Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0422
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Grafschaft Ostfriesland

idt ock in unsen landen, wowol mit moye und arbeyt,
wederumme affgebracht und geistlicke frykeit ohne
wederumme van unsen fursten gnedichlick nage-
geven, dat se nicht voer den lantrichteren, sunder
voer oeren superattendenten vorklaget weerden 83.

Dar averst wol 84 mit ohne to haderen hefft super
terminos agrorum et pascuarum [!] und goldschuld 85,
laten wy gescheen, dattet sulvige voer den amptlui-
den, de sulcke dingen vorstendich, angeklaget und
entscheiden weerden.

Idt schoelen averst de pastoren und andere ker-
ckendener vlitich toseen, dat se nemand mit un-
bescheidenheit oeres mundes in der predigen eder
buten der predigen orsake geven to jenigen hate eder
unwillen jegen sy, dat se ock also leven binnen und
buten oeren huiseren, mit oeren fruwen, kinderen
und huisgesinde und naburen, dat nemant ein or-
sake gewinne, sick an se to ergeren eder mit ene to
haderen, sunder dat ein ider sines beveels warneme.
De pastoren und predigeren schoelen vlitich predi-
gen und leren, straffen und vormanen und insunder-
heit ein vlitich upseent hebben, dat nicht jergent-
ein wulf mank den schapen kame und valssche lere
infoere [vgl. Act 20, 29].

De schoelmeisteren schoelen vlite doen up de

83 Lib. I, cap. 139 des ostfriesischen Landrechts
(nach M. v. Wicht, Land-Recht, 296; vgl. da-
zu oben S. 369f., Anm. 85): Sleit de prester einen
leyen doet, so is de bischop syn richter; schleit
wederumme ein leye einen preester doet, so sall he
de broecke sinem weltlichen richter geven. — Ems-
gauer Sendrecht, § 32 (C. Borchling, Die nieder-
deutschen Rechtsquellen I, 142): Sleyt de preester
enen leyen doet und de leye dat nicht an den pree-
ster erste vorhaelt heft, so moet he den leyen boe-
ten, als he wulde genamen hebben, und den bisschup
sine brocke geven; wente de bisschup is des preesters
richter.

84 = irgendwer; vgl. oben S. 225, Anm. 38.

85 Meiners: geldtschult.

86 Vgl. oben S. 362 bei Anm. 15; unten S. 431 f., Anm. 5.
L M. Reu (I, 3, 1, 2, 689*f.) hält esfür möglich, daß
man damals in Ostfriesland für den Unterricht in
den Lateinschulen nach dem 1535 erschienenen Kate-
chismus des Lüneburger Reformators und General-
superintendenten Urbanus Rhegius (zu Rhegius vgl.
oben S. 226, Anm. 56) griff: Catechismus minor pue-
rorum... Dem Druck dieses Katechismus von 1536
war der Katechismus des Brenz von 1535 beigegeben.
Reu hält dieses für einen möglichen Weg, auf dem

jöget, dat desulvige moege geleert weerden. Insun-
derheit averst schoelen se de joeget berichten und
leren in den verstant der teyn gebaden, den geloven
und dergeliken dingen 86, dat se also van joeget up
dat guede moegen in sick suigen 87, in demsulven up-
wassen und gedyen.

De schoelmeisteren schoelen ock allen vlyt an-
keren 88, dat se de joeget gewennen moegen to der
latynsscher spraken mit leringe der grammatica und
anderer gueder kunsten, schoelen ock de musicam
nicht vallen laten, up [dat] de latynssche sprake und
alle guede kunsten, ock alle guede christlike gesenge,
so in der gemeinen Gades sust lange im gebruick
gewesen, nicht undergaen, sunder in ehren geholden
werden.

Wy bidden ock unsen g. heren, de overicheit dus-
ses landes, dat desulvige will mit ernste hanthaven
der preester eestant 89, dat gelikerwyss desulvige nach
gotlichem recht vor recht und gudt erkant word 90,
dat he ock voer dem lantrecht 91 und den lantrich-
teren als uprecht und gudt erkant wort, dat der
prester kinder, so in den eestant gewonnen, alse
rechteliken gebaren kinder moegen geneten und up-
boeren na oerer older doetlichem affgange oerer older
nagelaten göde und liggende erfgueder 92 und lyck

der Katechismus des Brenz, der nach dem Zeugnis
der Lutheraner bis 1554 neben Luthers Katechis-
mus in Ostfriesland allein im Gebrauch war (vgl.
Einleitung, oben S. 325), nach Ostfriesland gekom-
men sein könnte. Zum kleineren Katechismus des
Rhegius vgl. auch oben S. 241, Anm. 89.

87 = saugen; vgl. Schiller und Lübben IV, 460.

88 Meiners: anheven.

89 Der Zölibat war in Ostfriesland niemals ganz durch-
gedrungen, die Priesterehe auch vor der Reformation
fast allgemein. Die Friesen wünschten ihre Priester
verheiratet zu sehen, damit sie nicht in unzüchtiger
Weise fremde Ehen befleckten. Vgl. E. Beninga,
Chronyk, 17; Kochs, Kirchengeschichte, 148ff.

90 Vgl. Conf. Aug. XXIII (Bek. Schr., 86ff.); Apolog.
XXIII (Bek. Schr., 332 ff.).

91 Trotz der Anerkennung, die die Priesterehe in Ost-

friesland allgemein genoß, bestimmte das Landrecht
unter Berücksichtigung des kirchlichen Rechts in
lib. II, cap. 28 (nach M. v. Wicht, Land-Recht,
341): De kinder, de van einer gemenen frouwen ge-
baeren sint und hebben einen unwissen vader, oek
paepen- und monniken- und nonnenkinder... moe-
gen gene erfgenaeme syn to oeres vaders und moeder
guederen. 92 Meiners: lyfgoeder.

390
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften