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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0433
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Polizeiordnung 1545

noch yn den dorperen nicht late bedelen, und de yn
dussen lande nicht gebaren, waenhaftich noch hir to
hus horen, utjagen, dan goede acht und tovorsicht
up se hebben, oft 44 dat ock rechte bedelers sinnen,
de also unforschemet vor enes ydermans doren lopen
und den rechten hussittende armen (woe vorgerort)
to enen vorvange 45 synnen 46, soe men hir und ander
orden yn warheit befunden, dat yd meestelick mor-
deneren und ander boese boven 47 sinnen, wat se des
dages tohoepebedelen, up den avente unnuette
vorteren.

De munsterunge 48.

Dewile wy allenthalven bearchwaent werden, als
schulden wy de uprorischen sekten der wederdope 49
hir yn dusser graveschup entholden 50, darumme dun-

44 = ob; vgl. oben S. 73, Anm. 45.

45 = Nachteil, Schaden; vgl. Schiller und Lübben
V, 484f.; Lasch und Borchling 1,811.

46 Vgl. Gutachten der Räte auf die Artikel des Grafen
Johann (Bl. 79r aaO.): ...de yn dussen lande
nicht gebaren, to hus horen noch waenachtich sin-
nen, de also vor enes ydermans doren lopen, dat
doch van Got vorbaden is, de den rechten husarmen
to enen vorfange sinnen, dat men de utjaege und
darhenwise, dar se waenachtich und gebaren sin-
nen. - Reichspolizeiordnung von 1530, Tit. XXXIV
(aaO.) ...und im reich nicht gestattet, fremden an
einem jeglichen ort zu betteln. Und so darüber solche
starke bettler befunden, sollen dieselbige vermög der
recht oder sonst gebührlich gestrafft werden...

47 = Buben, Schelme; vgl. Doornkaat Koolman
I, 195; Schiller und Lübben 1,408; Lasch und
Borchling 1,336.

48 Munstern = mustern, untersuchen, der Obrigkeit
zur Musterung präsentieren; vgl. Doornkaat Kool-
man II, 630; Schiller und Lübben III, 134. -
Auricher Konzept: Von der munsterunge.

49 Auricher Konzept: wedderdoeper.

50 = beherbergen, schützen; vgl. Schiller und Lüb-
ben I, 675; Lasch und Borchling I, 559. — Zum
Wirken der Wiedertäufer in Ostfriesland vgl. Ein-
leitung, oben S. 315. 324 und unten Anm. 56. 58. 59.

51 = einhändigen, überreichen; vgl. Schiller und
Lübben I, 192; Lasch und Borchling I, 181.

52 Die Druckvorlage will hier ein „dat“ eingefügt ha-
ben, das aber offenbar in die nächste Zeile gehört.

53 Das Auricher Konzept hat statt „dat de alsdan“:
„und“.

54 Alle diese Bestimmungen entsprechen im wesent-
lichen dem Gutachten der Räte auf die Artikel des
Grafen Johann. Dort heißt es (Bl. 71 r): Den artykel
van der munsterunge belangent, dunket uns nicht
unnodich, und dat um ytzigen gescreis willen de

ket uns nicht unnodich, um des ytzigen gescreyes
willen ene munsterunge vorgenamen werde yn ein
yder stadt, fleke, ampten und yn der junkeren her-
licheyden, und woe darunder welche mit boser, up-
rorischen sekten behaft eder anhenich befunden und
fromde, nye ynkomelinge weren, dat de darhen ge-
holden, dat se teen an de orde, dar se vorhen ge-
waent, genochsaem bowis bringen, woe se van dar
gescheden, und wat levendes se aldaer gewesen, und
sodane bowis den amptluden und junkeren, dar se
under beseten, behanden 51, de sulches uns 52 dan so-
len toschicken, dat de alsdan 53 ores gelovens confes-
sion vor den superadintendenten bekennen scho-
len 54, woe desülvige sick dan myt one vorgeliken
kunde und der bosen, uprorischen sekten nicht an-
hengych, de scholen geleden werden 55.

Soe averst de Daviten 56 und de 57 batenborgesche

munsterunge vorgenamen werde yn einer yder stat,
ampt und yn der junkeren herlicheyt privaet... -
Die Räte äußern dann ihre Meinung darüber, wie
die Musterung bei den bereits im Lande Wohnenden
vorgenommen werden soll (weithin wörtlich wie
unser Text). Weiter heißt es: Und soe nu noch nyes
ynkamen muchten, dat de sodane bewis (woe vor-
gerort) medebringen, und dat se vor der tiit yn genen
steden, ampten eder herlicheiden yngenamen wer-
den, se hebben dan unser g. f. scriftlike orkunde, dat
se to lyden sinnen, und dunket uns nicht unnutte,
dat unse g. f. se vor den superadintendens ores ge-
lovens confession vorhoren, er dan oer g. desulven
toleete... Vgl. auch aaO. Bl. 68 r.

55 Vgl. hierzu oben S. 19, Anm. 9, und S. 360, Anm. 2.

56 Anhänger des David Joris. — DavidJoris (1501/2 —
1556) bereiste als Kaufmann von Antwerpen aus
Frankreich und England und ließ sich 1524 in Delft
nieder. Unter dem Eindruck der reformatorischen
Bewegung wandte er sich offen gegen die römischen
Priester, wurde 1528 hart bestraft und mußte Delft
verlassen. Während seiner Verbannung wurde er mit
den Täufern in den Niederlanden bekannt, denen er
sich anschloß. 1536 versuchte er, die verschiedenen
Parteien der Täufer auf dem sog. Täuferkonvent zu
Bocholt zu vereinigen. Bald trat er im Bewußtsein
eines Propheten, des dritten David, auf, predigte
Demut und Selbstentäußerung und erschloß sich
gleichzeitig einem widerspruchsvollen Mystizismus,
der Libertinismus und sittlichen Entgleisungen die
Tür öffnete. Er wurde jetzt zum Stifter einer eigenen
Partei. 1538 griff die Regierung gegen ihn und seine
Anhänger ein. Bis 1544 hielt er sich dann versteckt
in Holland, Ostfriesland und Belgien auf und warb
zahlreiche Anhänger. In einer an Gräfin Anna ge-
richteten Apologie legte er seine Lehre dar (Ableh-
nung des Schriftprinzips, Anerkennung nur des my-
stischen Erlebnisses). Nach der Auseinandersetzung

26 Sehling, Niedersachsen II/l

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