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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0381
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In der zweiten Hälfte des 16. Jh.s war die Emder Gemeinde weit über die Grenzen Ostfrieslands
hinaus zu Ansehen gelangt. Die Gastfreundlichkeit, mit der sie die um ihres Glaubens willen Geflüch-
teten, Niederländer, Engländer, Franzosen, aufnahm, ließ sie zur „moederkerk“ besonders der reformier-
ten Fremdengemeinden werden, die sie in Schwierigkeiten um Rat fragten. Wichtige Druckschriften der
reformierten Kirchen kamen in Emden heraus 88. Die Engländer und die Franzosen bildeten besondere
Gemeinden in der Stadt und hielten ihre Gottesdienste in ihrer Muttersprache 89.

Im Oktober 1571 fand zu Emden eine Synode der verstreuten niederländischen reformierten Ge-
meinden statt, auf der wichtige Beschlüsse zu einheitlicher Regelung der Gemeindeverhältnisse gefaßt
wurden, die einer KO gleichkommen.

Klugkist Hesse 90 hat darauf aufmerksam gemacht, daß sich der Emder Kirchenrat dieser Synode
gegenüber sehr zurückhaltend benahm, keine Hand für ihr Zustandekommen rührte und sie weder in
seinen gleichzeitigen Protokollen noch sonst in einem Dokument erwähnt hat. Bei aller Aufgeschlossen-
heit gegenüber den Fremdlingen und trotz calvinischer Einflüsse in der Abendmahlslehre des Emder
Katechismus war Emden damals noch nicht streng calvinistisch. War schon a Lasco nicht in jeder Hin-
sicht ein Schüler Calvins, so hingen Gellius Faber und nach ihm Albert Hardenberg, der bis zu seinem
Tod 1574 in Emden Prediger war, der vermittelnden, melanchthonischen Richtung an. Das Band, das
die Lutheraner in der ostfriesischen Kirche gleichzeitig umfing, war damals noch nicht ganz zerschnit-
ten. Politische und kommerzielle Interessen mochten es ebenfalls geraten erscheinen lassen, sich nicht
einseitig an die Calvinisten zu binden. Erst Menso Alting ließ Emden eigentlich zum „Genf des Nor-
dens“ werden.

Für die „Acta“ der am 4. Oktober eröffneten Synode verweisen wir auf die Abdrucke bei Rut-
gers, van Meer, Niesel, auch Meiners 91.

d) Die reformierte KO für die Gemeinde in Lütetsburg (III b γ). Auf Lütetsburg in
der gleichnamigen Herrlichkeit bei Norden, die sich jahrhundertelang im Besitz der adligen Familie
Manninga befand, war schon in katholischer Zeit ein vom dort jeweils regierenden Herrn für die Burg-
kapelle angestellter und besoldeter Geistlicher tätig gewesen. Unico Manninga († 1588) war evangelisch
gesonnen, stellte jeweils evangelische Prediger ein und ließ auf seinem Schloß evangelischen Gottesdienst
einrichten 92. Sobald dieser Gottesdienst deutlicher in das Licht der Geschichte tritt, trägt er reformiertes
Gepräge, was vielleicht mit auf den Einfluß der aus England geflüchteten reformierten Niederländer
und Franzosen zurückzuführen ist, deren Unico Manninga zahlreiche Familien auf Lütetsburg auf-
nahm. Nach Unico Manningas Tod ging Lütetsburg durch die Heirat seiner Tochter mit dem gleich-
falls reformiert gesonnenen Wilhelm, Freiherrn zu Inn- und Knyphausen, in die Hände dieser Familie
über 93.

Als in der Gemeinde zu Norden, nachdem dort eine Zeitlang reformierte Prediger gewirkt hatten

88 Vgl. H. Klugkist Hesse, 87; J. M. Reu I, 3, 1, 2, 738 *ff.

89 Vgl. H. Loesing, 119; B. Hagedorn I, 122f.; Pleines, Kurze Geschichte der französisch reformirten Kirche in
Emden, in: JbE 1, 1 (1872), 37ff. — Zeitweise hatten sich auch die Merchants Adventurers in der Stadt nieder-
gelassen; vgl. Loesing, 127ff.; Hagedorn I, 170ff. II, 25ff. 334ff.; H. Garrelts, Ligarius, 44f.

90 H. Klugkist Hesse, 91.

91 F. L. Rutgers, 55ff.; B. van Meer, 229ff.; W. Niesel, Bekenntnisschriften und KOO der nach Gottes Wort re-
formierten Kirche 3, 277ff.; E. Meiners I, 427ff. —Näheres zur Synode vgl. bes. bei van Meer, auch bei S. D.
van Veen, RE 3 14, 39jf.; bei H. Klugkist Hesse in: Reformierte Kirchenzeitung 71 (1921), 223ff.; D. Nauta,
Opera minora. Kampen 1961, 30ff. Ein an den Prediger und die Ältesten der französischen Gemeinde in Emden
gerichtetes Einladungsschreiben zur Synode aus dem Archiv der französisch-ref. Gemeinde zu Emden, das ein wich-
tiges Dokument für die Vorgeschichte der Synode darstellt, ist mit einer Einleitung veröffentlicht von J. Weerda
in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 60 (1941), 469—474.

92 Vgl. Unico Manningas Testament bei E. Graf Knyphausen-Lützburg, 36.

93Vgl.E. Graf Knyphausen-Lützburg, 1ff.; auch U.v. Alvensleben, 80ff.

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