Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0320
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stadt Osnabrück

scherpft, und da sie noch halßstarrig und unbuß-
fertig sich erzeigen würden, alsdann uns, der obrig-
keit, namhaftig gemacht und alle sachen umbstend-
lich berichtet und angezeiget werden, wollen wir mit
zuziehung der kirchrät die versehung tun, daß den
gegebenen ärgernussen durch billiche mittel einer
leiblichen disciplin oder straffe gesteuwret und ge-
wehret werde. Belangend aber das geistlich ampt
deß gesetzes, davon unser Herr Christus den predi-
gern befohlen und gesagt hat [Mt 7, 6]: Ihr solt das
heiligtumb nicht für die hunde noch die perlen vor
die säu werfen!, das lassen wir unsern predigern auf
ihr gewissen befohlen sein mit dieser ernstlichen er-
innerung, daß sie demselbigen ohn privataffect er-
bauwlich, also, wie sie es vor dem Herren Jesu Chri-
sto, dem richter der todten und lebendigen, geden-
ken zu verantworten, nach der regul und norma deß
göttlichen worts getreulich nachkommen.

Von besuchung, erinnerung und trost der
gefangenen 82.

Es gedenket die heilige schrift etliche mal [Mt
25, 36. 39. 43f.] dieses besondern stücks der christ-
lichen liebe, daß man die gefangene tröstlich be-
suchen solle. Und wiewol solches von denen, so un-
schuldig umb der bekantnisse deß glaubens willen
gebunden und gefangen werden, eygenthch zu ver-
stehen ist, jedoch weil von dem dienst der christ-
lichen liebe niemand in diesem leben sol außgeschlos-
sen oder derselbigen beraubet werden, so wirds nicht
unbillich auch auf die arme und elende personen ge-
zogen, welche der teufel ubereilet und dahin ver-
mögt und beweget hat, daß sie die gesetz und ge-
bott Gottes und der obrigkeit mit diebstal, brand,
mord, ehebruch, rauberey und dergleichen ubertret-
ten und also die leibsstraff verdienet und das leben
verwirket haben; denn mit denselbigen sol man auch

82 Vgl. KO von 1543, oben S. 253; auch oben S. 183ff.

83 Folgendes bis zum Schluß des Formulars flndet sich
fast wörtlich auch in der Wolfenbüttler KO von
1569, in der Hoyaschen KO von 1581 und in der
Verdener KO von 1606; vgl. oben S. 185.

84 Vgl. KO von 1543, oben S. 254f. und S. 263f.; zum
Grundsätzlichen oben S. 66, Anm. 25.

85 Vgl. dazu Anm. 91 zur Superintendentenordnung
von 1596, unten S. 294. - Scholarchen waren außer
dem Stadtsuperintendenten zwei Senatoren; vgl.

ein christliches mitleiden tragen, sie zur wahren buß
und bekehrung zu Gott anhalten und mit besten-
digem geistlichen trost, daß sie in ihrem elend nicht
an Gottes gnad verzweifelen, nottürftiglich und ge-
nugsam versehen. Demnach sollen unsere prediger,
welche wir zu solchen gefangenen personen erfordern
werden, allen fleiß anwenden, daß sie zu erkantnuß
ihrer sünden und göttlichen zorns uber die sünde
bracht und im glauben an den Herren Jesum unter-
richtet und gesterket werden und also einen rech-
ten, warhaftigen trost nicht allein wider die schand
und schmerzen deß zeitlichen todts, sondern auch
wider die sünd, den teufel, die helle und ewige ver-
damnusse bekommen und haben. Es 83 sollen auch
die prediger fleissig handelen, daß die arme leut von
herzen vergeben allen menschen, sonderlich, die sie
entweder zu dem fall oder in die haften gebracht
haben, fürnemblich aber, daß sie keinen ungedül-
tigen widerwillen wider die obrigkeit oder dersel-
bigen diener von wegen der straffe fassen, haben
oder behalten mögen.

Von schulen 84.

Demnach die schulen die rechte und von Gott ver-
ordnete und befohlne mittel sein, darinnen solche
leut auferzogen mögen werden, dadurch die aempter
in der christlichen kirchen täglich und wol durch
Gottes gnad und segen bestellet werden können,
ordenen und wollen wir, daß unsere scholarchen 85
ein fleissiges aug auf unsere lateinische schul 86 ha-
ben, und daß die bestimpte examina mit besonderm
fleiß angestellet und gehalten werden. Es sol auch
der superintendens die teutsche schul 87 je bißweilen
visitieren, darmit kein anderer als allein Lutheri
Catechismus 88 in denselbigen gelehret und von den
schulmeistern gebürlicher fleiß angewendet und
gute disciplin geführet werde.

Hartmann, Rathsgymnasiurn, 22f.

86 Zur städtischen Lateinschule vgl. Einleitung, oben
S. 245 mit Anm. 27-30.

87 Zu den deutschen Schulen vgl. Einleitung, oben
S. 239 mit Anm. 66. - Hier handelt es sich um die
Kirchspielsschulen zu St. Katharinen und St. Ma-
rien wie auch um die deutschen Privatschulen; vgl.
Superintendentenordnung von 1596, unten S. 294.

88 Vgl. dazu oben S. 255 mit Anm. 81.

288
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften