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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0350
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1530 ließ der Graf ein scharfes Mandat gegen die Wiedertäufer ausgehen; auch Karlstadt mußte das
Land verlassen 52,. Luther, der die KO billigte, ermahnte den Grafen brieflich, keine Sekten in seinem
Land zu dulden, die Aufrührer zu strafen, und war bestrebt, Enno zum Festhalten an der KO zu be-
wegen 53.

Angeblich wurde die KO von 1529 damals gedruckt 54. Doch hat sich kein gedrucktes Exemplar
erhalten. Überliefert ist die KO in Form einer Abschrift aus dem 16. Jh., die in einem Sammelband
der Bonner Universitätsbibliothek, den sog. Penborgschen Kollektaneen 55, enthalten ist 56. Nach dieser
Vorlage ist sie bei Meiners 57 gedruckt, jedoch vielfach nicht unter genauester Berücksichtigung der
Handschrift, teilweise wohl auch in der Absicht, diese zu korrigieren. Nach derselben Vorlage bringen
wir sie (die sog. „Bremer KO“): Text Nr. 1(I).

Des Grafen Bemühen um die lutherische Lehre war wenig von Erfolg gekrönt. Auf Veranlassung
Zwinglis intervenierte der Landgraf von Hessen zugunsten der zwinglischen Prediger 58. Die Straßburger
schalteten sich ein 59; und auch Ulrich von Dornum legte sich gegen die gräflichen Maßnahmen ins
Mittel 60. Die Fehde mit Balthasar von Esens lenkte das Interesse bald ganz von den innerkirchlichen
Dingen ab, so daß sich Luther in einem Brief an Wenzeslaus Linck vom 15. Januar 1531 beklagte, wie
in Friesland frank und frei die Treulosigkeit der Sakramentierer herrsche und der Graf jetzt jeden
lehren lasse, was er wolle 61. Die KO von 1529 blieb zwar formal in Kraft, scheint jedoch wenig beachtet
worden zu sein. Auch die in ihr vorgeschriebenen kirchenrechtlichen Einrichtungen, wie die Superinten-
dentur und das Adjutoramt, blieben einstweilen unausgeführt. Aber das Mandat zur neuen, 1535 ein-
geführten KO nimmt auch auf die KO von 1529 Bezug.

Nach der für Enno so unglücklich auslaufenden Fehde mit Balthasar von Esens sah sich der Graf
gezwungen, den Kirchenverhältnissen seines Landes erneut seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Im
Frieden von Logum 1534 62 forderte der Herzog Karl von Geldern nämlich die Rekatholisierung Ostfries-
lands, begnügte sich dann aber mit der Zusage, daß die ostfriesischen Grafen sich in Zeremonien usw.
nach dem Vorbild des Kurfürsten von Sachsen und anderer evangelischer Fürsten, Grafen, Herren und

kaum fünf sein, idoch die haubtfurer solicher widerschriftlichen oppinion, zu vertreiben, und bin unzweifelich,
E. F. G. worden im gleichen falle mit solichen leuten [nicht ?] vil anders haben handelen lassen (Schreibweise in An-
gleichung an den Text der KOO; so auch in anderen Anmerkungen). Der zitierte Brief befindet sich jetzt im Staats-A.
Marburg unter der Signatur: Politisches Archiv des Landgrafen Philipp Nr. 2377. Die KO von 1529 liegt jedoch
nicht dabei und konnte auf Anfrage auch nicht in den sonstigen Beständen des Staats-A. ermittelt werden. — Vgl.
auch noch E. Beninga, Chronyk, 662; Cornelius, 33. 36; H. Reimers, Gestaltung, 43; E. Kochs III, 58ff.

52 Es ist nicht ganz deutlich, wann Karlstadt Ostfriesland verließ. E.Kochs III, 58f., hält für wahrscheinlich, daß
er Anfang Februar 1530 einen Ausweisungsbefehl erhielt. Möglicherweise wurden aber schon früher Maßnahmen
gegen Karlstadt ergriffen; vgl. C.A. Cornelius, 33f. mit Anm. 8.Vgl. auch H. Hamelmann, 828. Am 15.Mai
1530 schreibt Capito an Zwingli: Carolostadium... apud nos et per hos dies conversatum; vgl. CR 97, 580.

53 Vgl. Luthers Briefe an die Bremer Prediger Jakob Propst und Johann Zelst vom 1. Juni 1530; WA Briefe V, 340.
342; auch H. Hamelmann, 828; C.A. Cornelius, 36 mit Anm. 4; E. Kochs III, 63 mit Anm. 3.

54 Vgl. Bericht, 20. 99; U. Emmius, Historia, 854; J.M. Reu I, 3, 1, 2, 673*.

55 Msc. S 336. 56 Vgl. auch C. Borchling, Hausbuch, 192f.

57 E. Meiners I, 575-590.

58 Vgl. den Brief Zwinglis an den hessischen Landgrafen vom 9. März 1530, in dem er den Landgrafen auffordert,
den ostfriesischen Grafen umzustimmen; CR 97, 499. Auf den Brief, den der Landgraf darauf an Enno richtete,
antwortete Enno unter dem 25.März 1530 mit einer ausführlichen Schilderung der verworrenen kirchlichen Ver-
hältnisse in seinem Land, die ihn zu seinen Schritten bewogen hätten (vgl. auch oben Anm. 51). Zum Schluß bit-
tet er den Landgrafen, ihm mitzuteilen, wie das Abendmahl in seinen Landen gehandhabt würde. Vgl. C. A. Cor-
nelius, 57ff., dazu auch 37f.

59 Vgl. C. A. Cornelius, 38; E. Meiners I, 83f.; E. Kochs III, 60.

60 Ulrich berichtet darüber in einem Schreiben an Capito, Bucer, Hedio und Cellarius vom 23.Mai 1530; vgl. den
Brief bei H. Barge II, 587f., deutsch bei G. Ohling, 107f.; dazu E. Kochs III, 63ff.

61 WA Briefe VI, 16; vgl. auch C.A. Cornelius, 39.

62 Vgl.den schließlich zustandegekommenen Vertrag bei E. R. Brenneysen Tom.I, Lib.V, 173ff.; vgl. auch
U. Emmius, Historia, 879ff.; J. Weerda, Experiment, 173.

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