschichtsquellen IV, 232jf. (,,De voreinigung tuschen dem doemcapittel, ritterschup und stadt Osenbrugk“
vom 5. Juni 1532; die Orig.-Urk. im Staats-A. Osn. ist im Krieg abhanden gekommen; Abschriften ebd. Rep. 3
vol. III Nr. 1128 und Msc. 100 I, Bl. 14ff.); C. Stüve, Hochstift II, 58ff.; F. Fischer, 12ff. - Die Urk. über
die Postulation des Franz v.Waldeck zum Bischof von Osnabrück durch das Domkapitel, 5.-11. Juni 1532, be-
findet sich im Dom-A. Osn. Auf der Rückseite der Urk. der Vermerk: ,,.. .quod militares vel senatus non sint vocati
ad hanc electionem.“

32 Vgl. den „borgenbref“ der Knappen Schenckinck, Smisinck, Lunynck usw. vom 7.Juni 1532, Orig. im Dom-A.

Osn.; abgedruckt in: MO 13, 221ff., und besser: Geschichtsquellen IV, 235ff.
33 Vgl.H. Hamelmann, 1131; Geschichtsquellen II, 274 (D.Lilies Chronik).

34 Vgl. auch H. Hamelmann, 1129; C. Stüve, Hochstift II, 62f.

35 Vgl. Geschichtsquellen II, 274 (D. Lilies Chronik); Th. Röling, 42; F. Fischer, 16.

36 Vgl. D. Chytraeus, 356; Th. Röling, 48. Zu Plänen des Bischofs um diese Zeit, der Stadt Münster eine KO
zu geben, vgl. R. Stupperich, Glaube und Politik in der westfälischen Reformationsgeschichte, in: Jb des Ver.f.
Westfäl. Kirchengeschichte 45/46 (1952/53), 113.

37 Vgl. den Revers des Bischofs an den Rat vom Sonnabend nach Galli abbatis 1534 betr. Auslieferung der Wieder-

täufer im Staats-A. Osn.: Dep. 3b IV Fach 43 Nr. 2, Stück 4 (Kopie), und bei J. F. Stüve, Beschreibung, Ur-
kunde Q; ferner Staats-A. Osn. ebd. Stück 5 (zeitgenössische Nachricht über die Wiedertäufer); dazu Geschichts-
quellen II, 46f. (D. Lilies Chronik); R. Bellinckhusius; H. Hamelmann, 1132f.; D. Chytraeus, 355f.;
Th.Röling, 44ff. 38 Vgl. F. Fischer, 19;H.Hoyer, 159f.

39 Vgl. Geschichtsquellen I, 6 (Aufzeichnungen aus dem Johannisstift). II, 267f. (D. Lilies Chronik); C.Schele,
95f. 118f.; C. Stüve, Hochstift II, 72ff.; Eickhoff, 117ff.; F. Fischer, 25ff.

40 Vgl. F. Fischer, 33ff.; H. Hoyer, 162f.

41 Vgl. Brief des Bischofs an Herzogin Elisabeth von Calenberg-Göttingen vom 14. Oktober 1542 bei P. Tschackert,
127f.; ebenso Konfirmation der Stadt KO von 1543 durch den Bischof, s, unten; D. Chytraeus, 400. § 25 des

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