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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0347
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friesland verbreiteten Lehren 24, an dessen Zustandekommen wiederum Aportanus führend beteiligt
war 25, spiegeln deutlich zwinglische Gedanken wider, gehen z. T. jedoch noch darüber hinaus 26.

1528 traten die Wiedertäufer in Ostfriesland auch öffentlich auf 27. Melchior Hofmann 28 wirkte
1530 in Emden und gewann zahlreiche Anhänger. Er durfte für seine Tätigkeit sogar eine Seiten-
kammer der Pfarrkirche benutzen 29. Karlstadt kam 1529 ins Land und wurde u. a. von Ulrich von
Dornum in Oldersum in Obhut genommen 30.

Waren die zuschauende Haltung des Grafen Edzard und die unterschiedlichen Einflüsse dem Zu-
standekommen einer KO schon hinderlich, so kamen als weitere hindernde Momente noch die im Glau-
bensbekenntnis von 1528 zum Ausdruck gebrachte Furcht vor Verabsolutierung menschlichen Tuns und
aller äußeren Ordnung im Hinblick auf das zu erlangende ewige Heil und die Betonung des inwendigen
Wirkens Gottes hinzu. Die Anhänger der zwinglischen Sakramentsauffassung schritten jedoch zur Um-
gestaltung des Gottesdienstes in Angleichung an die Lehrmeinung. Aportanus in Emden und Rese in
Norden verwandten beim Abendmahl anstatt der Altäre Tische, an denen die Teilnehmer vermutlich sa-
ßen, anstatt der Hostien weißes Brot, das jeder in die Hand nahm 31. Aus Norden ist uns ein Teilstück
einer Gottesdienstordnung aus der Zeit vor 1530 überliefert, aus dem hervorgeht, daß man ein den Ar-
tikeln von 1528 angehängtes zusammenfassendes Bekenntnis liturgisch verwertete 32. Vielleicht verfuhr
man auch an anderen Orten so oder ähnlich.

Da wir mit der Norder Gottesdienstordnung in die Geschichte der ostfriesischen KOO eingetreten
sind, sind einige Worte über die Reihenfolge, in der wir sie zum Abdruck bringen, wie über die An-
ordnung des folgenden Einleitungsstoffes zu sagen.

Die Uneinheitlichkeit der evangelischen Kirche Ostfrieslands nach Konfession und Struktur, wie sie
sich schon von Beginn der Reformation an abzeichnet, hat im Laufe des 16. Jh.s die verschiedenartigsten

24 Vgl. Bericht, 18f.; E. Meiners I, 49ff.; U. Emmius, Historia, 846f.; E. Kochs III, 9 mit Anm. 1.

25 Vgl. E. Meiners I, 109; E. Kochs III, 14.

26 E. Kochs III, 14ff., weist im Bekenntnis von 1528 auch Anklänge an die Lehren Karlstadts und der Wieder-
täufer nach. Vgl. auch J. Weerda, Entstehung, 17ff.

27 Vgl. E. Beninga, Chronyk, 652. - Täuferische Strömungen sind in Ostfriesland jedoch schon länger vorhanden
gewesen; Graf Enno schreibt 1530 an den Landgrafen von Hessen, daß seit fünf Jahren ungetaufte Kinder im
Land seien; vgl. den Brief bei C.A. Cornelius, 57ff., dort 58. Möglicherweise kann man aber auch hier den
Einfluß Karlstadts annehmen; vgl. H. Barge II, 176.

28 Näheres über Melchior Hofmann, den bekannten führenden Täufer, geboren vor 1500 zu Schwäbisch Hall, von
Beruf Kürschner, anfangs Anhänger Luthers, dann der Meinung, ein Prophet zu sein, und einer eigenen, laien-
haften Lehrauffassung verfallen, † 1543 oder 1544, anscheinend als Gefangener in Straßburg, vgl. bei Neff in:
Mennonitisches Lexikon II (1937), 326ff.; W.Wiswedel, Bilder und Führergestalten aus dem Täufertum III.
1952, 60ff.; P. Kawerau, Melchior Hofmann als religiöser Denker. Haarlem 1954; ders., RGG 3 III, 422f.;
EKL II, 182.

29 Vgl. E. Beninga, Chronyk, 652; Gegenbericht, A V (H.Garrelts, 102); U.Emmius, Historia, 860ff.;
E.Meiners I, 39f. 41ff.; C.A. Cornelius, 49ff.; E. Kochs III, 71ff.

30 Vgl. Antwort auf die Missive, E I (H. Garrelts, 142f.); H. Hamelmann, 828; E. Meiners I, 34; C.A.
Cornelius, 27f.; H. Barge II, 399ff.; E. Kochs III, 32ff.; H. Reimers, Gestaltung, 28; G. Ohling, 65f.
— Luther schreibt am 15. Juni (oder 15. Mai?) 1529 an Jonas: Carlstadius in Frisia laetus et triumphans diu
consedit. Vocavit literis binis gloriosis et gratulatoriis uxorem ad se. Scilicet nova monstra nobis ibi cudet satan.
Vgl.WA Briefe V, 69. Am 10. Februar 1530 schreibt Luther an Conrad Cordatus: Carlstadius resuscitatur a sa-
tana in Frisia, et agit nobis pro servata vita dignas gratias, infernalibus literis passim me et nostros criminatus.
Vgl. WA Briefe V, 238. An Jakob Propst schreibt Luther am 1. Juni 1530: Deinde Carlstadii mendacia, quae an-
tea misisti, principi tradidi, et arbitror, comiti a principe esse scriptum. Vgl. WA Briefe V, 340.

31 Vgl. Bericht, 61. 383f.; E.Meiners I, 108. 167f. II, 367; C.A. Cornelius, 21; E. Kochs II, 192.261;
J.Weerda, Entstehung, 21.

32 Fraglich ist es, ob das summarische Bekenntnis aus der Liturgie ins Bekenntnis von 1528 oder aus dem Bekennt-
nis in die Liturgie herübergenommen ist. Für die erste Reihenfolge tritt H. Reimers, Gestaltung, 51f., ein, da-
nach auch E. Kochs III, 19. 116. Nach älterer Ansicht ist das Verhältnis umgekehrt; vgl. Bericht, 382f.; E. Mei-
ners II, 366f.

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