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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0317
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Agende (1588) 1618

ausser den ganzen feyrtagen und anderer verschlos-
senen zeit 71a verrichtet werden.

Vor der copulation geschicht eine kurze erinne-
rung vom heiligen ehstand auf diese und dergleichen
form und weiß:

Geliebte in dem Herren Christo, es sol uns bil-
lich in unsern handlungen im herzen und vor augen
schweben der herrliche spruch deß apostels Pauli,
den wir in der ersten epistel an den Timotheum am
4. capittel [8f.] lesen, da er spricht: Die gottselig-
keit ist zu allen dingen nütz und hat die verheissung
dieses und deß zukünftigen lebens, das ist gewißlich
wahr. Darauß zu vernehmen, wie und welcher ge-
stalt ein Christ in all seinem tun und vornehmen,
und insonderheit im ehestand, glück, heil und wol-
fahrt von Gott dem Herrn, von welchem alle gute
gaben herkommen, erlangen könne, nemblich durch
wahre gottseligkeit, wenn er Gottes gebott, wie die
in der ersten und andern taffel uns fürgeschrieben
seind, fleissig in acht nimmt und sein ganzes leben,
tun und lassen darnach anstellet, liebet und ehret
Gott und sein heiliges wort, ist seinem obern gehor-
sam, lebet friedlich mit seinem nechsten, erzeiget
seinem ehegemahl ehr, lieb und treu, ist fleissig und
arbeitsam in seinem ordentlichen beruff, trägt mit
christlicher gedult das kreuz, welches ihme der him-
lischer Vatter nach seinem heiligen, göttlichen rat
umb seines besten nutzens willen zuschicket. Zufor-

gerrechtsordnung (vgl. oben S. 246, Anm. 33) wird
gefordert, daß die Prediger nur solche Leute, die
Bürger geworden sind, ehelich zusammengeben und
sie ins Kirchenbuch eintragen sollen, „oick diesulvi-
gen achte dage tovoren und dremal affgekundiget
hebben, und die nicht folgenden dages to kercken
gaen wollen, tor copulation darhen bescheiden, und
solche im hauße to doen, sich enthalten“ usw.
(Schreibweise wie oben).

71a Vgl. unten S. 718, Anm. 13.

72 Schon bei Tertullian läßt sich entnehmen, daß die
neuen Eheleute, nachdem sie vor der Eheschließung
die Zustimmung der Gemeinde eingeholt hatten, in
der Kirche eine Gabe opferten, vermutlich Brot und
Wein, die sie im Abendmahl wieder empfingen, daß
dieses Opfer als Bestätigung der Ehe angesehen, und
daß die Ehe eingesegnet wurde; vgl. De monogamia
11; MSL 2, 943. CSEL 76, 65; Ad uxorem II, 9
bzw. 8; MSL 1, 1302. CSEL70, 123. Ein klares Zeug-
nis für die Segnung der Eheleute im Gottesdienst
gibt Chrysostomus, Hom. 48 in Gen.; MSG 54, 443.
Vgl. auch Gregor v. Nazianz, Ep. 193; MSG 37,
315f.; Innocenz I., Ep. adVictric. v. Rouen, 6; MSL

derst aber ist vonnöten, daß er den anfang seines
ehestands nicht mit leichtfertigkeit beflecke, son-
dern nach der regul und richtschnur göttliches worts
diese hochwichtige sache anstelle, inmassen die ex-
empel der heiligen, deß erzvatters Isaac und from-
men Tobiae zum vorbild gesetzt seind und die epistel
an die Hebreer [13, 4] lehret und vermahnet: Die
ehe sol bey jederman ehrlich gehalten werden. Dann
dieweil es ein besondere köstliche gottesordnung ist,
dadurch Gott das menschlich geschlecht, auß wel-
chem er hie auf erden sein kirch samlet, erhalten und
täglich vermehret haben wil, so gebürt uns ja, sol-
che gottesordnung nicht verächtlich zu halten, son-
dern teur und hoch zu achten und mit wahrer got-
tesforcht und demut diesen stand anzufahen und
darin zu leben. Wie nun unser erster vatter Adam
sich zu seiner Eva nicht auß eignem willen und gut-
dünken, sondern, da sie ihm zuvor von Gott selbst
im paradeiß zugeführt und zur ehe gegeben und ein-
gesegnet ward, getan hat, also ist hernach zu allen
zeiten der ehestand mit gutem rat und sonderlichen,
gottseligen ceremonien von den rechtglaubigen an-
gefangen worden. Und hat demnach die alte kirch
für gut und ratsam angesehen, daß die ehe, nachdem
sie zuvor ordentlicherweise mit gutem, vorgehabten
rat beyderseits (eltern und) freunden vorgenommen
und beschlossen worden ist, mit einem offentlichen
kirchgang confirmirt und bestettigt werden solt 72.

20, 475; Ambrosius, Ep. I, 19, 7; MSL 16, 984, usw.
Die kirchliche Feier bildete sich zur Brautmesse aus.
Sie galt solchen, die als Eheleute zur Kirche kamen,
und sollte den bereits bestehenden Ehebund kirch-
lich bestätigen, war jedoch freie Sitte ohne recht-
liche Bedeutung. Die Trauung selbst war ein außer-
kirchlicher Akt, wurde aber um die Wende des
12./13. Jh.s von der Kirche in Anspruch genommen,
fand dann häufig vor der Kirchentür statt. Vgl.
G. Rietschel-P. Graff, Lehrbuch der Liturgik
II 2. 1952, 689ff.; auch Scheurl-Sehling, RE 3
5, 200 ff. — Unsere KO läßt die ganze Trauhandlung,
eingeschlossen die der eigentlichen Trauung voran-
gehende Wiederholung der bereits bei der Verlobung
gegebenen Konsenserklärung der Brautleute, folgen,
spricht hier aber von Bestätigung der Ehe. Dem-
nach wird die Ehe als bereits durch die Verlobung
aufgerichtet gedacht. Vgl. auch Einleitung, oben
S. 246, Anm. 33; dazu Luther, Von Ehesachen.
1530; WA 30 III, bes. 224f. (Begründung für die
Auffassung „Braut = Ehefrau“: Dt 22, 22ff.; Mt 1,
18ff.). Der Auffassung liegt das kanonische Sponsa-
lienrecht zugrunde; vgl. oben S. 260, Anm. 63.

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