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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0265
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Zur Stellung der Stadt Osnabrück innerhalb des Stiftes s.o. 1 Für die Kirchen- und Reformations-
geschichte der Stadt war es bedeutsam, daß hier auch das Domkapitel seinen Sitz hatte, das mit dem
Dom und der Domsfreiheit einen eigenen Hoheitsbereich innerhalb der Stadt begriff. Ebenfalls eigen-
ständig war das Kollegiatstift St. Johannis mit der Johanniskirche und der Johannisfreiheit 2. Dom
und Johanniskirche waren vor der Reformation jedoch Kirchspielskirchen, ebenso wie die beiden Stadt-
kirchen St. Marien und St. Katharinen, die dem Dom inkorporiert waren 3. Der Rat hatte in keiner der
vier Kirchen Einfiuß auf die Besetzung der Pfarrstellen, der Vikarien sowie auf die Anstellung von
Hilfspriestern 4. Außer diesen Kirchen gab es in Osnabrück zahlreiche Kapellen und Klöster 5.

Hamelmann 6 zufolge war Osnabrück die erste unter den westfälischen Städten, wo das reine
Evangelium gepredigt wurde. Etwa 1521 begann der Augustinerprovinzial Gerhard Hecker 7 in der
Augustinerkirche mit der evangelischen Predigt; andere Prediger schlossen sich seiner Predigtweise an,
darunter der Dompastor Liborius Missing und der Domkaplan Johannes Pollius 8, auch der Franzis-

1 Oben S. 212.

2 Zu den geistlichen Freiheiten vgl. L. Huys, 23f.; Kartenanlage in: MO 57 (1937); W. Berning, 207.

3 Vgl. Urkundenbuch II, Nr. 534 (Urk. vom 8. September 1248). Die Pfarrer mußten der Domgeistlichkeit an-
gehören; vgl. auch W. Berning, 54. Zu den Rechten des Domkapitels an den Stadtkirchen äußert sich dieses auch
in seiner Beschwerdeschrift an den Bischof über die Einführung der Reformation vom 4. März 1547, Kopie im
Staats-A. Osn.: Rep. 100 Abschn. 367 Nr. 6, vgl. dort Bl. 38ff. - Näheres über die Kirchen s. unten S. 248ff.

4Vgl. L. Huys, 29; W. Berning, 218. Eine Kontrolle besaß die Stadt über das Bruderschaftsvermögen, soweit
es sich um Laienbruderschaften handelte. Die Verwaltung lag nämlich in den Händen von Bürgern, die meistens
Ratsmitglieder waren. Auch verwaltete der Rat die meisten kirchlichen Armenstiftungen, außerdem mittelbar, da
die Kirchräte gewöhnlich gleichzeitig im Stadtrat saßen, sämtliche Stiftungen an den Stadtkirchen, unmittelbar
auch etliche Stiftungen an den Kirchen zu besonderen Zwecken. Darüber Berning, 217f.; Huys, 8. 35ff. 39. Zu
den Kirchräten, vornehmen Kirchspielsleuten, denen die „Werkmeister“ (vgl. unten S. 249, Anm. 20) Rechenschaft
schuldeten (Belege betr. die Katharinenkirche bei H. Veltman, 224 u.ö.), vgl. bes. L. Hoffmeyer, St. Marien,
4ff.; S. Salzmann, 15f. 60ff.

5 Eine Zusammenstellung der Osnabrücker Klöster gibt H. Hoogeweg, 103ff.: Augustiner-Eremitenkloster (vgl.
dazu unten S. 248, Anm. 11), mehrere Beginenhäuser, Deutschordenskommende St. Georg (etwa seit dem Anfang
des 14. Jh.s in O., der letzte Komtur † 1579), Dominikanerkloster z. Hl. Kreuz (gegründet 1295, beim Natruper
Tor gelegen; vgl. Beckschäfer; L. Huys, 43f.; L. Hoffmeyer, Chronik I, 443ff.), Kloster auf dem Gertruden-
berg (als Nonnenkloster zwischen 1137 und 1141 bestätigt, 1142 Einführung der Benediktinerregel, 1475 Reform
nach den Grundsätzen der Bursfelder Kongregation, Aufhebung 1803; vgl. J. I. Sandhoff, Summaria; H.-H.
Breuer; Huys, 44ff.; Hoffmeyer, Chronik I, 437ff.), Marienstätte oder Dumstorping (um die Mitte des 15.Jh.s
als Beginenhaus entstanden, 1469 Einführung der Regel der Augustinerinnen, Aufhebung 1803; vgl. M. Lam-
mers; Huys, 47ff.), Minoritenkloster (vgl. dazu unten S. 254, Anm. 72).

6 H. Hamelmann, 1126; vgl. auch C. Stüve, Hochstift II, 26; H. Hoyer, 123ff.

7 Zu Hecker vgl. Th. Kolde, Luther und sein Ordensgeneral usw., in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 2 (1878),
474f.; Die deutsche Augustinerkongregation und Johann von Staupitz. 1879, 402, Anm. 3. Kolde weist die ältere,
schon von Hamelmann vertretene Ansicht zurück, wonach Hecker in Erfurt Luthers Lehrer gewesen sein soll.
Vgl. auch WA Briefe 5, 51; R. Stupperich in: Jb des Ver. f. Westf. Kirchengeschichte 45/46 (1952/53), 102.
Schon im 16. Jh. scheint man in Osnabrück Hamelmanns Ansicht allgemein geteilt zu haben; vgl. das Schrift-
stück des Osnabrücker Richters Ernst Fredeleff von 1597 zum Osnabrücker Schulstreit, „einholt überreichter even-
tualartikel und designationszettel“ 15, im Staats-A. Osn.: Dep. 3b IV Fach 57 Nr 2 (Orig.): „Gerhard Hecker, der
hilligen schrift doctor, provincialis des Augustinerordens und prediger daselbst, der auch Erphordie Martini Lutheri
praeceptor gewesen...“.

8 Johannes Pollius wurde gegen Ende des 15. Jh.s in Bielefeld geboren, besuchte die Schule in Münster, wurde 1513
in Köln immatrikuliert, später Konrektor, dann Rektor in Minden, kam um 1521 nach Osnabrück, wirkte dort als
Lehrer. Gleichzeitig war er Geistlicher am Dom. Weiteres über ihn s. im Verlaufe dieser Einleitung. Vgl. B. Spie-
gel, Pollius; dazu J. Jaeger, 26.27 (danach wäre Pollius 1520-1530 Rektor der Domschule gewesen; Pollius ver-
ließ O. jedoch bereits 1526; Rektor war damals Alexander von Meppen); W. Schäfer, 17f.; F. Flaskamp,
Zwischenbericht, 124ff. Zu den Widersprüchen in der Überlieferung über Pollius vgl. J. Ch. Strodtmann, 3. Die
Behauptung Spiegels, Pollius sei unionistisch gesonnen gewesen, ist von H. Hoyer, 185f., danach auch von J.
M. Reu I, 3, 1, 2, 1040*, mit Recht zurückgewiesen worden. Zur humanistischen Bildung und Geisteshaltung des
Pollius vgl. auch F. Grosse-Dresselhaus, 32ff., der Pollius freilich ebenfalls unionistische Tendenzen beilegen
möchte. Vgl. auch J. H. Schüren, 151f.; L. Hoffmeyer, Chronik I, 66f.

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